Danielle Dahan

Am 5. Dezember ist Internationaler Tag des Ehrenamts. Auch bundesweit werden dann Menschen für ihr ehrenamtliches Engagement geehrt. Auf der Internetseite des Bundesministeriums des Innern ist zu lesen, dass sich 31 Millionen Einwohner in Deutschland ehrenamtlich engagieren. Bei den Frauen sind es 39,7 Prozent, bei den Männern 40,2 Prozent, wobei die ländliche Bevölkerung mit 41,6 Prozent stärker als die städtische mit 38,8 Prozent vertreten ist.

Aus der Studie des Deutschen Freiwilligensurveys 2021 geht wiederum hervor, dass Baden-Württemberg mit 41,6 Prozent Ehrenamtlichen Spitzenreiter ist. Die Zahlen sprechen für sich: Das Ehrenamt in Deutschland ist ein fester Bestandteil der Gesellschaft sowie für Städte und Gemeinden von hoher Bedeutung. „Zahlreiche Bürgerinnen und Bürger erbringen essentielle Leistungen für das Gemeinwohl, die andernfalls die Stadt mit personellen und finanziellen Ressourcen bereitstellen müsste“, erklärt die Pressestelle der Stadt Überlingen.

Von Selbstverständlichkeit bis Pflichtgefühl

Und die Motivation der Menschen, die sich engagieren? Bei Befragten aus Überlingen ist es der Wille, etwas Sinnvolles zu tun, wobei das längst nicht der einzige Grund ist. Für Benjamin Janisz, Badminton-Trainer des Turnvereins Überlingen, in dem 500 Kinder von 50 Ehrenamtlichen trainiert werden, ist seine ehrenamtliche Tätigkeit eine Selbstverständlichkeit. Darin sieht er nach eigenen Angaben seine Solidarität mit der Gesellschaft. Als weiteres Ziel hat er sich gesetzt: Mehr geflüchtete Menschen zu erreichen und sie durch den Sport in Überlingen zu integrieren, was bis jetzt allerdings noch nicht gelungen sei.

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Als Sportlehrerin gehört es für Felicitas Ruf, die seit 13 Jahren Kinderturnen anbietet, dazu, sich ehrenamtlich für die Jugend zu engagieren. Sie fühlt sich sogar verpflichtet. Denn als ausgebildete Sportlehrerin kann sie eine qualitative Arbeit bieten, die sonst nicht immer gewährleistet werden kann. Und dafür wird sie belohnt: Manche Kinder kommen seit acht Jahren regelmäßig in ihren Unterricht. Während des coronabedingten Lockdowns vergangenes Jahr konnte sie ihre Arbeit zur Freude Aller fortsetzen. Nach dem Motto „Was kann man im Wohnzimmer machen?“ wurden die Kinder online unterrichtet. Auch wenn sie lieber in den Präsenz-Unterricht zurückgingen, war der Sport über das Internet eine gute Alternative, um das Angebot fortführen zu können.

Sportlehrerin Felicitas Ruf (hinten, Zweite von links) mit einer ihrer Mädchengruppen, die sie beim Turnverein Überlingen trainiert.
Sportlehrerin Felicitas Ruf (hinten, Zweite von links) mit einer ihrer Mädchengruppen, die sie beim Turnverein Überlingen trainiert. | Bild: Danielle Dahan

Ehrenamtliche denken auch an ihre Zukunft

Der Geschäftsführer des Diakonischen Werks des Evangelischen Kirchenbezirks Überlingen-Stockach, Gerhard Hoffmann, weiß, dass die Ehrenamtlichen auch an ihre Zukunft denken, wenn ihnen später vielleicht so geholfen wird, wie sie selber helfen. Als ehrenamtlicher Fahrer des Pfullendorfer Bürgerbusses agiert er gegen das Aussterben der Innenstadt und macht etwas für die Menschen. Denn durch die zunehmende Schließung von Läden auf dem Land kommen insbesondere ältere Menschen schlecht an Einkaufsmöglichkeiten. Mit dem Bürgerbus fährt Hoffmann die Fahrgäste seit 30 Jahren einmal pro Woche Linienverkehr dorthin, wo sie einkaufen können.

Das Ehrenamt in Deutschland

Gerhard Hoffmann ist der Austausch mit den Menschen wichtig: „Es macht riesig Spaß, man kommt ins Gespräch. Die Menschen sprechen über ihre Sorgen, über ihr Leben.“ Ebenfalls die Dankbarkeit genießt er und ist froh, ein Vorbild zu sein. Denn dieses Vorbild soll Andere motivieren, sich auch ehrenamtlich zu engagieren.

Gerhard Hoffmann, Diakonisches Werk Überlingen-Stockach: „Es macht riesig Spaß, man kommt ins Gespräch. Die Menschen sprechen über ...
Gerhard Hoffmann, Diakonisches Werk Überlingen-Stockach: „Es macht riesig Spaß, man kommt ins Gespräch. Die Menschen sprechen über ihre Sorgen, über ihr Leben.“ | Bild: Archiv

Gerechtigkeit für Menschen in Not erzielen

Gabriele Löhr-Wingender gehört zu den 60 Ehrenamtlichen der Überlinger Tafel. Für sie, die dort seit zehn Jahren wöchentlich drei bis vier Stunden ehrenamtlich tätig ist, gehört das Ehrenamt zu ihrem Leben. In der Katholischen Kirche ist sie ebenso seit Jahrzehnten ehrenamtlich engagiert. Dazu kommt, dass sie es für gut befindet, Lebensmittel nicht wegzuwerfen und diese gerecht an Bedürftige zu verteilen. Ihre Kollegin Eva Poor erzählt, dass die ehrenamtliche Arbeit ihrem Wesen entspricht: „Ich kann nicht anders. Helfen ist mein Beruf. In Ungarn, wo ich herkomme, habe ich mit Schwerbehinderten gearbeitet. Dort ist es selbstverständlich, Menschen zu helfen.“ Bescheidene Menschen ermutigt sie, mehr Lebensmittel zu nehmen, wenn sie Anspruch darauf haben. Dagegen muss sie die Forschen etwas ausbremsen.

Gabriele Löhr-Wingender zeigt sich gerne an ihrem Arbeitsort als Ehrenamtliche in der Überlinger Tafel. Dort bereitet sie Artikel vor, ...
Gabriele Löhr-Wingender zeigt sich gerne an ihrem Arbeitsort als Ehrenamtliche in der Überlinger Tafel. Dort bereitet sie Artikel vor, die zu einem festen Preis an berechtigte Personen verkauft werden. | Bild: Danielle Dahan

In der Tafel genießen beide Frauen die Zusammenarbeit mit anderen Menschen. Manche sind lieber bei der Vorbereitung wie Gabriele Löhr-Wingender. Dagegen haben andere wie Eva Poor mehr Spaß beim Verkauf und wieder Andere sind lieber bei der Nachbereitung tätig. In der Tafel finden die Ehrenamtlichen zusammen. „Wir sind gleich. Wir wollen alle Menschen helfen“, sagt Eva Poor. Die klaren Arbeitszeiten, die Teamarbeit und das wohlwollende Arbeitsklima seien ein zusätzlicher Faktor für ihr Engagement, berichtet Sozialpädagogin Patricia Fleig, die für die Einkaufsberechtigung der Überlinger Tafel zuständig ist.

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Ehrenamt als Mosaik mit vielen Steinchen

Laut Rolf Lehmann vom Überlinger Unterstützerkreis für Flüchtlinge ist das Ehrenamt ein großes Mosaik. Er sei ein Steinchen davon, denn ohne den Einsatz von weiteren Ehrenamtlichen und deren Interaktion würde es nicht funktionieren. Lehmann erklärt: „Ich habe mich für Flüchtende entschieden, weil sie es besonders schwer haben. Ich helfe ihnen bei bürokratischen Angelegenheiten, aber ich bemuttere sie nicht. Ich sage auch meine Meinung, da wo ich es für richtig halte.“ Sein Ziel sei es, dass sie ihr eigenes Leben stemmen könnten. Als Beispiel nennt er einen syrischen, gehörlosen Friseur, der mittlerweile ein Geschäft in Überlingen eröffnet habe. Gerne würde er auch die geflüchteten Frauen mehr aus der Isolation holen. Er könnte sich vorstellen, dass sie von anderen Frauen unterrichtet werden.

Für Rolf Lehmann stellt das Ehrenamt insgesamt etwas Persönliches dar: Eine Tätigkeit gegen die Vereinsamung, die im Rentner-Dasein eine Gefahr sei und eine menschliche Bereicherung. Das Ehrenamt in Deutschland ist somit eine unerlässliche Tätigkeit mit vielen Gesichtern.