Jürgen Scharf

„Folgen Sie Herrn Carantius!“ Dieser Aufforderung kann man sich in der Römervilla in Grenzach-Wyhlen bei Gruppenführungen anschließen. Der Villenbesitzer, auf den wahrscheinlich der Ortsname Grenzach zurückgeht, muss ein wohlhabender römischer Bürger gewesen sein. Scherben eines Tafelgeschirrs weisen auf lukullische Mahlzeiten hin. Die kleinen Löffelchen für Austern und die erhaltenen Austernschalen lassen darauf schließen, dass der römische Gutsbesitzer gern festliche Abendessen gegeben hat.

Architektur auf hohem Niveau

Ohne Zweifel bewohnte Carantius eine luxuriöse Villa. Die Baulichkeiten bewegen sich auf hohem Niveau, wir haben es mit einer Architektur der Oberschicht zu tun. Allein die vornehme architektonische Gestaltung mit Säulenfragmenten und Marmorvertäfelungen spricht eine klare Sprache. Die kostbare Inneneinrichtung mit Muschelfriesen, verzierten Stuckleisten und einer monumentalen Wandmalerei verweist auf eine hohe Wohnkultur.

Helmut Bauckner vom Verein für Heimatgeschichte führt durch das Museum Römervilla.
Helmut Bauckner vom Verein für Heimatgeschichte führt durch das Museum Römervilla. | Bild: Jürgen Scharf

Fußbodenheizung und Kaltwasserbecken

Wie anders ließen sich sonst die Waschbecken aus Marmor deuten? Sie waren Zeichen für Wohlstand im römischen Leben. Auch der aus Italien importierte Marmorfußboden konnte sich vor 1800 Jahren sehen lassen, und die Fußbodenheizung ist ein Hinweis darauf, dass in diesem Bereich die Wohnräume waren. Deichelringe lassen gar vermuten, dass es Wasser im Haus gegeben hat.

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Neben-, Ankleide- und Vorratsräume, Durchgänge, das Kaltwasserbecken, das zu einem komfortablen Bad gehört, sowie das große schmucke Zier- oder Fischbecken vor dem Hauseingang deuten darauf hin, dass es sich bei diesem römischen Gutshof nicht um einen Villa rustica, sondern um eine Villa urbana, ein städtisches Gebäude, gehandelt hat.

Fresko verweist auf herrschaftliches Anwesen

Von herausragender Bedeutung sind die lebensgroßen figürlichen Wandmalereien, die qualitativ zum Besten gehören, was an römischer Kunst nördlich der Alpen gefunden wurde. Dargestellt ist ein Krieger, vielleicht ein Gladiator, mit rotem Umhang, nacktem Oberkörper und Federschmuck, erkennbar sind noch Augen, eine Hand, der Helm, Schulter und Muskeln und die zarte Hand einer Frau.

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Die erhaltenen Originalfragmente der beiden Figuren, einer männlichen und weiblichen, befinden sich im Archäologischen Museum Colombischlössle in Freiburg. Der renommierte Grabungstechniker Markus Schaub, von dem auch die große Panoramaansicht der rekonstruierten Villa und Modellzeichnungen stammen, hat das Wandgemälde zu einer idealtypischen Darstellung ergänzt. Das Fresko ist der letzte Beweis, dass die Villa in der Steingasse ein herrschaftliches Anwesen gewesen sein muss.

Eine Fundgrube für Archäologen

Schon 1893 wurden Spuren dieser Anlage entdeckt, Bruchstücke einer stattlichen Säule aus dem Innenbereich der Villa, aber erst 1983 ergab sich die Gelegenheit von Ausgrabungen, die das Landesdenkmalamt vornahm. Dabei wurde die ganz im ursprünglichen Zustand erhaltene Südmauer mit der sensationellen Höhe von über zwei Metern freigelegt. „Das gibt es nicht oft bei Ausgrabungen, dass man so hohe Originalmauern findet, zudem mit römischem Originalmörtel“, sagt Helmut Bauckner, Vorsitzender des Vereins für Heimatgeschichte Grenzach.

In gutem Zustand ist die hohe und breite Originalmauer mit römischem Mörtel.
In gutem Zustand ist die hohe und breite Originalmauer mit römischem Mörtel. | Bild: Jürgen Scharf

Der Verein betreut das Regionalmuseum Römervilla, hat den Museumsbau initiiert und die Finanzierung organisiert. Das Grundstück hat damals die Gemeinde erworben, die Baukosten wurden je zur Hälfte vom Land Baden-Württemberg und vom Verein getragen.

1986 wurde über die Ausgrabungsstätte ein museal ausgestattetes Schutzhaus gebaut, mit freitragender Deckenkonstruktion, einer umlaufenden Galerie und großzügiger Fensterfront; 2011 wurde das Museum mit informativen Schautafeln, Tisch- und Hängevitrinen methodisch-didaktisch neu gestaltet. Dank der verständlichen Texte zu den einzelnen Fundstücken kann sich der Besucher allein zurechtfinden. Auf einer Tafel stehen sogar Rezepte aus der römischen Küche für Saucen und Blutwürstchen.

Dokument römischer Lebenskultur

„Zu Gast bei Carantius und seiner Frau“. Unter dieser Überschrift wird der Besucher durch das Museum geführt, das ein Museum für römische Alltagskultur ist. „Das Museum ist klein, aber fein“, weiß Bauckner, „aber es deckt den gesamten römischen Alltag vom Bauen bis zum Essen ab“.

Anhand von Fundstücken aus der Region wird ein großer Bereich an römischer Lebenskultur dokumentiert. Die Welt der römischen Frauen veranschaulicht Schmuck, ein in der Nähe gefundener Fingerring und eine Perle, kleine Kosmetiklöffelchen und Haarnadeln, aber auch Hausrat, eine Reibschüssel und Kochgeschirr.

Amphorenstöpsel geben Eindruck von römischen Alltagsgegenständen.
Amphorenstöpsel geben Eindruck von römischen Alltagsgegenständen. | Bild: Jürgen Scharf

Die Arbeitswelt der Männer symbolisieren landwirtschaftliche Geräte, eine Axt, eine Hacke, Messer, Lanzenspitzen.

Werkzeuge aus alten römischen Zeiten.
Werkzeuge aus alten römischen Zeiten. | Bild: Jürgen Scharf

Das Bild des Handels repräsentieren Münzen, auf deren Vorderseite meist Bildnisse der herrschenden Kaiser oder deren Gemahlinnen zu sehen sind. Einige der ausgestellten Exponate hat die Arbeitsgruppe Archäologie des Vereins in der Region bei Ausgrabungen entdeckt; eine formgeblasene Vierkantflasche wurde fachmännisch restauriert.

Villa war möglicherweise Sommerresidenz

Gerade im Zusammenhang mit der linksrheinischen Römerstadt Augusta Raurica (Augst) erschien die Konservierung der römischen Villa von Grenzach richtig und sinnvoll. Vielleicht war Carantius ein reicher Bürger aus dem Mittelzentrum Augst mit seinen 15 000 Einwohnern, der auf seinem Grenzacher Landsitz eine Art Sommerresidenz unterhielt.

Aktionen für Kinder und Familien

Das antike Gemäuer soll keine verstaubte museale Ausgrabungsstätte sein, sondern belebt werden. So gibt es attraktive Führungen und Aktionen für Kinder und Familien. Der große Hit ist das „Dachdecken“ mit einem noch gut erhaltenen römischen Originalziegel und nach alten römischen Formen gebrannten Ziegeln.

Helmut Bauckner vom Verein für Heimatgeschichte mit einem gut erhaltenen originalen römischen Dachziegel vor der Rekonstruktion der ...
Helmut Bauckner vom Verein für Heimatgeschichte mit einem gut erhaltenen originalen römischen Dachziegel vor der Rekonstruktion der Römervilla. | Bild: Jürgen Scharf

Nicht nur Kinder, sondern auch Erwachsene ziehen gern am Flaschenzug, wie ihn die alten Römer bei schweren Felsbrocken verwendeten, und hantieren mit originalen römischen Öllämpchen.

Die Villa ist „megacool“ und „super“

Auf einer neuen interaktiven Landkarte mit Magnettafel kann man den alten lateinischen Bezeichnungen von Orten und Flüssen nachspüren. Kinder finden die Römervilla „mega cool“ und „super“, was sie ins Gästebuch schreiben.

Das Museum eignet sich für Familienausflüge, gerade auch in den Ferien. Es lohnt sich, einen Alltagsbesuch bei den alten Römern zu machen. Helmut Bauckner, der schon Kindergartenkinder, Archäologiestudenten, Seniorenkreise, Schulklassen und Geschichtsinteressierte durch die historischen Mauern geführt hat, vergisst nicht den Hinweis auf die vier eisernen Hausschlüssel.

Vier antiken Hausschlüssel gehören zu den archäologischen Funden.
Vier antiken Hausschlüssel gehören zu den archäologischen Funden. | Bild: Jürgen Scharf

Anhand eines Modells erklärt der ehemalige Lehrer beim Rundgang, wie das System eines Riegelschlosses funktioniert: Der Schlüssel wird ins Schloss geschoben, die Zapfen fallen in die Vertiefungen, der Riegel wird vorgeschoben – da durfte Herr Carantius nicht zu spät nach Hause kommen, sonst hat ihm die Hausdame einen Riegel vorgeschoben!