Herr Knoll, Sie gehören zu den rüstigen Senioren voller Ideen und Tatendrang. War das der Auslöser für die Gründung des Oberteuringer Reparaturcafés?
Ich hatte ein sehr forderndes Berufsleben und daher habe mir mit meinem Eintritt ins Rentenalter überlegt, was ich weiterhin tun könnte. Aber eigentlich bin ich überhaupt kein Vereinsmensch. Im Rahmen des Seminars „Bürger in der Gemeinde“ der Stiftung Liebenau wurde das Freiburger Reparaturcafé vorgestellt und ich dachte, dass das etwas für mich sein könnte. Im April 2015 habe ich zusammen mit meinen Mitstreitern begonnen und wir gründeten eines der ersten Reparaturcafés in der Region.
Wie hat sich das Reparaturcafé in diesen fünf Jahren entwickelt?
Wir waren zehn oder zwölf technisch nicht unbegabte Männer und jeder brachte zu den Treffen im Reparaturcafé sein eigenes Werkzeug mit. Dazu eine gute Portion Ehrgeiz, die Dinge zu reparieren und wieder funktionsfähig zu machen. Dabei sind wir keinesfalls eine Konkurrenz zum örtlichen Handwerk. Die Arbeitszeit ist ja in der Regel deutlich teurer als zum Beispiel ein neuer Toaster, Föhn oder ein anderes Elektrogerät. In der Anfangszeit fand das Reparaturcafé in den „Lebensräumen“ im Kulturhaus Mühle statt, danach in den ehemaligen Räumen von Elektro Thoma und seit einem guten Jahr treffen wir uns an jedem letzten Dienstagnachmittag im Monat im Haus am Teuringer. Aktuell muss das Reparaturcafé wegen der Corona-Pandemie leider ausfallen, da wir kein Risiko eingehen wollen. Wir sind selbst nicht mehr die jüngsten und viele unserer Besucher gehören ebenfalls zur sogenannten Risikogruppe. Andererseits fragen bereits einige Interessierte nach, ob wir nicht endlich wieder öffnen können. Nach den Sommerferien wollen wir die Situation wieder anschauen und eine Entscheidung treffen.
Welche Dinge reparieren Sie im Reparaturcafé?
Häufig handelt es sich um Elektrokleingeräte. Wir hatten aber auch schon mal einen Wäschetrockner. Vom Spielzeug bis zum Fahrrad ist alles dabei. Voraussetzung ist, dass die Dinge selbst zu uns ins Reparaturcafé gebracht werden. Pro Nachmittag kommen zwischen zehn und 15 Leute und sie bringen in der Regel Dinge mit, an denen ihr Herz seit Jahren hängt. Sie wollen wissen, ob sie tatsächlich kaputt sind oder ob sich noch etwas machen lässt. Unsere Reparatur ist grundsätzlich kostenfrei, aber wir haben ein Spendenkässchen, in das jeder hineingeben kann was er möchte und was es ihm wert ist. Bei uns gibt es außerdem an den Nachmittagen immer Kaffee und Kuchen. Das gemütliche Beisammensein gefällt unseren Besuchern und auch wir schätzen die Kontakte.
Was gibt Ihnen das ehrenamtliche Engagement ganz persönlich?
Die erste Bedingung ist, dass es mir selbst Spaß macht. Und es bereitet mir nach wie vor großen Spaß. Über das Ehrenamt im Reparaturcafé kann ich meine Lebenserfahrung weitergeben und mein Know-how anderen Menschen zur Verfügung stellen. Für mich ist es jedes Mal ein Erfolgserlebnis, wenn ein Gerät wieder funktioniert. Auch unserer Wegwerfgesellschaft kann ich auf diese Weise etwas entgegenwirken. Die investierte Zeit spielt dabei für mich überhaupt keine Rolle. Ein schöneres Lob, als die Freude der Menschen, wenn ihr Gerät wieder in Ordnung ist, gibt es für mich nicht. Im Gegensatz zum Berufsleben, in dem ich mehr als 100 Prozent geben musste, bin ich jetzt nicht mehr im Hamsterrad, sondern kann frei über meine Zeit entscheiden und mich selbst entwickeln.
Wie ist das Verhältnis der Reparateure untereinander?
Wir haben eine nette Gemeinschaft. Wir tauschen uns aus, wenn einer nicht mehr weiter weiß und geben uns auf unkomplizierte Weise und ohne Konkurrenz-Denken gegenseitig Ratschläge.
Sie hatten also einen relativ weichen Übergang vom Berufsleben ins Rentenalter?
Ich hatte das Glück, bereits mit 58 Jahren in Rente gehen zu können und habe mir schon während der Arbeit Gedanken gemacht, wie sich die Zeit sinnvoll nutzen lässt. Angefangen habe ich mit PC-Kursen für Senioren, was mir ebenfalls großen Spaß gemacht hat. Zu Hause habe ich eine Fräsmaschine zur CNC-Maschine weiterentwickelt und die Software dazu programmiert. Damit kann ich ein Bauteil am PC konstruieren und es wird dann entsprechend gefräst. Auch für meine Fotovoltaikanlage habe ich ein Programm für Langzeitauswertungen geschrieben. Mit solchen Dingen kann ich mich in Raum und Zeit verlieren. Auch das Klavierspiel, das ich erst mit 40 Jahren begonnen habe, macht mir bis heute sehr viel Spaß. Für mich ist es nach wie vor ein großer Luxus, Zeit zu haben. Das gibt mir ein hohes Maß an Lebensqualität.
Sie waren im Oberteuringer Helferkreis Flucht und Asyl aktiv. Wie kamen Sie dazu?
Was ich überhaupt nicht leiden kann, sind Parolen. Wenn jemand „die da“ sagt, stellen sich bei mir die Nackenhaare auf. Meiner Meinung nach muss man immer den einzelnen Menschen sehen und darf nicht verallgemeinern. Zusammen mit meiner Frau habe ich Patenschaften für Geflüchtete übernommen. Wir waren zwei bis drei Jahre lang aktiv dabei und haben gute Erfahrungen gemacht. Was mich jedoch gestört hat, waren die von behördlicher Seite vorgegebenen Organisationsstrukturen, die die Arbeit mit den geflüchteten Menschen oft sehr mühsam machten.
Seit 2018 gibt es in der Gemeinde Oberteuringen die Initiative „Demokratie stärken“. Auch hier sind sie aktiv dabei.
Da ist meine Motivation ganz ähnlich wie bei meinem Engagement im Helferkreis Flucht und Asyl. Ich möchte den hohlen Sprüchen und Allgemeinplätzen etwas entgegensetzen. Wenn mir etwas nicht passt, dann muss ich schauen, dass ich selbst etwas verändere und die Dinge bewege, die mir wichtig sind. Ich sehe unsere Demokratie als verletzliche Pflanze, die es zu pflegen gilt. Ziel der Initiative „Demokratie stärken“ ist, dass sich die Bürger mit ihren Vorstellungen und Ideen mit xyeinbringen. So lassen sich Themen entwickeln und forcieren, damit sich etwas verändert. Das ist für mich gelebte Demokratie.
Was hat die Initiative „Demokratie stärken“ in Oberteuringen bisher auf den Weg gebracht?
Vor der Gemeinderatswahl im vergangenen Jahr haben wir ein Forum entwickelt, in dem sich jeder Kandidat unabhängig von seiner Partei in neutraler Form vorstellen konnte. Jetzt sind wir dabei, Themen zu sammeln, die den Bürgern wichtig sind. Sie reichen von abgesenkten Gehsteigen und Bushäuschen bis zum großen Feld Kindergarten und Schule. Wichtig ist uns, eine Anlaufstelle für die Bürger mit ihren ganz unterschiedlichen Anliegen zu sein. Auch hier ist es so, dass wir uns seit dem Corona-Lockdown nicht mehr getroffen haben.
Wie haben Sie den Lockdown erlebt? Was vermissen Sie?
Aktuell habe ich meine Aktivitäten mehr ins Privatleben verlagert. Langeweile kam glücklicherweise nicht auf, da ich immer Ideen habe, die ich auch zu Hause umsetzen kann. Das Reparaturcafé vermisse ich allerdings sehr. Meine Kollegen und ich lassen es jetzt einfach auf uns zukommen und sind eher vorsichtig. Im Falle einer Infektion würden wir uns große Vorwürfe machen.
Fragen: Claudia Wörner