Die großen Kuppelzelte auf den Feldern westlich der B500 sind Blickfang und Gesprächsthema bei vielen Menschen, die dort jeden Tag auf dem Weg in den Schwarzwald oder ins Rheintal vorbeifahren. Immer wieder steuern neugierige Zeitgenossen die Anlage auch direkt an, um sich persönlich einen Eindruck zu verschaffen.
Für Robin Vogelbacher, Besitzer der Anlage und Betreiber des benachbarten Käppelehof, ist das große Interesse der Menschen Anlass zur Freude: „Hier kann gerne jeder reinschauen, wir haben keine Geheimnisse.“ Seit vergangenem Sommer züchtet er Südschwarzwälder Weidehähnchen. Es ist ein Projekt, das Teil der Neuausrichtung des familiengeführten Hofes nach schweren Zeiten ist.
Nach turbulenten Jahren und Schicksalsschlägen endlich ein Lichtblick
Denn hinter den Vogelbachers liegen turbulente und aufreibende Jahre. Als Robin Vogelbacher, studierter Agrarökonom, den Betrieb von Onkel Hans-Otto Vogelbacher im Jahr 2018 im Alter von 25 Jahren übernahm, war es noch ein klassischer Bauernhof mit Schwerpunkt Milcherzeugung und Ackerbau, Familienbesitz seit neun Generationen. Der Onkel blieb dem Hof weiterhin erhalten, verstärkt wird das Team außerdem durch Robin Vogelbachers Partnerin Sarah Hilz.
Schon ein Jahr später brannte der Stall infolge eines Blitzschlags ab – ‚und danach stand die Welt einfach Kopf‘, schildert Vogelbacher. Denn mit einem Schlag sah sich die Familie mit einem Berg von Herausforderungen aus Formalitäten, Gutachten und Schriftwechsel konfrontiert. Corona und die Baupreisentwicklung hätten die Regelung des Schadens und den Wiederaufbau des Hofs enorm verzögert.
Gleichzeitig führte das Ganze aber auch zu organisatorischen Veränderungen auf dem Hof. Zunächst begann die Familie, sich stärker auf Hühner zu konzentrieren. Erster Schritt sei 2020 ein Hühnermobil gewesen. Inzwischen sorgen 700 Legehennen an zwei Standorten für frische Eier. Ackerbau und die Haltung von 70 Rindern gehören aber noch immer zum Portfolio des Hofs.
Ein Lichtblick aus Vogelbachers Sicht erfolgte dann vor zwei Jahren, als er einen Anruf aus der Schmidts Markt-Zentrale in Rickenbach erhalten habe, erinnert er sich. Der Startschuss für das Projekt Weidehähnchen war gefallen.
Einzelhändler setzt auf Regionalität und Nachhaltigkeit

Der regionale Einzelhändler, der vor 30 Jahren mit dem Südschwarzwälder Bio-Weiderind eine Marke entwickelt habe, bei der Qualität, Regionalität und Tierwohl vereint seien, war auf der Suche nach einem Partnerbetrieb, der ein solches Vorhaben im Geflügelbereich umsetzen konnte, schildert Martin Schmidt, Mitglied der dreiköpfigen Geschäftsführung: „Hähnchenfleisch erfreut sich immer größerer Nachfrage, jedoch sind die Haltungsbedingungen häufig fragwürdig.“ Etliche Skandale der vergangenen Jahre hätten das Kundenvertrauen außerdem erschüttert.
Hier hätten die Schmidts Märkte mit dem Südschwarzwälder Weidehähnchen ein neues Konzept entgegenstellen und mit einem regionalen Partner realisieren wollen, so Schmidt weiter. In Zusammenarbeit mit namhaften Experten sei das Unternehmen schließlich mit Vogelbacher ins Gespräch gekommen und einig geworden.
Hühnerzucht auf über 900 Metern Höhe

Dass der Südschwarzwald an sich kein ideales Gebiet für die Hühnerzucht sei – noch dazu auf über 900 Höhenmetern – sei dabei ein eher zu vernachlässigendes Problem gewesen, so Martin Schmidt. Viel wichtiger seien derweil die Möglichkeiten gewesen, möglichst nachhaltige Haltungsbedingungen zu bieten, um die höchste Haltungsstufe 4 erfüllen zu können. All das habe sich in Zusammenarbeit mit dem Käppelehof umsetzen lassen, wie Schmidt erklärt
Dazu zählt die Wahl der Hühnerrasse: „Wir haben hier zwei sehr langsam wachsende Rassen, die gerne auf die grüne Wiese gehen, sobald sie groß genug sind.“ Auf diese Weise können die Tiere ihren natürlichen Instinkten frönen und haben Bewegung. Dass sie dabei nicht Fressfeinden aus der Luft oder am Boden zum Opfer fallen, dafür sorgen Alpakas. Diese gelten als überaus aufmerksam und wehrhaft, und sind so etwas wie flauschige Leibwächter der Hühner.
Die Weidehähnchenzucht im Vergleich zu konventioneller Mast
Die Tiere werden als Tagesküken von einem Bio-Hof in Eppingen nach Tiefenhäusern geliefert. Schlachtreif sind sie nach etwa zwei Monaten. Damit lebten Weidehähnchen etwa doppelt so lange wie Artgenossen in konventionellen Hühnermastbetrieben, rechnet Robin Vogelbacher vor.
Insgesamt sind in den drei Zeltgebäuden an der Bundesstraße, bei denen es sich um mobile Stallanlagen handelt, 5400 Tiere untergebracht – pro Anlage 1800, gestaffelt nach Alter. Das sei im Vergleich zu konventionellen Geflügelmastbetrieben überschaubar, so Vogelbacher: „Bei vielen geht es erst bei einigen zehntausend Tieren los.“
Das bestätigen auch Erkenntnisse des Verbunds „Meine Landwirtschaft“, ein Zusammenschluss von 50 Umweltschutz- und Sozialverbänden, der sich für verbesserte Bedingungen bei der Tierhaltung einsetzt. Demnach würden in sogenannten „Megaställen“ in Niedersachsen bis zu 40.000 Tiere gehalten: „Je nach Vorgabe des Schlachthofes lebt ein Masthuhn meist zwischen 28 und 42 Tage zusammen mit bis zu 23 Artgenossen auf einem Quadratmeter Stallfläche“, heißt es in einer Studie, die der Verbund auf seiner Homepage veröffentlicht.
Artgerechte Haltung im Fokus
Von solchen Dimensionen ist der Käppelehof weit entfernt. Außerdem biete jeder Stall die Möglichkeit artgerechter Haltung nach jeweiligen Entwicklungsstadien der Tiere. „Die Küken brauchen noch sehr viel Wärme, daher gibt es hier einen beheizten Bereich“, schildert Vogelbacher. Die älteren Tiere haben Zugang zur Weide, wo sie sich gerade an warmen Tagen vorzugsweise aufhalten.
Dazu befindet sich im Innern der mobilen Gebäude kein Boden, sondern im Grunde werde einfach die Wiese überdacht, so dass die Tiere ihren Scharr- und Pick-Trieb auch im Innern der Gebäude ausleben können. Während der kalten Monate würden lediglich Gummimatten als Frostschutz ausgelegt, so Vogelbacher.
Dass die Tiere in mobilen Stallanlagen untergebracht sind, habe derweil auch hygienische Vorteile, wie Schmidt und Vogelbacher darstellen: „Die Standorte werden in regelmäßigen Abständen verlagert. Dadurch wird die Gefahr bakterieller Infektionen reduziert.“ Zudem ließen sich die Zeltkonstruktionen leichter reinigen. Auf diese Weise könne auch auf den Einsatz von Antibiotika verzichtet werden.
Kurze Wege von der Zucht bis zum Verkauf
Ein weiterer Grundsatz der Weidehähnchenzucht zielt auf kurze Wege ab. „Wichtig war uns auch, dass die Tiere größtenteils mit Futter aus eigener Produktion versorgt werden können“, erklärt Martin Schmidt. Gerade in krisenträchtigen Zeiten wie im Moment erweise sich dies auch bei der Preisentwicklung als Vorteil.
Nicht zu unterschätzen sei auch der Schlachthof direkt am Hof. Auch hier handelt es sich um eine mobile Anlage, die von Fachleuten des Schmidts Markts genutzt werde. Die Besonderheit sei die EU-Zertifizierung, sodass alle gängigen Standards in Sachen Hygiene und Tierwohl erfüllt würden, so Schmidt. Besonders werde den Tieren aber ein stundenlanger Transport erspart.

Wie das Landratsamt Waldshut auf Nachfrage bestätigt ist der mobile Schlachthof in Tiefenhäusern sogar der einzige EU-zertifizierte Geflügelschlachthof im Landkreis. Wie Behördensprecherin Julia Fohmann-Gerber darstellt, müssten hierfür strenge Anforderungen an die Lagerung des Fleisches, die Kühlung, die Lebensmittel- und Schlachthygiene erfüllt werden. „Auch auf Tierschutz muss Wert gelegt werden, zum Beispiel bei der Betäubung, und das Personal muss entsprechend geschult sein“, so Fohmann-Gerber.
Wie Martin Schmidt erklärt, werde die Einhaltung der Vorgaben elektronisch überwacht. Alle Daten vom Schlachtverlauf würden automatisch gespeichert und seien jederzeit einsehbar. Nach Schlachtung würden die Hähnchen vor Ort auf 5 Grad heruntergekühlt, in die ebenfalls EU-zertifizierte Hausküche der Schmidts Märkte nach Bad Säckingen zur Weiterverarbeitung gebracht und anschließend in die Märkte verteilt.