Alkohol gehört für viele zum Alltag und ist ein Genussmittel, das mit sozialen Kontakten und Geselligkeit verbunden und auch so beworben wird. Doch das gewohnte Gläschen mit Freunden kann zum Problem werden, wenn der alltägliche Genuss zur Sucht wird. Welche Rolle Suchtmittel in der Corona-Pandemie spielten beleuchtete jüngst Dr. Andreas Jähne, Chefarzt und Ärztlicher Direktor der Oberberg Fachklinik Rhein Jura in Bad Säckingen, im Rahmen eines Onlinevortrags. Er fokussierte sich dabei auf Alkohol und pathologischen Medienkonsum.

Jähne gilt in Fachkreisen als ausgewiesener Spezialist insbesondere in der Diagnostik und Behandlung von Suchterkrankungen. In der Oberberg Fachklinik Rhein-Jura in Bad Säckingen werden seit Jahrzehnten Patienten mit stoffgebundenen und nicht stoffgebundenen Abhängigkeitserkrankungen behandelt.

Wann wird Alkohol gefährlich?

„Alkohol ist ein Zellgift, das im Körper Gewebe zerstört. Es gibt so gesehen keinen ungefährlichen Alkohol“, betonte Jähne. Aus medizinischer Sicht seien bei Männern 24 Gramm und bei Frauen 12 Gramm Reinalkohol pro Tag tolerabel, das entspricht zwei Gläsern Bier zu je 300 Millilitern bei Männern und einem Glas bei Frauen – wenn gleichzeitig mindestens zwei Tage pro Woche pausiert wird. Bleibt man bei solchen Mengen, gilt der Konsum als risikoarm.

Dr. Andreas Jähne ist Ärztliche Direktor der Oberberg-Fachklinik Rhein-Jura in Bad Säckingen. (Archivbild)
Dr. Andreas Jähne ist Ärztliche Direktor der Oberberg-Fachklinik Rhein-Jura in Bad Säckingen. (Archivbild) | Bild: Eschbach, Susanne

Riskanter Konsum beginnt über dieser als wenig gesundheitlich bedenklich definierten Schwelle, erklärte der Experte. Rauschtrinken beginne bei Männern bei fünf Standardgetränken zu einer Gelegenheit, bei Frauen ab vier. Jähne erklärte: „Von schädlichem Alkoholkonsum wird gesprochen, wenn nach aufgetretenen, nachweislich psychischen oder physischen gesundheitlichen Folgeschäden durch Alkoholkonsum dieser dennoch fortgesetzt wird.“

Wann ist man eigentlich süchtig?

Sucht-Experte Jähne stellte während des Vortrags die neueste Klassifikation und Diagnostik der Suchterkrankungen nach ICD-11 vor, ein Diagnosesystem der Weltgesundheitsorganisation WHO vor, das in Deutschland ab 2022 gültig ist. Demnach gibt es Diagnosekriterien in drei Gruppen:

  1. Die verminderte Kontrollfähigkeit über den Substanzkonsum, bezogen auf Beginn, Menge und Umstände oder Ende des Konsums, verbunden mit dem Drang zu konsumieren
  2. Körperliche Effekte, wie die Entwicklung einer Toleranz auf die Substanz, Entzugserscheinungen nach Konsumstopp oder -reduktion oder eben bewusster Konsum, um Entzugssymptome zu lindern
  3. Substanzkonsum wird fortschreitend Priorität im Leben gegeben. Anderes, wie bspw. Verpflichtungen, Freizeitaktivitäten, Partnerschaft oder Gesundheitspflege oder persönliche Körperpflege, wird ggf. vernachlässigt

„Werden zwei der drei Symptomklassen erfüllt, kann man die Diagnose einer Abhängigkeitserkrankung stellen“, so Jähne.

Warum hat Alkohol ein hohes Suchtpotenzial?

„Alkohol ist eine psychotrope Substanz, Menschen konsumieren sie durchaus, um einen bestimmten Effekt zu erzielen“, erklärte der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Doch Jähne grenzte zugleich ein: „Suchterkrankungen sind aber multifaktoriell. Es ist nicht nur die Substanz. Man geht bei den Ursachen für Suchterkrankungen mittlerweile unter anderem von einem recht hohen Anteil an Vererblichkeit aus.“

Eine Untersuchung zeigt, dass Menschen mit einem erhöhten Alkoholkonsum im Lockdown auch mehr psychiatrische Symptome aufwiesen. Abgefragt wurden Angst und depressive Symptome. Umgekehrt zeigte sich, dass das Wohlbefinden bei Menschen mit erhöhtem Alkoholkonsum abnahm. „Es lässt sich also spekulieren, dass psychiatrische Symptome und vermehrter Alkoholkonsum zusammenhängen“, fasste Jähne zusammen.

Die Folgen der Sucht

Die Folgen von hohem Alkoholkonsum sind vielfältig: So gibt es neben den als häufig angenehm empfundenen, psychotropen Effekten wie Enthemmung oder Euphorie auch negative wie Angst, Stimmungsschwankungen, beeinträchtigte Selbstkontrolle.

Hinzu kommen neurologische Komplikation wie beispielsweise gestörter Gleichgewichtssinn oder beeinträchtigte Sehfähigkeit, gesundheitliche und auch soziale Folgen. Dazu zählen Unfälle, Straftaten, Gewalttaten, ungewollte Schwangerschaften.

Zudem gibt es die psychiatrischen Folgen. „Alkohol und Depression sind sehr eng vergesellschaftet“, so der Experte. Unter den alkoholabhängigen Patienten gibt es ein bis zwei Drittel, die auch an einer Depression leiden. „Das Suizidrisiko von Menschen mit einer Alkoholabhängigkeit ist sechsmal so hoch, wie das von einem nicht alkoholabhängigen Menschen“ erläuterte Jähne.

Pathologischer Medienkonsum und Online-Spielsucht

Neben Alkohol kann aber auch die Nutzung von Medien zur Sucht werden. 14- bis 69-Jährige sind in Deutschland etwa 713 Minuten täglich mit Massen- und Individualkommunikation beschäftigt. Dabei entfallen 586 Minuten auf Mediennutzung, 127 Minuten werden mit Kommunikation verbracht. In den jugendlichen Altersgruppen ist dieser Anteil noch deutlich höher.

Dem internationalen Diagnosesystem ICD 11 zufolge liegt eine so genannte „Gaming Disorder“ vor, wenn folgende drei Kriterien erfüllt sind:

  • Beeinträchtige Kontrolle über das Spiel, beispielsweise hinsichtlich Beginn, Intensität, Dauer, Häufigkeit, Beendigung.
  • Zunehmende Priorisierung des Spielens, dem Spielen wird Vorrang vor anderen Lebensinteressen und alltäglichen Aktivitäten gegeben.
  • Fortführen des Spielens trotz des Auftretens negativer Konsequenzen.

Der Weg in die Spielsucht

Das Spielsuchtphänomen beginnt immer mit dem Positiven, Gewinnen macht Spaß, die Person überschätzt sich, die Einsätze steigen. Irgendwann kommt der Verlust. Dies will der pathologische Spieler nicht wahrhaben. Er prahlt mit Gewinnen, verheimlicht Verluste. Es mündet schließlich in der Verzweiflungsphase, in der es nur noch ums Spielen geht und die Auswirkungen so massiv werden, dass die Person sich isoliert bis hin zu psychiatrischen Krisen.

Was lässt sich tun, um den Medienkonsum zu reduzieren?

Die DAK-Studie Gaming zeige, dass die Nutzungszeiten von Kindern und Jugendlichen während des Lockdowns deutlich zugenommen haben, erläuterte Jähne. Als häufigsten Grund für die Nutzung wurde „Langeweile bekämpfen“ genannt.

„Zur Therapie von übermäßigem Medienkonsum gehört unter anderem auch, das Offline-Verhalten durch das Einladen zu anderen Aktivitäten zu stärken. Das Online-Verhalten gilt es zu reduzieren, beispielsweise durch das Aufstellen von festen Regeln, wie medienfreien Essenszeiten oder die zeitlich begrenzte Mediennutzung“, schloss Jähne und machte Mut, dass man es mit Geduld aus der Sucht schafft.

Wo gibt es Hilfe?

Bei allen Fragen von Betroffenen und Angehörigen rund um die Sucht berät unter anderem auch die Fachstelle Sucht des Landkreises Waldshut.
Kontakt: Fachstelle Sucht, Abteilung Jugend- und Drogenberatung, Bismarckstraße 16, 79761 Waldshut-Tiengen, Telefon: 07751/89677-0; Abteilung Alkohol, Medikamente, Glücksspiel, Kaiserstraße 17, 79761 Waldshut-Tiengen, Telefon 07751/89668-0; Außenstelle in Bad Säckingen: Anton-Leo-Straße 2, Terminvereinbarung unter Telefon 07751/89668-0. Weitere Informationen unter www.bw-lv.de.

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