Werner Scholtz, 86, der bis zu seiner Pensionierung bei der Kriminalpolizei in Waldshut-Tiengen beschäftigt war, wurde nicht Opfer eines Überfalles, sondern Opfer dreier dreister Betrüger, die den Rentner gnadenlos bei einem sogenannten Haustürgeschäft abzockten. Die Männer drehten dem Senior, der auf die 90 zugeht, neue Dachrinnen zu einem total überzogenen Preis an, in billigster Qualität. Hätte er die gleichen Arbeiten von einem hiesigen Handwerksbetrieb ausführen lassen, hätte ihn das Ganze in guter Qualität inklusive Mehrwertsteuer rund 2.600 Euro gekostet, sagt ein Fachmann.

Was war passiert?
Werner Scholtz hielt sich am Freitagmorgen gegen 9.30 Uhr in seinem Vorgarten auf, als plötzlich ein vorbeifahrender heller Kastenwagen mit Esslinger Kennzeichen anhielt, ein Mann ausstieg, dem Rentner erklärte, dass man an seinem Haus neue Dachrinnen anbringen solle. Einen Preis wurde hierbei nicht erwähnt, nur, dass man hochwertige Aluminium-Dachrinnen verbauen würde, die etwas teurer seien. Der Rentner, der bis dato keinen Gedanken daran verschwendet hatte, seine Dachrinnen ersetzen zu lassen, wurde so lange bequatscht, bis er unter Zeitdruck schließlich einwilligte, wenigstens die vordere Dachrinne an seinem Haus ersetzen zu lassen.
Dann ging alles ganz schnell. Zwei weitere Männer, in Montagekleidung, stiegen aus dem Fahrzeug, öffneten die Heckklappe, zogen eine ausziehbare Leiter aus der Ladefläche, legten los. Der Sprecher der Gruppe zeigte dem Rentner einen Packen mit Teilen für die Aluminium-Dachrinne. Der Rentner dachte sich nichts Böses und verließ die Gruppe.
Zuerst wollten die Gauner 14.000 Euro abgreifen
Als er gegen 14 Uhr wie vereinbart zurückkehrte, erschienen auch die drei Männer wieder. Werner Scholtz ließ nun auch noch die Dachrinne auf der Rückseite des Hauses ersetzen. Jetzt endlich kamen Zahlen auf den Tisch. 14.000 Euro lautete nun das Angebot für die Dachrinnensanierung. Der Rentner versuchte zu handeln, aber der Mann reduzierte den Preis nur bis auf 11.000 Euro. Scholtz akzeptierte schließlich: „Weil ich glaubte, dass er ehrlich sei. Ich habe ihm einfach geglaubt“, begründet er den Umstand, dass er nicht versucht habe, den Preis weiter nach unten zu drücken.

Der Anführer begleitet den Renter bis zur Sparkasse
Scholtz hatte den Arbeitern, die gegen 16 Uhr das Ende ihrer Arbeit vermeldeten, nie bei ihrer Tätigkeit zugesehen. Der Rentner hatte nun nicht genügend Bargeld im Haus für den Anführer der Bande. „Ich gab ihm in meinem Wohnzimmer eine Anzahlung in bar, habe mich aber so überrumpelt gefühlt, dass ich nicht nach einer Quittung fragte.“ Scholtz erklärte dem Mann, dass er erst zu seiner Bank müsse, um die restliche Summe abzuheben. Keine Chance zu entrinnen für den fast Neunzigjährigen: Der Kopf der Gruppe ließ sein Opfer nicht aus seinen Fängen: „Dann fahr ich mit“ und „Ich brauche das Geld heute noch in Bar, ich muss nach Stuttgart„, erklärte er dem völlig eingeschüchterten Rentner. Gesagt, getan. Werner Scholtz stieg in seinen VW Golf, der andere Mann nahm auf dem Beifahrersitz Platz. Seine beiden Kumpel fuhren in dem Lieferwagen weg. Scholtz fuhr mit seinem Bewacher in das Lohgerbe Parkhaus in die untere Etage, gemeinsam gingen sie zur Sparkasse, wo der starke Raucher sein Opfer allerdings nicht mit hinein begleitete, sondern auf dem Platz zwischen Sparkasse und Kaufhaus Woolworth auf ihn wartete.
Die Betrüger wollten weder Rechnung noch Quittung ausstellen
Werner Scholtz stand noch immer zu sehr unter Schock, dass er dem anderen Mann nun einen Großteil seiner Ersparnisse aushändigen müsse. Er registrierte zwar noch die Verwunderung der Bankangestellten, für die der Rentner plötzlich einen ungewöhnlich hohen Betrag von seinem Konto abhob, schaffte es aber nicht, in der Bank um Hilfe zu bitten. Opfer und Täter trafen sich vor der Sparkasse an dem Platz, wo Letzterer wartete. Der Rentner übergab den Umschlag mit der geforderten Restsumme (in 200-Euro-Scheinen) und verlangte nach einer Rechnung, die der Täter aber mit der Begründung verweigerte „Wir machen das so.“ Mit diesen Worten machte sich der Betrüger aus dem Staub in Richtung Beck-Arkaden, ließ einen völlig geschockten 86-Jährigen zurück. Scholtz vermutet, dass die Komplizen des Mannes ihren Anführer dort in der Nähe erwarteten.

Die abmontierten Dachrinnen lassen die Betrüger im Garten zurück
Der Rentner ist auch Tage nach dem Vorfall noch immer am Ende seiner Kraft, leidet unter Schlafstörungen, ist total verzweifelt. „Ich hatte da einfach nicht viel Zeit zum Nachdenken. Ich bin total überrollt worden“, kann er noch immer nicht fassen, was geschehen ist. Doch leider wird er tagtäglich an seine Gutgläubigkeit erinnert: Die Betrüger hatten die alten Dachrinnen nicht entsorgt, sondern dem Rentner im Garten deponiert. Doch wie soll der 86-Jährige mit seinem Golf die fünf Meter langen Teile entsorgen? Werner Scholtz hat Strafanzeige erstattet. Und hegt die leise Hoffnung, dass er seine Ersparnisse doch noch irgendwie zurückbekommt.
Was ist an Fakten bekannt:
- Das Tatfahrzeug: Ein heller, wahrscheinlich weißer Transporter/Lieferwagen mit Esslinger (ES) Kennzeichen, rundum geschlossen, Scheiben nur vorn am Führerhaus, die Hecklappe öffnet sich nach oben. Das Fahrzeug hatte keinerlei Beschriftungen oder gar Werbung.
- Der Anführer: Der Kopf der Truppe wird als ziemlich schlanker Mann um die 35 bis 40 Jahre bezeichnet, circa 1,65-1,75 groß, mit kurzen, eher dunklen, glatten Haaren, der mit ausländischem Akzent sprach. Bekleidet war er mit entweder einem dunklen Anzug oder einer Kombination aus dunkler Stoffhose und dunklem Sakko.
- Weitere Täter: Von den beiden anderen Tätern ist die Beschreibung wie folgt: Beide trugen Montageanzüge. Einer der Männer soll im Alter zwischen 20 bis 25 oder sogar jünger gewesen sein, von schlanker Statur. Der zweite Arbeiter soll zwischen 40 bis 50 Jahre alt gewesen sein, mit einer etwas dunkleren Gesichtsfarbe.
- Polizei sucht Zeugen: Der Geschädigte hat Strafanzeige gestellt. Das Polizeirevier Bad Säckingen (Telefon:07761-9340) ermittelt und bittet Zeugen, die Hinweise auf die Tatverdächtigen und deren Fahrzeug geben können, dringend sich zu melden.