Roland Neubert von den Markdorfer Rotariern fährt seinen Citroen Berlingo rückwärts vors Hallentor. Die geöffneten Flügeltüren des schwarzen Kombis geben den Blick frei auf eine Ladefläche, auf der sich Kartons mit medizinischen Hilfsgütern stapeln. „Verbandsmaterial, aber auch Blutdruckmessgeräte und viel medizinisches Kleinmaterial“, erklärt Neubert, bevor er sich die ersten Kartons schnappt und sie in die Halle trägt. Für die ersten 2000 Euro, die Rainer Zanker und seine Lebensgefährtin Mariya Babina für ihre Ukraine-Hilfsaktion gespendet bekommen haben, haben die Rotarier in der Panda-Apotheke die Medizinprodukte bestellt. Apotheker Matthias Maunz hat sie für die Hilfsaktion zu seinem Einkaufspreis abgegeben.

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Es wuselt am Samstagmorgen um kurz nach neun

Am Samstagmorgen kurz nach neun herrscht reger Betrieb an der Lagerhalle neben dem Weber-Firmenparkplatz. Helfer wuseln in und aus der Halle, packen Jacken und warme Winterkleidung in die eigens dafür beschrifteten Kartons, Windeln und Hygieneartikel oder Lebensmittel in die entsprechenden anderen. Säuberlich aufgereiht an den Hallenwänden stehen die Kartons auf Paletten. 1000 Kartons hat die Firma Alpla gespendet, weitere 8000 versprochen. In den Kartons finden sich auch Tütensuppen und Dosen mit Eintöpfen, Instantkaffee, Nudeln, Gebäck. Alles, was zurzeit in der Ukraine dringend gebraucht wird. Die Hilfsbereitschaft in Markdorf ist immens.

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Draußen vor der Halle steht Organisator Rainer Zanker in der klirrenden Kälte. Er ist müde von mehreren Nachtfahrten nach München, wo er und seine Partnerin am Hauptbahnhof geflüchtete Ukrainer aufgenommen und nach Markdorf gebracht haben. Aber er ist auch glücklich. „Die Hilfe ist der Wahnsinn“, sagt er.

In der alten Lagerhalle der Firma Weber sortieren die Helfer am Samstagmorgen die Hilfsgüter in die bereitgestellten Kartons. 1000 ...
In der alten Lagerhalle der Firma Weber sortieren die Helfer am Samstagmorgen die Hilfsgüter in die bereitgestellten Kartons. 1000 Kartons hat die Firma Alpla gespendet, die Firma Sulger hat 300 Bananenkartons gestiftet. | Bild: Grupp, Helmar

Rund 5000 Euro an Geldspenden finden sich bereits jetzt schon, am dritten Tag, auf dem Spendenkonto, das das gemeinnützige Familienforum des Mehrgenerationenhauses für die Aktion eingerichtet hat. Von den Geldspenden werden die medizinischen Güter bezahlt. Deswegen gibt Zanker auch gleich die nächste Fuhre in Auftrag. „Bestell‘ bei Matthias nochmal das selbe, diesmal für 4000 Euro“, sagt er zu Neubert. Der lacht. „Wird gemacht“, sagt er. Ob es bis Dienstag mit der Lieferung klappt, fragt Zanker. Neubert zuckt mit den Schultern. „Hoffen wir‘s, wir tun unser Möglichstes.“

Am Dienstag soll der erste Lkw nach Kiew starten

Dienstag, spätestens Mittwoch soll der erste große Transport in die Ukraine gehen. Babina hat dafür eine Spedition aus Kiew kontaktiert, die noch einen Zehn-Tonner-Lkw in Spanien hat, der sich von dort leer auf die Rückreise machen wird. Der soll dann in Markdorf Station machen, die Hilfsgüter aufladen und direkt nach Kiew bringen. Weitere Lkw der Kiewer Spedition seien bereits gebucht, sagt Zanker. Die nun eingerichteten humanitären Korridore dürften die Transportfahrten möglich machen, ist er überzeugt.

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Wenn die weitere Medizin bis Dienstag da wäre, könnte auf einen Schlag Klinikbedarf im Wert von 6000 Euro in die umkämpfte Hauptstadt gelangen. Dort werden die Mittel immer dringender gebraucht. Denn die Zahl der Verletzten in der Zivilbevölkerung steigt mit der Ausweitung der Angriffe des russischen Militärs auf die Wohngebiete in den Städten dramatisch an.

Drei Kliniken warten auf die Medizingüter aus Markdorf

Auch die Kliniken dort sind bereits organisiert, drei Krankenhäuser warten auf die medizinischen Hilfsgüter. Alles ist generalstabsmäßig durchgeplant. Die Helfer werden in Schichten eingeteilt. Listen liegen aus, in die man sich eintragen kann. Für die Wochentagsschichten ab Montag täglich von 16 bis 18 Uhr fehlen noch Freiwillige. Zehn bis 15 Helfer pro Schicht seien sein Ziel, sagt Zanker. Weitere Helfer seien also willkommen.

Tobias Schmidschneider (rechts mit Tochter Lotta) und seine Frau Frauke haben spontan Oleg (Zweiter von links) und dessen Frau Natalia ...
Tobias Schmidschneider (rechts mit Tochter Lotta) und seine Frau Frauke haben spontan Oleg (Zweiter von links) und dessen Frau Natalia bei sich aufgenommen. Rainer Zanker (links) freut sich über die enorme Hilfsbereitschaft der Markdorfer. | Bild: Grupp, Helmar

Mit dabei an diesem sonnigen, aber kalten Samstagmorgen ist Oleg. Er und seine Frau Natalia waren die ersten, die bei Zankers untergekommen waren. Inzwischen haben sie eine neue vorübergehende Heimat bei den Schmidschneiders bekommen. „Wir hatten noch ein Zimmer frei, für uns war es selbstverständlich, zu helfen“, sagt Frauke Schmidschneider. „Außerdem kennen wir Rainer ja schon lange, er war unser Nachbar“, ergänzt Tobias Schmidschneider, das Töchterchen Lotta an der Hand.

Verständigt wird sich per Übersetzungs-App

Oleg steht daneben und lacht schüchtern. Er und seine Frau sprechen weder Deutsch noch Englisch, die Schmidschneiders kein Ukrainisch. Sie verständigen sich mit einer Übersetzungs-App. Was Schmidschneider auf Deutsch ins Smartphone eintippt, kann Oleg auf Ukrainisch lesen. Andersherum ebenso. Das muss reichen zur Konversation. „Wir kommen gut miteinander klar“, lacht Schmidschneider. Freundschaft kennt in diesem Fall keine Sprach- oder Landesgrenzen.

Bäckermeister André Kloos versorgt die Helfer am Samstagmorgen mit frischen Seelen und Brezeln. Auch Kaffee wurde gespendet und an die ...
Bäckermeister André Kloos versorgt die Helfer am Samstagmorgen mit frischen Seelen und Brezeln. Auch Kaffee wurde gespendet und an die Helfer ausgegeben. Bei klirrender Kälte war jeder froh um einen Becher dampfenden Kaffee. | Bild: Grupp, Helmar
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Drinnen steht Bäckermeister André Kloos vor einem großen Tablett mit Seelen und Brezeln. Die sind für die Helfer, ebenso wie die Thermoskannen mit dampfendem Kaffee. „Klar, dass wir helfen“, sagt auch Kloos, der mit seinem Bruder Fabian die gleichnamige Bäckerei führt. „Was man tun kann, muss man tun“, betont er. In den Markdorfer Filialen seiner Bäckerei bekommen die geflüchteten Ukrainer kostenlos Backwaren und Frühstück.

Vor und in der Halle neben dem Parkplatz des Weber-Firmengeländes herrschte am Samstagmorgen reger Betrieb. Zeitweilig hatten sich bis ...
Vor und in der Halle neben dem Parkplatz des Weber-Firmengeländes herrschte am Samstagmorgen reger Betrieb. Zeitweilig hatten sich bis zu 50 freiwillige Helfer eingefunden, um für Zankers Aktion die Hilfsgüter zu sortieren und einzupacken. | Bild: Grupp, Helmar

Derweil fahren vor der Halle Autos wieder ab, während die nächsten schon ankommen. Kofferraum oder Heckklappe auf und das Ausladen geht weiter. Schreinermeister Martin Looser steigt aus, erkundigt sich bei Zanker, ob er noch weitere Paletten brauchen kann und fährt wieder davon. „Bis später“, winkt er beim Einsteigen. Halb Markdorf, so scheint es an diesem Samstagmorgen, ist auf den Beinen und hilft. Kalt ist nur die Luft draußen, die spontane und beispiellose Hilfe wärmt alle Beteiligten.

Von der Spende bis zur Unterkunft: Anlaufstellen für Ukrainehilfen im Bodenseekreis sammeln wir hier.