Als „stabilisierenden Faktor für den Wohnungsmarkt“ konnte Baubürgermeister Thomas Kölschbach die Baugenossenschaft Überlingen (BGÜ) bei ihrer Mitgliederversammlung mit Fug und Recht bezeichnen. Mit der bevorstehenden Fertigstellung des dritten und letzten Bauabschnitts im Stadtquartier 2050 kommt die BGÜ auf nahezu 700 Mietwohnungen in der Stadt. Allein 181 werden es demnächst in dem als klimaneutral geplanten Viertel dieses Vorzeigeprojekts sein. Die BGÜ wolle weiterhin ambitioniert bleiben und investieren, wenn dies „die Verlässlichkeit der Rahmenbedingungen“ zulasse, betonten der hauptamtliche Geschäftsführer Dieter Ressel und Aufsichtsratschef Wolfgang Wiest.

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Teils visionäre Konzepte

Als aktuelle Hindernisse nannte Ressel insbesondere die hohen Grundstückspreise, steigende Baukosten und Zinsen sowie Engpässe bei Baufirmen und Handwerkern. Im Hinterkopf haben die Verantwortlichen der BGÜ allerdings schon mehrere Projekte. Erste Entwürfe beim Bauamt eingereicht hat die BGÜ schon für die Aufstockung mehrerer Gebäude am Hildegardring und kleinen Neubauten in den Lücken als Ausdruck der viel beschworenen „Nachverdichtung“ (Ressel). Für die teilweise visionären Konzepte laufen im Moment allerdings noch wichtige Voruntersuchungen. In der Warteschleife bleibt aus den oben genannten Gründen derzeit noch ein Vorhaben im Owinger Teilort Billafingen, wo die BGÜ im Gebiet Hasenbühl zumindest schon die ersten Weichen gestellt hat.

Dividende bei 4 Prozent

Mit dem Bestand an Wohnungen wächst zwangsläufig auch die Anzahl der Mitglieder. Ende 2021 waren es schon 1418 Genossinnen und Genossen. Denn wer eine Mietwohnung in Anspruch nehmen will, muss Anteile erwerben, deren überschaubare Höhe mit der jeweiligen Wohnungsgröße korreliert. Das ist kein Verlustgeschäft, denn die Dividende der BGÜ in Höhe von derzeit 4 Prozent ist sicher. So sicher, dass mancher in den vergangenen Jahren gerne mehr Anteile gezeichnet hätte, auch ohne eine Mietwohnung zu benötigen beziehungsweise zu nutzen. Doch das ist nicht zulässig.

Im Jahresabschluss konnte Andreas Huther, der nebenamtliche Geschäftsführer, einen Überschuss von 934 000 Euro ausweisen, wovon die BGÜ 664 000 Euro den Rücklagen zuführte. Huther: „Die Finanzen der BGÜ sind in einer robusten und soliden Verfassung.“ Das habe die Prüfung bestätigt. Der Bilanzgewinn von 270 000 Euro ermöglichte problemlos die Auszahlung der Dividende an die Mitglieder in Höhe von insgesamt rund 197 000 Euro. Der Rest wird der Bau- und Erneuerungsrücklage zugeführt.

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Merklich gewachsen ist vergangenes Jahr ein zweites Geschäftsfeld der BGÜ: die Verwaltung fremder Immobilien. „Hier können wir die Ressourcen zu Verwaltung unserer eigenen Anlagen sehr gut nutzen“, erklärte Ressel, „und viele Synergien generieren.“ Derzeit sind es 25 Gebäude mit insgesamt 517 Wohneinheiten – die meisten in Friedrichshafen, wo die Mitarbeiter zusätzlich nach dem Rechten sehen.

Die durchschnittliche Miete der im Jahr 2021 noch 603 Wohnungen in sieben Quartieren belief sich auf 7,80 Euro pro Quadratmeter. Bei einem Vergleich von Qualität und Lage wundert es kaum, dass dieser Mittelwert von einer großen Spanne flankiert wird. So lag die billigste Wohnung bei 4,11 Euro, die teuerste bei 12,70 Euro pro Quadratmeter Kaltmiete. Von Glück reden können die neuesten Mieter, die mit Nahwärme aus dem Heizwerk versorgt werden. Für viele ältere Wohnungen drohe auch bei der BGÜ eine hohe Gasrechnung, wie Ressel schon mal vorwarnte. Wenn bislang für eine Wohnung durchschnittlicher Größe eine Abschlagszahlung für die Heizkosten von 64 Euro pro Monat angesetzt worden sei, so erklärte Ressel, so müsse man diese ab Januar 2023 auf 144 Euro erhöhen und damit mehr als verdoppeln.

Von einem „Subtraktionsverfahren“ hatten die Mitglieder der BGÜ möglicherweise zuletzt bei der Lösung von Gleichungen im fortgeschrittenen Mathematik-Unterricht gehört. Aufsichtsratschef Wolfgang Wiest schlug die Methode bei der Versammlung nun als effiziente Methode zur Auszählung bei den Abstimmungen vor. In diesem Fall würden der Einfachheit halber nur die Gegenstimmen und die Enthaltungen abgefragt. Das erleichtere das Auszählen ungemein.

So war es tatsächlich nicht nur bei der Zustimmung zu den Berichten von Geschäftsführung und Aufsichtsrat, sondern auch bei der Wahl von zwei Aufsichtsratsmitgliedern. Heinrich Besserer musste wegen Erreichens der Altersgrenze ausscheiden. Aufsichtsratsvorsitzender Wiest bedauerte dies und dankte Besserer für dessen zwölfjähriges Engagement. Als Nachfolger von Besserer wurde Hubert Barton gewählt. Günter Hornstein konnte von der Versammlung für eine weitere Periode gewählt werden.

Rund 500 Bewerbungen für 51 Mietwohnungen

  • Bei der Baugenossenschaft ist es in Sachen Wohnungssuche nicht viel anders als auf dem allgemeinen Wohnungsmarkt. Wer Erfolg haben will, muss ständig am Ball bleiben. Dies erläuterte Geschäftsführer Dieter Ressel auf die kritische Nachfrage eines langjähriges Mitglieds, das bislang trotz längerer Wartezeit nach eigenem Bekunden leer ausgegangen war. „Wir führen keine Warteliste“, betonte der Geschäftsführer: „Sie müssen regelmäßig auf unserer Homepage schauen, ob eine Wohnung frei ist. Dann können Sie sich bewerben.“
  • Die BGÜ hat keinen konkret formulierten Sozialkatalog, prüft aber bei mehreren Bewerbungen um die gleiche Wohnung die Umstände. „Wir schauen uns die Unterlagen genau an“, sagt Dieter Ressel: „Wir haben viele junge Familien mit Kindern.“ Auch die Bedürftigkeit spiele eine Rolle. „Haben sie eine Wohnung oder haben sie keine“, könne ein entscheidendes Kriterium sein. Wenn jemand aus einem bestehenden Mietverhältnis wechseln wolle, sei dies eine andere Situation, wie wenn anderen aus Eigenbedarf gekündigt worden sei.
  • Die Nachfrage nach Mietwohnungen scheint ungebrochen und 500 Bewerbungen seien allein für die letzten 51 Wohnungen des dritten Bauabschnitts an der Anna-Zentgraf-Straße eingegangen, sagt Ressel.