Nach 15 Jahren hat Chefärztin Sun Ju Kim beim Klinikum Hochrhein gekündigt. Sie hatte zuletzt die Leitung der Inneren Medizinischen Klinik. Wie Sun Ju Kim bei ihrer Verabschiedung im Rahmen der niedergelassenen Ärzte der Region in Lauchringen bestätigte, hat sie ihren Vertrag bereits zum 1. Juli gekündigt und ist seit 1. Juni nicht mehr am Klinikum. Sie arbeitet inzwischen an der Uniklinik Freiburg als Kardiologin.
Kritik der niedergelassenen Ärzte
Die Umstände, wie es zu dieser Kündigung der Ärztin kam, stößt den niedergelassenen Ärzten der Region sauer auf. Carsten Kurth, Kardiologe in Facharztzentrum Aarberg in Waldshut, und Allgemeinmediziner Markus Bohl kritisieren die Art und Weise, wie mit der Chefärztin im Vorfeld ihres Weggangs seitens der Klinikverwaltung umgegangen wurde. „Professor Ruth Strasser wurde ihr praktisch vor die Nase gesetzt, das ist kein Mitarbeiter-Management“, kritisieren Kurth und Bohl.
Die Kündigung von Sun Ju Kim habe man offenbar „billigend in Kauf genommen“. Seit August 2017 ist Hans-Peter Schlaudt Geschäftsführer der Spitäler Hochrhein GmbH. Kurth und Bohl heben ausdrücklich die anerkannte fachliche Kompetenz von Professor Ruth Strasser hervor, glauben aber, dass sie mit dem Aufbau des Herzkathererlabors „vollauf beschäftigt“ sein wird. Auch mit Wolf-Dieter Nagel einen Wirbelsäulenspezalisten zu holen, sei verfrüht. Solche Spezialisierungen würden momentan keinen Sinn machen. „Es tut richtig weh, was momentan am Spital passiert“, sagt Kurth. Die niedergelassenen Ärzte treibe die Sorge um die Basisversorgung der Patienten in der Region um.
Brief an den Aufsichtsrat
In einem Brief der Kardiologen am Hochrhein an den Aufsichtsrat wurde diese Entwicklung mit Sorge betrachtet. Sie fürchten um die Versorgung der Patienten. Ein weiteres Indiz hierfür sei der Umstand, dass auch Stephan Dette, Chefarzt der Medizinischen Klinik 2, gekündigt habe. Kurth teilte mit, dass ferner die Oberärztin der Notaufnahme gehen werde. Das könne zur Folge haben, dass die Basisversorgung im Bereich der internistischen Medizin Schaden nehme.
„Das Krankenhaus Waldshut als Haus der Grund- und Regelversorgung muss als primäre und wichtigste Aufgabe die internistische Basisversorgung des Landkreises gewährleisten“, heißt es im Brief an den Aufsichtsrat (liegt der Redaktion vor). Dies sei nach der Schließung des Krankenhauses in Bad Säckingen umso wichtiger, heißt es weiter. Die Mediziner bitten auch im Namen der Patienten, um Informationen, wie das Konzept des Klinikums für die Zukunft aussehen soll.
Die Verabschiedung
Die Öffentlichkeit wurde bisher nicht von der Klinikleitung über den Weggang der Ärztin informiert. Die niedergelassenen Ärzte der Region luden die ehemalige Chefärztin nach Lauchringen ein, um ihre Verdienste zu würdigen und sie zu verabschieden. Bürgermeister Thomas Schäuble sprach von einem traurigen Anlass: „Es schmerzt, sie zu verlieren, weil sie als Chefärztin ein prägendes Gesicht des Spitals Waldshut waren.“ Und er betonte, wie sehr sie als Ärztin und Mensch von den Patienten geschätzt wurde.
Sun Ju Kim selbst hielt sich mit Erklärungen zu ihrem Abschied höflich zurück, fühlt sich weiterhin zur Loyalität verpflichtet. Sie sprach von „zeitintensiven Projekten“ bei ihrer Arbeit am Krankenhaus und vom großen Vertrauen, von dem die Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Ärzten geprägt war. Zu ihrer Tätigkeit im Spital stellte sie fest: „Es ist eine große Herausforderung, Personal und Ärzte zu bekommen. Das Personal am Krankenhaus braucht aber nicht mehr Geld – sondern mehr Wertschätzung seiner Arbeit.“
Kritik an Personalpolitik
Carsten Kurth kann die Personalpolitik im Waldshuter Krankenhaus nicht verstehen. „Es ist traurig, dass sich die Kollegen im Spital nicht vor dich gestellt haben.“ Der Mediziner, der selbst acht Jahre als Oberarzt am Spital tätig war, erwähnte das Betriebswirtschaftsstudium von Sun Ju Kim: „Wenn sie Kritik geäußert hat, wusste sie also, wovon sie sprach, das ist der Verwaltung aufgestoßen.“ Ihr Engagement sieht Kurth auch von den politischen Entscheidern nicht wertgeschätzt. „Es ist auch beschämend, dass es im Krankenhaus immer noch Menschen gibt, die Doktor Kim für die aktuelle Situation des Spitals verantwortlich machen.“
Das sagt das Klinikum zu den Vorwürfen
Die Redaktion fragte beim Klinikum Hochrhein und Landrat Martin Kistler zur Kritik der niedergelassenen Ärzte an. Aus dem Landratsamt erklärte Pressesprecherin Susanna Heim, dass sich der Landrat „nicht zum operativen Geschäft“ äußern möchte. Hans-Peter Schlaudt, Geschäftsführer der Klinikum Hochrhein GmbH, gab eine Stellungnahme zu den Vorwürfen ab.
In der Stellungnahme wird die Kündigung von Doktor Sun Ju Kim sehr bedauert. Die Entscheidung, mit Professor Doktor Strasser eine der renommiertesten Kardiologinnen Deutschlands an Bord zu holen, stehe in keinem Zusammenhang mit Doktor Kim. Die Klinikleitung habe sich für Ruth Strasser entschieden, um die medizinische Versorgung im Landkreis Waldshut weiter nach vorne zu bringen. Sun Ju Kim habe sich für einen anderen Weg entschieden.
Warum die Öffentlichkeit nichts von dieser Kündigung erfahren habe, erklärt Schlaudt so: „In einem Betrieb mit über 700 Mitarbeitern gehören Neuorientierungen zum Tagesgeschäft. Wie die meisten Unternehmen schützen wir unsere Mitarbeiter und dazu gehört für uns auch, dass Personalthemen nicht öffentlich diskutiert werden.“ Persönliche Spannungen gab es zwischen ihm und Sun Ju Kim nicht, erklärt der Geschäftsführer.
Fehlende Wertschätzung des Klinikpersonals vonseiten der Verwaltung war ein weiterer Kritikpunkt. Dazu Hans-Peter Schlaudt: „Wir befinden uns in einem Prozess der Umstrukturierung, der viele Veränderungen mit sich bringt. Aus diesem Grund lege ich besonderen Wert darauf, dass die Mitarbeiter zu jeder Zeit gehört werden. Meine Bürotür steht daher jedem offen und Wertschätzung ist mir persönlich ein besonderes Anliegen.“
Nach Informationen dieser Zeitung haben Dr. Stephan Dette, Chefarzt der Medizinischen Klinik 2, und eine Oberärztin der Notaufnahme beim Klinikum Hochrhein gekündigt. Die Klinikleitung erklärt dazu, dass Stefan Dette, seit Ende Januar nicht mehr Mitarbeiter des Klinikums ist. „Mit dem leitenden Oberarzt Doktor Hartmann haben wir bis zur Nachbesetzung einen sehr guten kommissarischen Leiter der Abteilung.“ In der Notaufnahme gebe es keine Oberärztin, deshalb sei man auf der Suche nach einer Unterstützung für Doktor Stefan Kortüm.
Die Basisversorgung im Bereich der internistischen Medizin war und sei nicht gefährdet. Mit Professor Strasser werde die Versorgung gar noch gesteigert, da „wir durch ihre Qualifikation ein Interventionsarbeitsplatz für Herzkatheter und Gefäßbehandlungen einrichten können.“ Sie sei vielen jungen Medizinern ein Begriff, deshalb bestehe die Hoffnung, junge Mediziner für das Klinikum zu begeistern. Zusätzlich wurde mit Doktor Teufel ein erfahrener Gefäßchirurg gewonnen.
Von einer Kündigungswelle von Ärzten und Klinikpersonal ist Schlaudt nichts bekannt: „Tatsächlich schätzen wir uns sehr glücklich, dass unsere Kündigungen in den letzten Monaten um 20 Prozent zurückgegangen sind. Besonders erfreut sind wir, dass sich verstärkt auch junge Ärzte für unser Klinikum entscheiden.“
„Für das Klinikum Hochrhein sehe ich erst einmal sehr gute Perspektiven. Wir haben in den letzten Jahren die notwendigen grundsätzlichen Entscheidungen getroffen“, betont der Geschäftsführer. Man lebe jedoch in Zeiten einer dynamischen Gesundheitspolitik, die die Leitung des Klinikums immer wieder mit neuen und verwaltungsintensiven Gesetzen konfrontiere. Schlaudt: „Dadurch wird die Versorgung nicht wirklich verbessert. Damit müssen wir leben oder dagegen aufstehen.“