Es war definitiv keine alltägliche Verhandlung am Donnerstag im Amtsgericht Überlingen: Die Angeklagte, eine 64-jährige Frau, brüllte lautstark durch den Gerichtssaal, beleidigte geladene Zeugen, die Staatsanwältin – und auch den Richter.
In der Anklage der Staatsanwaltschaft hieß es, die Frau habe am 5. August zunächst einige Produkte – Süßigkeiten und Cremes – im Drogeriemarkt Müller am La Piazza gestohlen. Anschließend habe sie sich zu Fuß auf den Weg zum Drogeriemarkt dm gemacht und dort ebenfalls Lebensmittel und mehr mitgenommen, ohne dafür zu bezahlen.

Mithilfe von Zeugen konnte die Polizei die 64-Jährige schließlich an einer Tankstelle nahe des dm-Marktes antreffen. Weil die Frau bei den Beamten bekannt war, beschlagnahmten sie ihre Taschen mit dem vermuteten Diebesgut und fuhren mit ihr zum Revier. Auf dem Weg habe die Angeklagte eine Polizistin im Auto beleidigt. Es seien derbe Schimpfworte gefallen.
Angeklagte schon 14 Mal vor Gericht
Die 64-Jährige selbst, die bereits 14 Mal wegen Beleidigungen, Diebstählen und Körperverletzungen vor Gericht stand, wollte zum Tatvorgang nichts sagen. Doch sie machte im Saal anderweitig auf sich aufmerksam, indem sie einen Zeugen lautstark anschrie. Der Betroffene, ein 48-jähriger Mann, hatte die Frau im Müller-Markt gesehen, als sie ohne zu zahlen nach draußen stürmte. Die Sicherheitsschranke habe gepiepst, erzählte der Mann.

„Als ich nach meinem Besuch im Müller mit dem Auto in die Stadt gefahren bin, sah ich die Frau erneut, diesmal bei dm“, berichtet er. Kurzerhand rief der Mann die Polizei und teilte den Beamten mit, wo sich die mutmaßliche Diebin aufhält. Nach seiner Zeugenaussage musste der 48-Jährige einige Beschimpfungen aushalten.
Die Angeklagte brüllte in seine Richtung: „Warum verfolgen Sie mich? Wenn ich Sie noch einmal sehe, zeige ich Sie an wegen sexueller Belästigung!“ Unruhe im Saal. Der Versuch von Richter Alexander von Kennel, die Verhandlung fortzuführen, scheiterte. „Ich denke es ist besser, wenn wir an dieser Stelle kurz unterbrechen und eine Pause machen“, so der Vorschlag des Richters.
Nach der kurzen Verschnaufpause waren weitere Zeugen an der Reihe, die bestätigten, dass die 64-jährige Frau die Drogerien Müller und dm betrat und kurze Zeit später ohne zu zahlen rasch verließ. In beiden Läden habe der Sicherheitsmelder gepiepst.
Angeklagte beleidigt Polizistin
Unter den Zeugen waren auch die beiden Polizisten, die die 64-Jährige schließlich mit zum Revier nahmen. Eine der Beamtinnen erzählte mit betroffener Stimme, wie sie von der Frau beleidigt wurde: „Sie hat mich derb beleidigt und gesagt, ich sei zu dick für den Streifendienst. Zwischendurch lachte sie ständig, machte sich lustig über uns und meinte, dass sie ohnehin davonkommt.“
Für Richter von Kennel war es sichtlich schwer, der Aussage der Polizistin zu folgen. Immer wieder unterbrach die Angeklagte die Zeugin. Dabei schrie sie wirres Zeug durch den Gerichtssaal. „Ich bin nicht ausländerfeindlich“, war einer der Sätze, den sie oft wiederholte. Oder: „Ihr verbrennt schwarze Leute in der Zelle und bekommt keinen Ärger! Ich habe noch nie einen Schwarzen verbrannt!“
Wegen des Verhaltens der Angeklagten plädierte ihr Verteidiger zum Ende der Beweisaufnahme dafür, in diesem Fall Paragraf 21 des Strafgesetzbuches anzuwenden – „Verminderte Schuldfähigkeit“. Trotzdem forderte die Staatsanwaltschaft in ihrem Strafantrag eine Freiheitsstrafe von drei Monaten. Die Strafe könne drei Jahre auf Bewährung angeordnet werden, wenn die Angeklagte zusätzlich 60 Stunden gemeinnützige Arbeit leiste.
Das Urteil lautet drei Monate Freiheitsstrafe
Doch Richter Alexander von Kennel nahm den Bewährungsvorschlag der Staatsanwaltschaft nicht an. „Die Angeklagte ist des Diebstahls in zwei Fällen und der Beleidigung schuldig. Sie wird zu drei Monaten Freiheitsstrafe verurteilt und trägt die Kosten des Verfahrens“, sagte er.
Das Geschrei der 64-Jährigen war auch während der Urteilsverkündung groß, sodass alle im Saal sichtlich erleichtert schienen, als die Verhandlung beendet war. So schrie die Angeklagte den Richter an und bezeichnete ihn als „Putin von Deutschland“. Alexander von Kennel merkte abschließend an: „Das wird sicher nicht das letzte Mal gewesen sein, dass wir die Frau gesehen haben. Sie wird bestimmt Einspruch einlegen.“