Er war Weltreisender, Abenteurer, Erzieher eines Königs, Offizier der Royal Navy – und der Schule Schloss Salem als Schüler und Schulleiter verbunden. Eine Persönlichkeit, die direkt einem Roman von Graham Greene entsprungen sein könnte: Jocelin Slingsby Winthrop Young sei „ein englischer Gentleman im allerbesten Sinne des Wortes“, würdigte ihn einst der schottische Schulrektor Roy McComish in einem Toast anlässlich eines Treffens des von Winthrop Young gegründeten weltweiten Schulverbandes „Round Square“ in Kanada.

Jocelin Slingsby Winthrop Young OBE (Order of the British Empire) war zuerst Schüler des Pädagogen Kurt Hahn in Salem und dem ...
Jocelin Slingsby Winthrop Young OBE (Order of the British Empire) war zuerst Schüler des Pädagogen Kurt Hahn in Salem und dem schottischen Gordonstoun und wurde er später zu dessen engem Weggefährten und als Pädagoge international zum Multiplikator der Hahn‘schen Pädagogik. Auf Hahns Wunsch erzog er den späteren König Konstantin von Griechenland und baute in Athen die Schule Anavryta auf. Zu Ehren seines väterlichen Freundes Kurt Hahn gründete er die weltweite Schulorganisation „Round Square“, benannt nach einem Zentralgebäude in Gordonstoun. Er schuf auch das Kurt-Hahn-Archiv, das heute zum Kreisarchiv des Bodenseekreises gehört. | Bild: Kreiskulturamt Bodenseekreis

Ein Stück des ebenso einflussreichen wie abenteuerlichen Lebens des Pädagogen wird in diesen Tagen im Überlinger Auktionshaus Zadick wieder lebendig. Dort wechseln am Sonntag, 26. Mai, gut 300 Exponate den Besitzer, die dem 2012 in Heiligenberg verstorbenen Briten und seiner ersten Frau gehört hatten – Besichtigung ist ab Samstag, 18. Mai. Seine Erben verkleinern sich aus Altersgründen und geben einen Teil dessen ab, was Vater und Mutter hinterlassen haben.

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Mit seiner ersten Ehefrau Ghislaine Gräfin de la Gardie (1927 bis 1987) hatte Jocelin Winthrop Young drei Kinder. Die beiden ließen sich 1974 scheiden. Die de la Gardie sind ein schwedisches Adelsgeschlecht französischer Abstammung, das im 17. Jahrhundert bis in die höchsten Adelskreise und Staatsämter aufstieg und Schweden entscheidend prägte. | Bild: Kreiskulturamt LRA Bodenseekreis

Auch die Frau wäre die ideale Protagonistin eines Romans: Gräfin Ghislaine de la Gardie stammt aus einem schwedischen Adelsgeschlecht französischer Abstammung, das im 17. Jahrhundert bis in die höchsten Staatsämter aufstieg, damals gehörte ihnen gar Schloss Drottningholm, in denen heute König Karl XVI. Gustav und Königin Silvia leben.

Silberne Kuchenschaufel mit Medaillonporträts des Kaiserpaares Franz Joseph I. und Elisabeth (genannt Sisi) von Österreich-Ungarn, ...
Silberne Kuchenschaufel mit Medaillonporträts des Kaiserpaares Franz Joseph I. und Elisabeth (genannt Sisi) von Österreich-Ungarn, umfasst durch bekrönten Adler und Blattwerk mit Kaiserkrone, wohl anlässlich der Silberhochzeit 1879. | Bild: Martin Baur

Eine Kuchenschaufel zur Silberhochzeit von Kaiserin Sisi

Gräfin Ghislaine ist feines Silber zu verdanken, das Deborah und Lion Zadick ins Schwärmen bringt. „Es sind um die 30 Stücke englisches wie auch skandinavisches Silber hoher Qualität“, beschreibt sie. Stücke wie jene 819 Gramm schwere Deckelterrine des schwedischen Hofjuweliers Gustav A. Dahlgren, 1917 in Malmö gefertigt, wie die Punzen verraten. Und dann liegt in den Vitrinen des Auktionshauses auch noch eine Wiener Kuchenschaufel, entstanden 1879 zur Silberhochzeit von Kaiserin Sisi (die in den Filmen Sissi genannt wird) und Kaiser Franz-Josef.

Diese zwei königliche Deckeldosen für Süßstoff waren ein Präsent anlässlich der Hochzeit von Konstantin und Anne-Marie von Griechenland ...
Diese zwei königliche Deckeldosen für Süßstoff waren ein Präsent anlässlich der Hochzeit von Konstantin und Anne-Marie von Griechenland am 18. September 1964 in Athen. Die 120 Euro sind übrigens das angesetzte Limit. Onlinebieter hatten bereits am Freitag, 18. Mai, eine Woche vor der Auktion, bis auf das Vierfache hoch geboten. | Bild: Martin Baur

Väterlicher Freund von König Konstantin

Begeistern lassen sich die Antiquitätenfachleute auch von zwei kleinen Silberdöschen, für die bereits gut eine Woche vor der Auktion Internetgeboten vorliegen, die schon beim Vierfachen des angesetzten Limits von 120 Euro liegen. Sie waren wertvolle Präsente für die Gäste der Hochzeit des griechischen Königs Konstantin und Anne-Marie von Griechenland am 18. September 1964 in Athen und zeigen das Portrait des Paares. „Seltene Glücksfälle“, nennt Deborah Zadick solche Preziosen – Jocelin Winthrop Young war als Erzieher und väterlicher Freund des jungen Kronprinzen einst Hochzeitsgast. Als 2012 dem verstorbenen Schulleiter Winthrop Young im Betsaal des Schlosses Salem gedacht wurde, war König Konstantin Hauptredner.

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Ein kleines Bergbild ist das bedeutendste Objekt

„Das absolute Highlight“ aber ist für Lion Zadick ein gerade mal 40 mal 30 Zentimeter messendes Bergbild. Es trägt den Titel „Die Jungfrau in den Berner Alpen bei Sonnenaufgang“ und ist ein Werk des insbesondere in Frankreich und der Schweiz geschätzten französischen Malers, Fotografen und Bergsteigers Gabriel Loppé (1825 bis 1913). „Es sollte europaweites Interesse hervorrufen“, meint Auktionator Zadick zu dem Gemälde, das schicksalshaft mit der Familie Winthrop Young verbunden ist.

„Die Jungfrau in den Berner Alpen bei Sonnenaufgang“ lautet der Titel dieses Bildes, das der französische Maler, Fotografen und ...
„Die Jungfrau in den Berner Alpen bei Sonnenaufgang“ lautet der Titel dieses Bildes, das der französische Maler, Fotografen und Bergsteiger Gabriel Loppé (1825 bis 1913) fertigte. Bestätigt wird diese Provenienz durch die 2002 erschienene Loppé-Biografie mit Werkverzeichnis von Marie-Noel Borgeaud, das Deborah Zadick erst vergangenen Donnerstag vom führenden Loppé-Spezialisten erhielt und „in dem unser Loppé abgebildet ist“, wie sie begeistert sagt. | Bild: Auktionshaus Zadick

Die tragische Geschichte hinter dem Gemälde

Auf der Rückseite des Loppé-Bildes findet sich eine handschriftliche Notiz von Geoffrey Winthrop Young. Sie lautet übersetzt: „Gekauft von Reverend Edward Mallet Young von Gabriel Loppé nach dessen Hilfe beim Mont-Blanc-Unfall 1866 – und mir übergeben von Ed Youngs Witwe zu meiner Hochzeit 1917.“ An jenem Herbsttag 1866 war Bergpionier Sir George Young, Vater von Geoffrey und Großvater von Jocelin, gemeinsam „mit zwei Brüdern und Cousins um 10 Uhr morgens ohne Bergführer erfolgreich den Gipfel des Mont Blanc erreicht“, sogar australische Zeitungen berichteten. Beim Abstieg erfasste sie ein Schneebrett, einer der Brüder starb. Die übrige Seilschaft, zu der Sir Georg und sein jüngerer Bruder Ed Young gehörten, überlebten unter dramatischen Umständen. Bei der Bergung der toten Bruders half jener Bergsteiger und Bergmaler Gabriel Loppé.

Handschriftlich vermerkte Geoffrey Winthrop Young auf dem Gemälde von Charles Loppé: „Gekauft von Reverend Edward Mallet Young von ...
Handschriftlich vermerkte Geoffrey Winthrop Young auf dem Gemälde von Charles Loppé: „Gekauft von Reverend Edward Mallet Young von Gabriel Loppé nach dessen Hilfe beim Mont-Blanc-Unfall 1866 – und mir übergeben von Ed Youngs Witwe zu meiner Hochzeit 1917.“ | Bild: Martin Baur

Kauf es der Londoner Alpine Club zurück?

Der erste britische Gentlemans Club für Bergsteiger ist der 1867 gegründete Londoner Alpine Club, Geoffrey Winthrop Young war Mitglied und Präsident. Und Maler Loppé der erste Ausländer, dem die illustre Herrenrunde eine Mitgliedschaft gewährte. Er ist bis heute einer der beliebtesten Künstler in der Gemäldesammlung des Clubs, wie der Seite www.artuk.org zu entnehmen ist. Klar, dass Deborah Zadick neben Museen und dem Loppé-Freundeskreis auch den Alpine Club angeschrieben hat und hofft, dass er das Bild, das dort möglicherweise schon mal hing, heimholt.