Herr King, was für eine schöne Aussicht Sie hier oben haben! Genießen Sie diesen Blick eigentlich?
O ja, die Sicht aus dem Fenster ist wirklich toll. So weit das Auge sieht nur Grün, dann der See – und drüben auf der anderen Seite die Schweizer Berge.
Kennen Sie die Gipfel?
Manche schon, aber längst nicht alle. Zu allererst natürlich der Säntis. Dahinten, das ist der Altmann, dort die Saxerlücke...
Und waren Sie auch schon dort?
Einiges haben wir uns erwandert, vor allem im Österreichischen. Damit hat mich meine Frau angesteckt. In ihrer Familie wurde getourt. Für mich war das neu. In meiner Jugend wäre ich nie auf die Idee gekommen, mich unnötig zu bewegen. Aber mittlerweile liebe ich das: durch die Landschaft zu wandern – ebenso wie das Radfahren.
Auch hier rund um Markdorf?
Auch hier rund um Markdorf. Schöner kann man es ja kaum antreffen. Und eigentlich muss man gar nicht wegfahren, weil alles vor der Haustür liegt. Das war übrigens auch der Grund, warum meine Frau und ich – wir kommen beide aus dem Schwarzwald – hier geblieben sind, inzwischen seit mehr als 40 Jahren.
Herr King, hier auf diesem Anwesen haben Sie die Landwirtschaft vom Vorbesitzer übernommen. Warum?
Das war seit vielen Jahren mein Traum. Ich komme aus der Landwirtschaft. Daheim, bei Schramberg, hatten wir einen kleinen Hof. Der war wirklich ganz klein – sechs Kühe, sechs Schweine, 50 Hühner und ein paar Ziegen. Genau genommen hat ihn nur meine Mutter betrieben. Mein Vater ist nur eingesprungen, wenn schwere Arbeiten anstanden, zum Beispiel Pflügen. Ansonsten hatte er verschiedene Jobs, er hat in der Ziegelei gearbeitet, fürs Kloster Heiligenbronn, aber auch für die Gemeinde. Aber wir waren Selbstversorger – dank eines riesigen Gartens.
Und Sie haben immer gerne geholfen?
Wirklich gerne habe ich nur als Kind geholfen. Später als Jugendlicher hielt sich die Lust dann schon in sehr engen Grenzen. Vor allem, wenn meine Freunde auf dem Fußballplatz waren oder im Schwimmbad oder beim Skifahren. Und jeden Samstag, jeden Sonntag in den Stall zu müssen, das war auch kein reines Vergnügen. Und trotzdem habe ich mir als Jugendlicher gut vorstellen können, Bauer zu werden.
Dazu ist es dann aber nicht gekommen. Warum nicht?
Mir war bald klar, dass unser Hof viel zu klein war, um davon leben zu können. Hinzu kommt: Die Gebäude waren allesamt in einem ziemlich schlechten Zustand. Für meinen Vater war klar, dass alles abgerissen werden sollte, sobald er sich zur Ruhe setzte.
Ich habe dann eine Lehre als Werkzeugmacher gemacht. Später dann eine Techniker-Ausbildung. Mit 24 bin ich dann zur ZF in Friedrichshafen gekommen – und hier geblieben.
Und die Landwirtschaft?
Die ruhte. Dafür fehlte die Zeit. Allenfalls wenn ich daheim bei meinen Eltern in Heiligenbronn war, habe ich noch ein bisschen angepackt. Die Idee, der Wunsch ist aber geblieben. Mit 40 etwa bin ich auf den Gedanken gekommen, einen kleinen Hof zu übernehmen. Ich habe mir damals sogar eine Mindmap gezeichnet, wie die Sache anzupacken wäre – und wie es funktionieren könnte. Schon damals hat für mich festgestanden, dass wir‘s nicht alleine stemmen wollen. Der Plan war, es gemeinsam mit einer anderen Familie zu machen. Was wir auch tun – zusammen mit den Sandkühlers. Wobei Benno Sandkühler bis auf Weiteres noch mit seinem Ofenbauer-Betrieb zu tun hat.
Und wie sind Sie auf diesen Hof hier oben bei Autenweiler gekommen?
Das war reines Glück. Angeschaut hatten wir uns verschiedenste Höfe – so im Umkreis von etwa 30 Kilometern. Und das seit etlichen Jahren. Einiges war auch richtig schön, außerdem auch noch erschwinglich.
Und warum haben Sie nicht zugegriffen?
Weil die Höfe einfach zu weit weg waren. Zu weit weg von unseren Freunden hier in Markdorf. Eben darum ist dieses Anwesen hier solch ein großer Glücksfall. Wir konnten bleiben. Es hat einfach alles gepasst. Auch dass der Hof davor von einem Biolandwirt bewirtschaftet wurde, von Erhard Guhl. Eigentlich war er Mathematikprofessor an der PH in Weingarten. Seit seinem Ruhestand hat er den Hof hier bewirtschaftet.

Und sich gegen die grüne Gentechnik engagiert.
Genau, das hat er ganz geschickt angestellt. Weil er hier Mais angebaut hat, sodass im Umkreis niemand genmanipuliertes Saatgut mehr ausbringen durfte. Den Guhls, also den Erben war es nach Erhard Guhls Tod wichtig, dass die Landwirtschaft weiterbetrieben wird, nichts anderes hier hinein kommt.
Sie engagieren sich für die Umwelt. Seit wann? Und wie ist es dazu gekommen?
Den Anstoß hat Tschernobyl gegeben. Genauer: die Folgen der Reaktorkatastrophe, die uns unmittelbar betroffen haben. Damals, 1987, ist unser erster Sohn zur Welt gekommen. Und bei der U-1-Untersuchung hat sich herausgestellt, dass er einen Darm-Tumor hat. So wie zwei weitere Kinder im direkten Umfeld. Überhaupt sind damals zahlreiche Kinder mit dem gleichen Krankheitsbild zur Welt gekommen. Es waren die Folgen des radioaktiven Fallouts. Wir waren dem ausgesetzt, weil wir zum Zeitpunkt eine Radtour gemacht haben, von nichts ahnend. Die Zusammenhänge haben wir erst später mitgekriegt, als es hieß, keinen Salat, keine Pilze essen. Für mich stand dann fest, dass Atomkraftwerke der falsche Weg sind. Darum habe ich mich in der ÖDP engagiert, für den Klufterner Gemeinderat kandidiert – aber auch für den Landtag und den Bundestag und das EU-Parlament.
Wie kam das Engagement für die ÖDP bei ihren Kollegen an? Hat man Sie belächelt?
Eigentlich nicht. Meine Kollegen haben das schon anerkannt, was ich gemacht habe. Auch meine Ansichten akzeptiert, zum Beispiel, dass man in der Landwirtschaft auf Spritzmittel verzichten sollte. An eine Situation kann ich mich noch gut erinnern. Ich hatte mich für die Leitung der Logistikabteilung beworben. Nach meinen Zielen befragt, habe ich erklärt, dass ich die Verpackung reduzieren und den Transport auf die ökologischere Schiene verlegen wollte. „Machen Sie!“ hat es geheißen. Ich habe dann gemacht, bin aber grandios gescheitert – zumindest bei der Bahn. Die war damals, in den 90ern, einfach zu schwerfällig und zu unflexibel. Sodass wir den Transport wieder auf die LKW zurückholen mussten. Doch geht es auch anders. Die Erfahrung haben wir mit den Gütern aus Italien gemacht. Die kamen per Schiene über die Schweiz. Und die SBB konnte liefern.
Sie haben lange Jahre für die Umweltgruppe im Ortschaftsrat von Riedheim gesessen. Meine Frage bezieht sich auf die Umweltgruppe. Im Rückblick ist sie eine Erfolgsgeschichte – derzeit die größte Fraktion im Gemeinderat. Haben sie eine Erklärung für diesen Erfolg?
Ich halte zwei Dinge für entscheidend. Zum einen gewinnt das Thema Umwelt immer mehr an Bedeutung – gerade im Hinblick auf die Klimakrise. Und zum andern liegt der unaufhaltsame Erfolg der Umweltgruppe an den Personen.

An den Personen?
Ja, an den Menschen, die sich da engagieren. Allesamt sind sie sehr charaktervolle Persönlichkeiten. Schauen sie auf Frieder Beran, schauen sie auf Hansjörg Renner, beide sind leider schon tot. Es wären aber noch weitere Namen zu nennen. Bei allen Erfolgen der Umweltgruppe aber stimmt trotzdem, was Joachim Mutschler, ihr Fraktionsvorsitzender, im Gemeinderat sagt, sinngemäß: In Sachen Klimapolitik sind wir die größte Oppositionsgruppe. Da sind sich die anderen immer einig. Nehmen wir den Klimaschutz. Erklärtes Ziel ist zwar, dass Markdorf bis 2035 klimaneutral werden will. Doch das reicht nicht. Andere sind uns da voraus. Zum Beispiel Konstanz. Dort wurde erkannt, wie dringend weitergehende Maßnahmen sind, wenn wir das Ziel erreichen wollen, die Erderwärmung um zwei Grad nicht zu überschreiten. Und nicht nur in Konstanz wird erkannt, dass es nicht reicht, wenn die Verwaltung etwas tut – man muss die Bevölkerung mitnehmen, aber auch den Handel und das Gewerbe.
Und wie wollen Sie die Menschen überzeugen?
Es ist wie überall. Wir alle sind bequem. Wir alle scheuen Veränderungen. Da helfen nur Visionen.
Visionen?
Ja, Visionen! Man muss den Menschen klar machen, wie schön es sein könnte, wenn Luft rein, die Umwelt sauber, die Natur intakt ist. Dann gehen sie mit. Wirtschaftliche Argumente ziehen natürlich auch. Das erleben wir bei unseren Beratungen vom Markdorfer Sonnenkraft-Netzwerk. Visionen braucht‘s trotzdem. An solchen positiven Entwürfen fehlt es aber derzeit bei uns in Markdorf. Gucken Sie sich die Diskussionen um den Verkehr an. Dass alles auch ganz anders funktionieren könnte, das wird überhaupt nicht in Erwägung gezogen.