In einem sind sich die Überlinger Hänsele treu: Sie sind öffentlich nur zwischen Fastnachtssamstag und -Dienstag anzutreffen. Und zwar nur innerhalb der Kernstadt von Überlingen. Die Satzung sieht nur wenige Ausnahmen vor.

Mit einem Fall von Untreue musste sich jetzt die Hänselezunft beschäftigen. Anlass war der närrische Videowettbewerb, in dem der SÜDKURIER die Narrenvereine aus der Region dazu aufrief, gute Laune mit einem Videobeitrag zu verbreiten. Corona ist schon unlustig genug, die Einschränkungen zur Fastnacht können mit virtuellen Veranstaltungen ein wenig ausgeglichen werden.

Harry Kirchmaier: „Der Überlinger Hänsele ist etwas Besonderes und kein Clown.“
Harry Kirchmaier: „Der Überlinger Hänsele ist etwas Besonderes und kein Clown.“ | Bild: Hilser, Stefan

Dem Aufruf folgten über 100 Vereine, darunter die Holzhaudere-Zunft aus Denkingen bei Pfullendorf. In ihrem Videobeitrag war ein Überlinger Hänsele zu sehen, der zum Überlinger Narrenmarsch mit einem Überlinger Löwen tanzte.

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„Habt ihr kein eigenes Häs?“, wollte der Vorsitzende der Hänselezunft, Hänselevater Harry Kirchmaier, von den Denkingern wissen – und hatte schon bald einen reumütigen Exil-Überlinger am Haken – oder besser: an der Karbatsche.

Heimweh nach Überlingen

Markus Stauss gab sich als der zu erkennen, der unterm Hänselehäs steckte. Stauss wuchs in Überlingen auf, war von Kindesbeinen an als Hänsele unterwegs, wurde also in Überlingen närrisch sozialisiert. Er zog dann, wie er dem SÜDKURIER sagte, nach Denkingen, weil in Überlingen die Baupreise so hoch sind. Dort im Dorf ist er, in alter Verbundenheit zur Fastnacht, in der Holzhaudere-Zunft aktiv geworden. Sein Hänselehäs hängt aber nach wie vor im Schrank – und verbreitet Heimweh.

Da gehören sie hin: Die Holzhaudere-Zunft beim Narrenbaumstellen in ihrem Gäu. Das Bild entstammt dem Zeitungsarchiv, aus längst ...
Da gehören sie hin: Die Holzhaudere-Zunft beim Narrenbaumstellen in ihrem Gäu. Das Bild entstammt dem Zeitungsarchiv, aus längst vergangenen Zeiten, als man sich noch eng zusammenstellen durfte. | Bild: Sibylle Kempf

Das Gegenteil von gut ist gut gemeint: Als Markus Stauss für das besagte Video ins Hänselehäs stieg, wollte er für die Fastnacht 2022 werben, in dem die Holzhaudere-Zunft ihr 50-jähriges Bestehen mit einem großen Narrentreffen feiert.

Einsicht nach der Rüge aus Überlingen

Die Reaktion aus Überlingen ließ nicht lange auf sich warten. Sie sollten schauen, dass sie das Video so rasch wie möglich aus dem Netz bekommen, forderte Kirchmaier die Denkinger auf.

Markus Stauss übt sich in Einsicht: „Meine Aktion war zwar spontan, gut gemeint, jedoch völlig unangebracht und unbedacht.“

Das war der Narrentag 2020 in Überlingen: Hänselevater Harry Kirchmaier mit einer Gruppe an Kinderhänsele in der Franziskanerstraße.
Das war der Narrentag 2020 in Überlingen: Hänselevater Harry Kirchmaier mit einer Gruppe an Kinderhänsele in der Franziskanerstraße. | Bild: Hilser, Stefan

Stauss hätte gerne das ganze Thema „geräuschlos“ von der Bühne genommen. Kirchmaier ist da anderer Meinung und liest ihm öffentlich die Leviten: „Das ist Allefanz, das muss er ertragen.“

Er sei ja froh, sagte Kirchmaier, dass der Delinquent ein Einsehen hat. „Der hat jetzt kapiert, dass das Überlinger Hänsele das falsche Häs ist, um damit im Hinterland im Schnee rumzujucken.“

Erwähnung im Bericht des Hänselevaters

Das Mindeste, was dem Delinquenten blühe, sei eine Erwähnung im „Bericht des Hänselevaters„. Der wird traditionell an der Vollversammlung der Hänsele im November gehalten. Und weil an der Fastnacht 2021 nicht viel passiert, sei ja wohl klar, dass er über diesen Fall in seiner Bilanz berichten werde.

Satzungsverstoß an Schloss Rauenstein

Der Denkinger Fall war in diesem Jahr kein Einzelfall. Am vergangenen Wochenende, berichtet Kirchmaier, sei ihm über ein illegales Treffen berichtet worden. Drei Hänsele, ein Elzacher Schuttig, ein Oberndorfer Schantle und ein Überlinger Löwe hätten am Schloss Rauenstein in Überlingen zu spanischer Musik getanzt.

Also in aller Öffentlichkeit, außerhalb der närrischen Tage, und in einer Begegnung mit den Viererbundzünften, die sonst nur alle drei oder vier Jahre beim Narrentag möglich ist. Ausgerechnet in dem Jahr, in dem coronabedingt gar keine richtige Fastnacht ist, „spinnen die schon 14 Tage vor der Fastnacht„, so Kirchmaier.

„Haltet das Hänsele sauber“

Einen Überlinger habe er bislang ausfindig gemacht und ihm ordentlich die Leviten gelesen. „Der Überlinger Hänsele ist etwas Besonderes und kein Clown, der hat sich entsprechend zu benehmen.“ Kirchmaier zitiert seine Vorgänger Nikolaus Nothelfer, Hänselevater von 1954 bis 1966: „Haltet das Hänsele sauber.“

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Für Furore sorgte auch ein Fall im Herbst 2018, als sich fünf Männer auf dem Teufelstisch, einer Felsnase im Bodensee, auf ein Bier trafen. Sie trugen Badehosen am Leib und ihre Narrenkappe auf dem Kopf. Vier trugen die Kappe vom Hänsele, der fünfte die vom Trube-Kriese Rätscher aus Sipplingen. Geahndet wurde dieser Fall beim Narrenkonzert 2019, wo die Delinquenten durch den närrischen Kakao gezogen wurden: als Schiffbrüchige.

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