Soll man für einen Staat kämpfen, der gar nicht erhaltenswert ist? Ist Kultur etwas, das man verteidigen kann? Diese Fragen werden in Friedrich Dürrenmatts Komödie „Romulus der Große“ abgehandelt, die nun bei der Festspielgemeinde Bad Säckingen Premiere feierte.
Es war die 23. Regiearbeit, die Renate Kraus – dieses Mal zusammen mit Markus Rupprecht – für den Theaterverein geleistet hatte. Sie und ihr Ehemann Günter Kraus wurden nach 30 Jahren verabschiedet und geehrt.

Endzeitstimmung im römischen Reich
Säulen deuten das kaiserliche Landhaus an, aber sie sind mit Efeu überwachsen, die Regale sind roh gezimmert und stellen eine Sammlung von (schlecht ausgeführten) Büsten aus. Der Lorbeerkranz des letzten weströmischen Kaisers Romulus ist entblättert, die Finanzlage des Staates desolat, und der Kaiser muss die Erinnerungsstücke vergangener römischer Größe an die kühl taxierende Kunsthändlerin (Gabi Merk) verschleudern. Es herrscht Endzeitstimmung, denn die Germanen ziehen plündernd und mordend durch das Reich. Doch Kaiser Romulus widmet sich lieber der Kunst des Hühnerzüchtens und der Suche nach dem perfekten Frühstücksei.

Es ist eine Komödie, aber mit sehr ernstem Hintergrund. Wie Dürrenmatt in seinen programmatischen Schriften vermerkt, ist das Zeitalter der Tragödie vorbei. Die Bürokratie und nicht mehr der große Staatsmann hält das Heft es Handelns in Händen, das Heldentum ist diskreditiert, und damit fehlt jene „Fallhöhe“ als Voraussetzung für tragische Konstellationen.
Bürokratie übernimmt die Macht im Staat
Die Zeichen der Zeit nicht erkannt hat Präfekt Spurius Titus Mamma (Johannes Schütz), der sich im Sinne altrömischer Ideale für den Staat opfert, aber an der Bürokratie, namentlich der Innenministerin (Sandra Mathis) und Kriegsministerin (Luisa Böhler) scheitert.

Darsteller zeigen ihr komödiantisches Talent
Die Schauspieler und die Regie kosteten die komödiantischen Züge genüsslich und fantasievoll aus: Die nach Kaisern benannten und von Catalina Mayer „eingekleideten“ Lieblingshühner sorgten für Erheiterung, und Hauptdarsteller Dennis Affeldt spielte den Kaiser zunächst als Inbegriff spätrömischer Dekadenz: Unerschütterlich, blasiert und desinteressiert ignorierte er den Krieg, sehr zum Leidwesen der ehrgeizigen Kaiserin (Anne-Kathrin Ragusa). Auch der byzantinische Kaiser (Gerald Hacker) und der aufstrebende Industrielle (Dirk Tolksdorf) waren dankbare Rollen für Darsteller mit komödiantischem Talent.

Im zweiten Teil wendet sich das Schauspiel: Die scheinbar zynischen Bonmots des Kaisers erweisen sich als politisches Programm, den römischen Staat vorsätzlich zugrunde zu richten.
Dürrenmatts Komödie entstand 1949, im Angesicht der Verbrechen des Nationalsozialismus. In sehr freiem Umgang mit der Geschichte projiziert er die Verbrechen des NS-Staates auf das Römische Reich, und die kaiserliche Untätigkeit ist somit eine Strafaktion für einen Staat, der den Untergang verdient.
Romulus ist bereit, sich selbst zu opfern, nicht aber, einer Vernunftehe seiner Tochter (Angelika Snetkova) zuzustimmen. Hier schlug der Hauptdarsteller pathetische Töne an, wandelte sich zum tragischen Helden – dem seine Heldentat freilich nicht vergönnt war, denn die Verschwörung (eine Parodie auf Cäsars Ermordung) schlug fehl, und der Germanenfürst Odoakar (Detlev Bengs) entpuppte sich als ebenso kriegsmüde und hühnerliebend wie er selbst.

Der Kaiser wird in Pension geschickt, und dem germanisch beherrschten Römischen Rest-Reich stehen unheroische, aber glückliche Jahre bevor: Ein Theaterabend mit solider Regiearbeit, originellen Einfällen, guten und sehr guten schauspielerischen Leistungen und vielen Fragen, über die sich nachzudenken lohnt.

Abschied von langjähriger Regisseurin
Der Vorsitzende des Vereins, Detlev Bengs, zeichnete Renate und Günter Kraus mit der Goldenen Ehrennadel des Landesverbandes der Amateurtheater aus.
30 Jahren lang war Renate Kraus der Festspielgemeinde als Schauspielerin und vor allem als Regisseurin verbunden, ihr Ehemann zeichnete für Bühnenbild und Technik verantwortlich. Sie ziehen sich nun etwas zurück, stehen aber den Nachfolgern mit Rat und Tat zur Seite, und sie haben dafür gesorgt, dass eine junge Mannschaft bereitsteht, die die bewährte Arbeit fortführt.