Täglich 17.000 Fahrzeuge, davon rund 3 Prozent Schwerlastverkehr. Das ist zu viel, sagen manche Jestetter. Sie wollen eine Entlastung der Ortsdurchfahrt. Immer wieder war in den vergangenen Wochen und Monaten von einer Umfahrung die Rede. Besonders im Zusammenhang mit dem Lärmaktionsplan. Genaueres war bisher nicht zu erfahren. Das Regierungspräsidium (RP) Freiburg hat nun auf Nachfrage des SÜDKURIER Antworten geliefert.
Offensichtlich wird das Projekt seit Ende der 1970er-Jahre planerisch bearbeitet. „1980 hat das Straßenbauamt Bad Säckingen eine erste sogenannte Voruntersuchung durchgeführt und sieben Varianten entwickelt“, schreibt Heike Spannagel, Pressesprecherin des Regierungspräsidiums.
Wie ist der aktuelle Stand?
Das Projekt ist laut Angaben des RP im Bundesverkehrswegeplan 2030 in den vordringlichen Bedarf aufgenommen worden. Das Regierungspräsidium habe dann Ende 2019 mit den Planungen begonnen. 2019 bis 2021 seien insgesamt drei neue Varianten ausgearbeitet worden. Es sei überdies analysiert worden, welche Tier- und Pflanzenarten im Planungsgebiet heimisch sind. Die Behörde spricht von einer „faunistischen Planungsraumanalyse“.
Für das laufende Jahr sind laut RP fachtechnische Gutachten vorgesehen. Zum Beispiel eine Verkehrsuntersuchung und Untersuchungen zum Lärm. Die natur- und umweltfachlichen Kartierungen und Erhebungen sollen fortgeführt werden.
Was genau ist geplant?
Laut Beschreibung des Regierungspräsidiums soll eine 3,5 Kilometer lange zweispurige Straße südlich um Jestetten herum führen. So der Plan. Im bisherigen Entwurf sind insgesamt sechs Brücken vorgesehen. Die Schlüsselbauwerke seien eine etwa 370 Meter lange Brücke über das Volkenbachtal und die Kreisstraße 6582 und voraussichtlich zwei Grünbrücken. Die Kosten für das Straßenbauprojekt beziffert das RP nach aktuellen Planungsstand geschätzt mit 26,4 Millionen Euro.
Das RP geht davon aus, dass die heutige Bundesstraße 27 nach der Fertigstellung der Umfahrung zur Landesstraße abgestuft wird. Die Festlegung erfolge ebenfalls im Planfeststellungsverfahren.
Wie wird die Landschaft beeinträchtigt?
„Natürlich wird durch den Bau einer neuen Straße in die Landschaft eingegriffen“, schickt Spannagel in ihrer E-Mail voraus. Aber zum Schutz vor Lärm und um möglichst wenig in das Landschaftsbild einzugreifen, werde versucht, die Straße vorwiegend im Einschnitt einzupassen. Das hieße, die Straße werde tiefer gelegt als das umliegende Gelände. Bei geländegleicher Lage würde sie mit Wällen optisch eingepasst. Die Brücke über das Volkenbachtal werde sicher sichtbar sein. Spannagel erklärt: Im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens würden Maßnahmen zum Ausgleich der Eingriffe ins Landschaftsbild festgelegt.
Wann kann gebaut werden?
Das Projekt ist im Bundesverkehrswegeplan 2030 im vordringlichen Bedarf enthalten. „Das bedeutet, dass die Planung durchgeführt werden kann“, erklärt Spannagel. Aber ein Zeitpunkt für den Baubeginn sei derzeit noch nicht absehbar. Realistisch betrachtet, könne das erforderliche Planfeststellungsverfahren frühestens 2025, 2026 eingeleitet werden.
Mit wie viel Entlastung ist zu rechnen?
Dem Regierungspräsidium Freiburg würden keine Zahlen zur Verkehrsbelastung in Jestetten vorliegen. Es sei beabsichtigt, noch in diesem Jahr ein Verkehrsgutachten in Auftrag zu geben. Aus dessen Ergebnissen könnten dann konkrete Zahlen abgeleitet werden. Laut Dauerzählstellen und Monitoring der Straßenverkehrszentrale Baden-Württemberg rollen täglich im Schnitt 17.000 Fahrzeuge durch Jestetten, davon sind rund 3 Prozent dem Schwerlastverkehr zuzuordnen.
Wie ist die Meinung im Dorf?
„Für mich ist die Umfahrung ein ganz neues Thema“, sagt Bürgermeister Dominic Böhler, der seit November im Amt ist. Er versichert aber: Die Gemeinde werde frühzeitig ins Verfahren einbezogen. Er ist sich sicher, dass der Durchgangsverkehr, besonders der Schwerlastverkehr, deutlich entlastet werde.
Rund um die Gemeinderatssitzungen sprachen sich einzelne Einwohner immer wieder für die Umfahrung aus. „Wir kämpfen schon seit Jahrzehnten darum“, war zu hören. Die Geschäftsleute scheinen zwiespältig. Wie Katja Steinbeißer, Gemeinderätin und Geschäftsfrau, schildert, gebe es durchaus Befürchtungen, dass der Kundenverkehr abnehme. Gleichzeitig meint sie: „Es könnte auch eine Chance sein, wenn der Verkehr im Dorf ruhiger wird, kann man entspannter bummeln. Was das Ganze attraktiver machen würde.“
Das Regierungspräsidium wolle voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte für die Einwohner eine Informationsveranstaltung organisieren und sich mit den Trägern öffentlicher Belange abstimmen. Dann wird sich vermutlich ein präziseres Stimmungsbild abzeichnen.