„Es ist mir bewusst, dass ich mich dumm verhalten habe. Ich entschuldige mich für mein irrationales Verhalten.“ Mit diesen Worten versuchte ein 23-jähriger Deutscher das Rheinfelder Bezirksgericht für ihn milde zu stimmen, doch vergeblich. „Dumm verhalten“ hatte er sich am 29. August 2020 in einer Fußgängerunterführung in Stein. Dort hätten er und drei weitere Personen „gechillt“, wie der Beschuldigte in der Verhandlung aussagte. Dabei seien auch Alkohol getrunken und zuvor Drogen konsumiert worden.

Zwei Männer deutscher Staatsangehörigkeit, im Verfahren in Rheinfelden traten sie als Privatkläger auf, sind dort der Gruppe begegnet und wurden laut Anklageschrift der Staatsanwalt Rheinfelden-Laufenburg anschließend von der vierköpfigen Gruppe „verfolgt und eingeholt“.

Das beantragte Strafmaß

Verbalen Auseinandersetzungen seien Tätlichkeiten in Form von Ohrfeigen, Fußtritten und Faustschlägen gegen die Privatkläger gefolgt, die dadurch Verletzungen in Form von Hautschürfungen, Blutergüssen, Schwellungen und Frakturen davongetragen hätten. Zudem habe der Beschuldigte von einem der beiden Geschädigten unter Androhung von Gewalt verlangt, dessen Mobiltelefon auszuhändigen.

Die Staatsanwaltschaft sah folgende Delikte als gegeben an: Raub, Angriff, versuchte schwere Körperverletzung, Nötigung und Drogenkonsum. Das beantragte Strafmaß: 18 Monate Freiheitsstrafe unbedingt, 300 Franken Geldbuße, acht Jahre Landesverweisung.

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Der 23-Jährige war am Gericht in Rheinfelden der alleinige Beschuldigte. Die drei Mitbeteiligten an der Schlägerei wurden nicht mitbelangt, weil sie zum Tatzeitpunkt noch Jugendliche waren.

Bei der Befragung des Beschuldigten durch Gerichtspräsidentin Regula Lützelschwab war ein Dolmetscher notwendig, der ins Englische übersetzte. Denn obwohl der Mann deutscher Staatsangehöriger ist, verbrachte er den Großteil seines Lebens in England. Eigentlich in Waldshut-Tiengen wohnhaft, habe er sich auf Bitten von Kollegen, „rüberzukommen“, öfters auch in der Schweiz aufgehalten.

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Bei der Befragung kam heraus, dass er schon für drei Wochen in Deutschland und für zwei Jahre in England inhaftiert gewesen ist. Er beteuerte aber, unschuldig verurteilt worden zu sein. Und sagte: „Dadurch habe ich das Vertrauen in die Justiz verloren.“ Und: „Wenn die nicht korrekt mir gegenüber sind, warum soll ich es dann sein.“ Bei der Befragung durch Lützelschwab gab er sich aber reumütig und bat um Entschuldigung.Davon ließ sich Staatsanwalt Roman Keller nicht beeindrucken. Entgegen der Anklageschrift vom November forderte er ein um zwei Monate höheres Strafmaß und sagte: „Es war so, wie es in der Anklageschrift steht.“ Ob der Beschuldigte die Schlägerei begonnen habe und wie oft er selbst zugeschlagen habe, sei „völlig irrelevant“. Keller verteidigte die Landesverweisung. Das Delikt der versuchten schweren Körperverletzung zwinge dazu. Zudem habe der Mann keinen Bezug zur Schweiz.

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Die Verteidigung sah die Anklagepunkte Tätlichkeit, Diebstahl und Nötigung als gegeben an, nicht aber Raub und versuchte schwere Körperverletzung. Angesichts dessen, dass der Beschuldigte bei seinen Vorstrafen „kein unbeschriebenes Blatt“ sei, forderte die Verteidigung 100 Tage Freiheitsstrafe unbedingt, bezeichnete die Landesverweisung aber als „unbegründet“.

Das Bezirksgericht folgte indes weitgehend den Anträgen der Staatsanwalt. Nur den Vorwurf des Raubs sah es als nicht gegeben an, sodass es beim Strafmaß etwas unter den von Keller geforderten 18 Monaten blieb. Zu den 14 Monaten Freiheitsstrafe unbedingt kommen 300 Franken Geldbuße und die Landesverweisung.

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Die Forderungen der Privatkläger – mehr als 5000 Franken Schadenersatz und Genugtuung der eine, 3500 Franken Genugtuung der zweite – erkannte das Gericht an. Diese hätten als Folge der Vorfälle unter Ängsten und Schlafstörungen gelitten. Das Gericht reduzierte aber die Forderung nach 3500 Franken Genugtuung auf 2000. Außerdem hat der Beschuldigte die Anwaltskosten einer der Privatkläger sowie die Verfahrenskosten zu tragen. Seit Ende 2020 in Sicherheitshaft bleibt der Mann dort – auch weil laut Lützelschwab „Fluchtgefahr besteht“.