Die Stadt weiß inzwischen, was Starkregen bedeutet. Bereits 2019 waren erstmals Zimmerwiese und Wiestorstraße überflutet, der tiefer gelegen Bahnhof wurde zum Bassin. Am 5. September 2024 reichte ein heftiger Guss von etwa einer Stunde, um den Münsterplatz, die Grabenstraße und die angrenzenden Gebiete mit Geschäften und Lokalen unter Wasser zu setzen.
Spätestens dieses Ereignis habe gezeigt, „dass wir dafür sensibilisiert werden müssen und dass es einige Problemstellen in der Stadt gibt“, erklärte vor dem Gemeinderat jetzt Helmut Köberlein von der Abteilung Tiefbau. Unter deren Regie wird ein Konzept für das Starkrisikomanagement in der Stadt erarbeitet. Wie viele Problemstellen es gibt und wo sie liegen, untersuchte das Ingenieurbüro Langenbach gemäß eines Leitfadens des Landes für die Überlinger Kernstadt mit Andelshofen und Goldbach sowie die topografisch zusammenhängenden Teilorte Deisendorf und Nußdorf.
Handlungskonzept soll erstellt werden
Die inzwischen erarbeiteten Erkenntnisse stellte Experte Christian Luplow dem Gemeinderat vor. Diese empfand das Gremium allerdings teilweise als verwirrend. Zudem vermisste der Rat noch konkrete Vorschläge für Einzelmaßnahmen. „Als Ergebnis wurde ein Handlungskonzept für die Stadt Überlingen entwickelt“, ist in der Sitzungsvorlage zu lesen. Beim Ausblick am Ende heißt es: „Entsprechend dem Schritt 3 des Leitfadens wird auf dieser Basis ein Handlungskonzept mit den entsprechenden Einzelschritten erstellt.“
Zeitrahmen und Kosten noch unklar
Nicht nur mehrere Gemeinderäte, auch Oberbürgermeister Jan Zeitler hakten daher nach, was nun Gegenstand einer Beschlussfassung sei, wann konkrete Maßnahmen umgesetzt würden und was das Ganze am Ende koste. Als auch noch die vermeintliche völlige Unkenntnis über die Vergabe des Auftrags an das Ingenieurbüro formuliert wurde, fühlte sich Stadtrat Günter Hornstein (CDU) aufgerufen, daran zu erinnern, dass der Bauausschuss im Mai 2021 genau diesen Beschluss über die Auftragsvergabe gefasst habe. Damit sei auch der Umfang der Arbeiten umrissen worden.
34 Objekte gelten als besonders gefährdet
Bei seinen Untersuchungen identifizierte Fachmann Christian Luplow drei Bereiche in Überlingen, die insbesondere „durch innerorts verdolte Gewässerabschnitte“ gefährdet sind. Betroffen seien unter anderem die Durchlässe und Verdolungen des Goldbachs, des Nellenbachs sowie des Esbachs. Zudem hätten sich Überflutungsrisiken am Durchlass des Killbachs am Kreistierheim gezeigt und an der Verdolung des Rinnsals im Heiligengrundweg, das in den Nellenbach mündet.
Zudem erkannte Luplow „34 Risikoobjekte mit einem Überflutungsrisiko durch Starkregen“. Davon sind 17 Objekte bereits bei einem seltenen Starkregenereignis entweder hoch oder sehr hoch als „gefährdet“ eingestuft worden. Von diesen seien fünf Objekte im privaten Besitz (Tankstellen, Werkstatt, Parkhaus und das Verwaltungsgebäude des Stadtwerks am See). Die anderen zwölf Objekte sind kommunale Gebäude und Anlagen. Konkret sind dies: die Abwasserhebeanlage beim Kreistierheim, die Kleinkindertagesstätte Goldbach Haus, das Kinderhaus Burgberg, das St.-Nikolaus-Münster, die Grund- und Gemeinschaftsschule Wiestor, der Ü-Punkt, der Waldorfkindergarten, die Freie Waldorfschule, das Alten- und Pflegeheim St. Ulrich, das Bonhoefferhaus und das Rosa-Wieland-Kinderhaus Nußdorf. Für alle 34 Objekte hat Luplow Risikosteckbriefe erstellt.
So soll es weitergehen
Als Beispiel führte er unter anderem die Wiestorschule an, die dem Wasser der steilen Sackgasse beim Friedhof ausgesetzt sei. Durch die Absenkungen am Eingang von der Friedhofstraße könne sich das Wasser hier stauen und durch Fenster und Türen in die Räume eindringen. Hier gelte es durch geeignete Maßnahmen Vorsorge zu treffen. Als nächstes sollen nun konkrete Eingriffe erarbeitet, mit den jeweiligen Kosten hinterlegt und im Haushalt zugeordnet werden.
Bürger wünscht sich Notfallnummer
Bereits in der Einwohnerfragestunde hatte Erich Ruh, ehemals LBU-Stadtrat und Anwohner der Grabenstraße, kritisch hinterfragt, inwieweit die Verwaltung an die direkt betroffenen Anwohner herangetreten sei, um sich die praktischen Erfahrungen zunutze und gegebenenfalls über Lösungen Gedanken zu machen. „Oder denken Sie, dass sich die Bürger selbst organisieren sollten?“ Ob es nicht hilfreich sein könne, fragte Ruh, wenn die Verwaltung eine allseits bekannte Notfallnummer hätte, über die man schnell wichtige Informationen weitergeben könnte. Zumal sich die Situation lokal ganz unterschiedlich entwickeln könne. OB Zeitler gab zu bedenken: Die Verwaltung sehe die Gefahr, dass das Telefon rund um die Uhr klingle.