Wenn es in einer Beziehung kriselt, wenn vielleicht sogar Gewalt und Missbrauch im Spiel sind, fällt niemandem leicht, sich Rat oder gar Hilfe zu holen. Das gilt natürlich vor allem für die Betroffenen. In der Mehrzahl sind es Frauen, die zuhause übergriffigem und erniedrigendem Verhalten ausgesetzt sind, heißt es dazu seitens der Telefonseelsorge Lörrach-Waldshut. Und die Institution kennt sich diesbezüglich aus, denn bevor sie zur Polizei gehen oder ein Frauenhaus kontaktieren, greifen Betroffene eher zum Hörer und nutzen dieses Angebot an.
Für die ehrenamtlichen Mitarbeiter dort sind derartige Anrufe eine große Herausforderung. Häufig sei der erste Impuls, konkret helfen und Ratschläge geben zu wollen, obwohl das ist nicht ihre Aufgabe sei, wie Arnold Holz, stellvertretender Vorsitzender der Telefonseelsorge in einer Miteilung erklärt: „Vielmehr sollen sie einfühlsam zuhören, verständnisvoll trösten und Mut zusprechen, um sich professionelle Hilfe zu holen.“
Hier gibt es Hilfe für Betroffene von häuslicher Gewalt
Voraussetzung dafür, dies kompetent leisten zu können, sei allerdings, dass die Mitarbeiter über entsprechendes Hintergrundwissen verfügen: Was geht in einem Menschen vor, dem psychische, physische oder sexualisierte Gewalt angedroht wird oder der gar davon betroffen ist? Welche Anzeichen gibt es, welche Hilfsangebote gibt es in der näheren Umgebung, auf die verwiesen werden kann?
Gerade die Corona-Pandemie, die damit verbundenen Beschränkungen und weitreichenden Restriktionen haben diesbezüglich für eine Menge von Problemen gesorgt, die häufig erst mit großer zeitlicher Verzögerung bei den zuständigen Stellen ankommen. „Nach einer Zeit der Stille während des Lockdowns folgte eine Welle von Anfragen“, weiß Marlies Sonntag, Leiterin des Frauenhauses Waldshut. „Das war uns klar. Denn wenn die ganze Familie daheim ist, nehmen die Konflikte zu und gleichzeitig gibt es wenig Möglichkeiten, sich unbeaufsichtigt über Hilfe und Unterstützung zu informieren.“
Im Wesentlichen gehe es in den familiären Auseinandersetzungen immer darum, Macht und Kontrolle über den anderen auszuüben, sei es durch Einschüchterungen, abwertende Kommentare und Beschimpfungen bis hin zu körperlichen und seelischen Misshandlungen. Über diese Mechanismen Bescheid zu wissen und bereits im telefonischen Kontakt erste Anzeichen zu erkennen ist Voraussetzung, um auf die passenden Hilfsangebote verweisen zu können, sagen die Verantwortlichen der Telefonseelsorge.
Wie sich eine Gewaltspirale aufbauen kann, das weiß Maria Fischer-Hülser, Leiterin der psychologischen Beratungsstelle für Ehe-, Familien- und Lebensfragen in Waldshut-Tiengen genau. Häufig seien es kleine Konflikte, verbunden mit der Nichtbeachtung der Bedürfnisse des anderen, die sich immer mehr aufschaukeln und schließlich zu einem Eklat führen: „Hierbei können sowohl Frauen als auch Männer die Auslöser sein.
Dazu gibt es aber keine verlässlichen und repräsentativen Studien“, so Fischer-Hülser. Denn koste es schon eine Frau Überwindung, sich Hilfe zu holen, sei es für einen Mann ungleich schwerer. Männer schämten sich zuzugeben, wenn sie von ihrer Frau tyrannisiert oder geschlagen würden.