Paula März aus Sipplingen scheint ein Opfer des öffentlichen Nahverkehrs zu sein. Wer die Geschichte der 83-Jährigen hört, wird erst einmal den Kopf schütteln. Sie ist durch einen Fahrradunfall, offenbar ausgelöst durch einen überholenden Bus, stark gehbehindert. Durch einen zweiten Vorfall in einem Bus ist sie zusätzlich stark traumatisiert. Zu unglaublich hört sich diese Geschichte an. Durch einen im SÜDKURIER im September erschienenen Artikel, über die Angst des am Überlinger Schättlisberg lebenden Herbert Aldinger vor einer Busfahrt mit seinem Rollator, motiviert, schildert Paula März ihren Fall.
Am 24. Juni 1999 fuhr die damals rüstige Sipplinger Geschäftsfrau mit dem Fahrrad von Sipplingen nach Überlingen. Auf der B 31-alt, kurz vor dem Bahnübergang-West, wechselte sie vom Fahrradweg auf die Straße, da der Radweg dort endete. Sie musste dazu vom hohen Bordstein herunter. Ein überholender Bus, ebenfalls aus Richtung Sipplingen kommend, streifte sie ihren Angaben zufolge mit dem hinteren Teil seines Fahrzeugs. Paula März stürzte auf die Fahrbahn und zog sich durch den Sturz Knie- und Kopfverletzungen zu.
War der Busfahrer alkoholisiert?
Während sie von Rettungssanitätern versorgt wurde, beobachtete sie noch auf der Straße liegend, wie der Bus durch einen Satz auf den herbeigerufenen Polizeiwagen, der vor ihm parkte, auffuhr. Die Verletzte schnappte, so ihre Erinnerung, eine Bemerkung auf, dass der Busfahrer offenbar alkoholisiert sei.
Mehrere Tage im Krankenhaus
In Folge dieses Verkehrsunfalls lag Paula März mehrere Tage lang im Krankenhaus und verfolgte den Busfahrer nicht strafrechtlich. Ob die Staatsanwaltschaft Konstanz damals ermittelte, lässt sich heute nicht mehr nachprüfen. Unfallakten, bei denen Verkehrsstraftaten zugrunde liegen, werden im Regelfall nach 60 Monaten ausgesondert, sagt Oliver Weißflog, Sprecher des Polizeipräsidiums in Konstanz dazu. Seitens des Busbetreibers erhielt Paula März keinerlei Resonanz auf diesen Vorfall, wie sie erklärt.
Am 24. November 2016 befand sich die durch den Unfall im Jahre 1999 stark gehbehinderte Frau mit ihrem Rollator auf einer Busfahrt von Sipplingen nach Überlingen. Da der RAB-Bus in Überlingen am Landungsplatz nicht wie vorgesehen halten konnte – parkende Autos in der Busspur verhinderten dies – konnte Paula März an der hinteren Bustüre nur rückwärts aussteigen, weil der vordere Ausstieg für den Rollator zu hoch war. „Ich rief dem Fahrer noch zu, warten Sie, ich bin noch nicht draußen, ich muss rückwärts raus. Mein Rufen war umsonst, der Fahrer machte die Türe zu und klemmte mich voll ein. Ich schrie aus Leibeskräften“, berichtet sie.
Zwei Männer helfen ihr beherzt
Nur dem beherzten Zugriff zweier Männer sei es zu verdanken, dass sie nicht vom anfahrenden Bus mitgeschleift worden sei, erklärt Paula März. „Ich war zwischen den Türen eingeklemmt, der Rollator war im Bus, ich draußen und die Arme steckten zwischen den Türen. Die Männer haben mich wieder in den Bus geworfen, da lag ich dann auf dem Boden.“ Die einzige Reaktion des Busfahrers sei gewesen: „Ist ja nichts passiert“, erzählt Paula März und ist immer noch geschockt.
Seit dieser Zeit sei sie nicht mehr mit dem Bus gefahren – zu groß sei ihre Angst. Ihr Erlebnis schrieb sie auf und schickte das mit dem Computer beschriebene Blatt mit allen Daten und Fakten an den Verkehrsverbund Bodo in Ravensburg. Außer einer kurzen Antwort vom Kundenservice-Vertrieb, „bitte entschuldigen Sie die von Ihnen geschilderte Situation, ich leite dieses Schreiben an das betreffende Busunternehmen die DB Zug/Bus RAB in Friedrichshafen zur weiteren Bearbeitung weiter“, ist keine weitere Reaktion seitens der Verkehrsbetriebe erfolgt.
Senioren im öffentlichen Nahverkehr
„Da sieht man doch, wir älteren Leute sind abgeschrieben und gelten nichts mehr. Jeder kommt aber ins Alter und wir haben uns ja unsere Gebrechen nicht ausgesucht“, so Paula März frustriert. Vorschläge, wie es denn besser klappen könnte beim Thema „Senioren und öffentlicher Nahverkehr„, hat die Frau, die in Sipplingen 40 Jahre lang ein Haushaltswarengeschäft betrieb, parat: „Ich höre ja auch viel von anderen älteren Menschen, und die haben oft ebenfalls Probleme, mit dem Bus nach Überlingen zu kommen.“ Ein kleinerer Bus mit einem Busfahrer der beeinträchtigten Menschen beim Ein- und Aussteigen helfen würde, wäre eine große Erleichterung, meint Paula März.
Die Aussagen des DB-Pressesprechers, die Fahrer seien alle dahingehend geschult, Senioren im Bedarfsfall Hilfestellung zu leisten (SÜDKURIER 26.9.2019), bezweifelt sie stark. „Die haben doch oft gar keine Zeit dazu und müssen ihren Takt einhalten.“ Gerade ältere Mitbürger müssten auch flexibel sein, zumal es in Orten wie Sipplingen auch keine Volksbank oder Sparkasse mehr gäbe, und viele Ärzte in Überlingen seien. Außerdem hätten die Senioren auch eine Kaufkraft, und viele ihrer Bekannten freuten sich jetzt schon auf die Landesgartenschau. „Da komm ich so nicht hin und bin mal gespannt, was die sich für uns alte Leutchen überlegen“, so Paula März.
Anfragen bleiben unbeantwortet
Eine erneute Anfrage des SÜDKURIER an die zuständige Mitarbeiterin von Bodo (Verkehrsverbund Bodensee-Oberschwaben) und an die Pressestelle der Deutschen Bahn, die der SÜDKURIER bereits im Oktober mit detaillierter Schilderung des Sachverhalts stellte, blieben bisher unbeantwortet.