Es ist ein Naturschauspiel, dass nur von ganz kurzer Dauer ist. Jeden Herbst sind riesige Schwärme von Staren über den Weinbergen rund um die Klosterkirche Birnau zu beobachten. So war es auch vor wenigen Tagen kurz nach der Weinlese. Dieses Jahr waren es womöglich so viele Vögel wie schon lange nicht mehr,. Zehntausende waren im Formationsflug unterwegs. Es gab nicht wenige Autos und Lkws, die aufgrund des außergewöhnlichen Naturschauspiels abbremsten oder sogar anhielten und Fotos machten.

Stare sammeln sich am nördlichen Bodensee

Allerdings: „Das sind nur noch ein Bruchteil von der Anzahl, wie es sie früher gab“, sagt Professor Peter Berthold, langjähriger Direktor des Max-Planck-Institutes für Ornithologie und ehemaliger Direktor der Vogelwarte Radolfzell, der in Owingen-Billafingen lebt.

Der Ornithologe Peter Berthold mit einem Wendehals am Sielmann-Weiher in Billafingen. Bild: Privat
Der Ornithologe Peter Berthold mit einem Wendehals am Sielmann-Weiher in Billafingen. Bild: Privat | Bild: Archiv Berthold

Er könne sich noch daran erinnern, wie vor etwa 50 Jahren Millionen Vögel unterwegs waren. Es gebe drei Schlafplätze der Stare am Bodensee, kurz bevor sie ins Winterquartier nach Spanien oder Nordafrika fliegen: Einer davon sei am nördlichen Bodensee zwischen der Aachmündung in Unteruhldingen und der Klosterkirche Birnau.

Sie übernachten in Schilfregionen

Die Vögel stammen aus dem gesamten süddeutschen Raum und sammeln sich am Bodensee. Allerdings ist die Ansammlung nur von kurzer Dauer, weil sie dann wieder in kleinen Gruppen aufbrechen. Die Vögel nutzen die perfekte Örtlichkeit von Schilfregionen, um zu übernachten. Dadurch müssen sie nachts keine Fressfeinde fürchten. Das ist auch der Grund, warum sie sich sammeln.

Stare an der Birnau Video: Jäckle, Reiner

Deshalb fliegen die Vögel in Schwärmen

Wenn sie tagsüber fliegen, sind sie in Schwärmen unterwegs. Auch das hat gute Gründe, denn dadurch schützen sie sich vor Attacken von Raubvögeln, die immer wieder versuchen, sich den einen oder anderen Star zu holen. „Wenn ein Raubvogel auf den Schwarm zufliegt, flüchten die Stare keineswegs. Ganz im Gegenteil“, erklärt Peter Berthold. „Sie umkreisen den Raubvogel sehr eng und machen ihn damit so gut wie flugunfähig, sodass er regelrecht unten aus dem Schwarm herausfliegt.“

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Früher sei der Bodenseeraum für Stare ein beliebtes Brutrevier gewesen. Auch heute bringen einige Vögel hier noch die Jungen zur Welt. Dann allerdings setzt eine Besonderheit ein, denn die Vögel bleiben nicht hier, sondern ziehen in die Rheinebene bis teilweise in die Niederlande. Erst im Herbst kommen sie wieder zurück und treffen sich am Bodensee, bevor es weiter in den Süden ins Winterquartier geht.

Strecke wird in Gruppen zurückgelegt

Auch hier gebe es immer wieder das Phänomen, dass es auf dem Weg nach Südspanien oder Nordafrika hin und wieder Ansammlungen von Staren gebe. Dies liege an der Örtlichkeit, so der Ornithologe. „Wenn es ein Schilfgebiet gibt, in dem die Vögel gut übernachten können, verweilen sie auch mal ein paar Tage und sammeln sich dort, bevor es weitergeht“, sagt er. „Den Großteil der Strecke legen sie aber tatsächlich in ganz kleinen Gruppen zurück.“

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Noch ist es hier zu kalt zum Überwintern

Nun stellt sich natürlich auch die Frage, warum die Stare überhaupt in Richtung Süden ziehen, da es durch den Klimawandel auch am Bodensee immer wärmer wird. Doch hier sagt Peter Berthold ganz klar: „Unsere Region ist noch zu kalt zum Überwintern.“ Vereinzelt würden zwar immer wieder mal ein paar Stare bleiben, aber der überwiegende Großteil zieht in Richtung Süden. Die Temperatur ist dabei aber nur Mittel zum Zweck, denn entscheidend für die Stare ist das Futterangebot, das im Winter einfach nicht groß genug ist.