Herr Kistler, Sie haben in der jüngsten Sitzung des Kreistags angekündigt, sich im kommenden Jahr um eine zwei Amtszeit als Landrat des Landkreises Waldshut zu bewerben. Warum?

Das Amt macht mir sehr viel Freude. Ich kann in entscheidender Position daran mitwirken, unsere Heimatregion voranzubringen. Wir haben in den vergangenen Jahren viel erreicht und wichtige Projekte angestoßen, aber vieles ist noch nicht zu Ende gebracht. Um diese zum Erfolg zu bringen, bedarf es noch großer Anstrengungen. Wir sind sozusagen „in vollem Lauf“. Hinzukommt, dass die Zusammenarbeit mit den Kreisrätinnen und Kreisräten, meinen Mitarbeitern in der Verwaltung, den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern und ganz vielen Partnern des Landkreises hervorragend funktioniert.

Wie war die Resonanz auf die Ankündigung?

Bislang nur positiv, sowohl aus den Reihen des Kreistags, von den Bürgermeistern wie auch aus der Bevölkerung habe ich viel Zuspruch erhalten.

Was ist Ihnen in den vergangenen sieben Jahren als Landrat besonders gut gelungen?

Worauf ich stolz bin, ist die Gründung des Zweckverbands Breitband mit allen Gemeinden, des Kreises, dem Landkreis selbst und der Gemeinde Schluchsee. Das war die Grundlage, dass wir in Genuss großer Fördermittel gekommen sind. Wir haben deutlich über 100 Millionen Euro erhalten, der Landkreis alleine 26 Millionen Euro Zuschuss für den Bau des Backbone, der vor der Vollendung steht. Das war einer der ersten großen Erfolge, auch die Umsetzung läuft gut, nach und nach entstehen die Ortsnetze in den Gemeinden. Das ist aber der Verdienst von vielen Mitstreitern. Was erreicht wurde, ist in gutem Miteinander und enger Zusammenarbeit gelungen. So konnten auch die beiden großen Krisen, die in meine Amtszeit fielen, die Flüchtlings-Unterbringung 2015/16 und die Corona-Pandemie, bisher gemeistert werden. Wir konnten vieles auf den Weg bringen, wie die Autobahnplanung durch und mit der Deges, bei der unsere Abgeordneten auf Bundes- und Landesebene sehr geholfen haben. Wir haben eine kommunale Gesundheitskonferenz ins Leben gerufen, der Landkreis wird mit dem geplanten Institut für Gesundheit Fachhochschulstandort, wir streben die Gründung des Zentrums Holzbau Schwarzwald an, die Elektrifizierung der Hochrheinstrecke ist wieder ins Rollen gekommen und auf Kurs, das Hospiz nimmt langsam Gestalt an. Auch in unseren Schweizthemen sind wir gut unterwegs, gemeinsam mit den Nachbarlandkreisen Konstanz und Schwarzwald-Baar haben wir nicht nur einen für uns nachteiligen Staatsvertrag, sondern auch ein für die Region nachteiliges Betriebskonzept für den Flughafen verhindert. Und – und das ist nicht selbstverständlich – wir als Landkreis werden in der Schweiz als ernst zu nehmender Akteur wahrgenommen. Das zeigt sich vor allem auch in einer engen und guten grenzüberschreitenden Zusammenarbeit mit unseren direkten Nachbarn.

Landrat Martin Kistler (rechts) im Gespräch mit Kai Oldenburg, Leiter der Lokalredaktion Waldshut. Bild: privat, Tobias Herrmann, ...
Landrat Martin Kistler (rechts) im Gespräch mit Kai Oldenburg, Leiter der Lokalredaktion Waldshut. Bild: privat, Tobias Herrmann, Landratsamt Waldshut | Bild: privat, tobias herrmann, landratsamt waldshut

Das klingt nach ganz viel Martin Kistler?

Das möchte ich eigentlich so gar nicht hören. Auch wenn man in dieser Aufgabe natürlich Ideengeber sein muss. Ich sehe mich natürlich in einer gestaltenden und nicht nur verwaltenden Rolle. Mein Verständnis ist aber vor allem das eines Mannschaftsspielers. Deshalb freue ich mich eben sehr über die gute Zusammenarbeit in den Kreisgremien, mit den Bürgermeistern, unseren Abgeordneten und innerhalb der Kreisverwaltung. Dass es uns auch gelungen ist, in Stuttgart eine positive Wahrnehmung zu erreichen, ist diesem Miteinander geschuldet. Besonders hervorheben möchte ich auch die Zusammenarbeit mit den Nachbarlandkreisen. Allein hätte ich nichts erreichen können.

Gibt es auch Themen, deren Umsetzung nicht gut gelaufen sind?

Nur wer nichts macht, macht keine Fehler. Und natürlich: Es läuft auch nicht immer alles rund. Viel Grund zu diesbezüglicher Klage habe ich aber nicht. Wo ich mir allerdings einen anderen Verlauf gewünscht hätte, ist zweifellos die Entwicklung unserer Krankenhauslandschaft. Hier war ich anfangs der Überzeugung, dass beide Häuser bis zum Bezug des zentralen Neubaus eine Zukunft haben. In dieser Situation war die Kommunikation rückblickend betrachtet, nicht optimal. Aber im Ergebnis bleibt: Wir haben die Gesundheitslandschaft im Landkreis neu geordnet und zukunftsfähig aufgestellt. Bei den herrschenden Rahmenbedingungen eine Herkulesaufgabe. Mit dem geplanten Neubau des Zentralklinikums in Albbruck, dem dort um das Klinikum entstehenden Gesundheitspark und dem im Aufbau befindlichen Gesundheitscampus in Bad Säckingen wird dies gelingen. Schließlich hat der Landkreis im Jahr 2018 100 Prozent der Anteile der Klinikum Hochrhein GmbH übernommen, nachdem er lange Zeit nur Minderheitsgesellschafter war. Für den Landkreis haben wir damit ein zukunftsweisendes Gesamtkonzept auf den Weg bringen können, auch wenn der Weg zum Ziel ein schmerzlicher war – auch für mich persönlich.

Wie würden Sie die Zusammenarbeit dem Kreistag bewerten?

Die Zusammenarbeit mit dem Kreistag würde ich rundweg als positiv bezeichnen. Er hat mich durch alle Entscheidungen getragen. Besonders dankbar bin ich für den Vertrauensvorschuss, der mir entgegengebracht wird, aber auch für das konstruktive Miteinander. Das hat sich insbesondere in der Pandemie wie auch bereits in der Flüchtlingskrise gezeigt. Nicht nur diese Situationen konnte ich tatkräftig und beherzt angehen, weil ich um das Vertrauen des Gremiums wusste.

Sie werden auch immer wieder aus Ihrer ehemals eigenen Fraktion, also aus den Reihen der FDP, kritisiert. Halten Sie diese Kritik für gerechtfertigt?

Viel Kritik ist es ja nicht gewesen. Soweit mir bzw. der Verwaltung der Vorwurf fehlender Transparenz gemacht wird, die einzige Kritik meiner ehemaligen Fraktionskollegen, muss ich Klaus Denzinger entschieden widersprechen. Wir beraten öffentlich, was öffentlich zu beraten ist. Auf dem Weg zum Zentralkrankenhaus etwa, stellen wir die größtmögliche Transparenz her.

Das könnte Sie auch interessieren

Hierzu können alle Schritte auf der eigens von uns eingerichteten Homepage (www.gesundheitspark-hochrheinwww..de) verfolgt werden. Es gibt aber Phasen, in denen Schritte noch nicht beratungs- geschweige denn entscheidungsreif sind, sondern sich noch in einem frühen Arbeitsstadium befinden. Öffentliche Gremienberatungen sind zu diesem Zeitpunkt schlicht noch nicht möglich. Die Behauptung, dass wir hier intransparent arbeiten, ist deshalb unbegründet. Vor allem aber erweckt sie einen falschen Eindruck bei den Bürgerinnen und Bürgern.

Wie ist der Landkreis Waldshut aus Ihrer Sicht durch die Corona-Krise gekommen?

Wenn wir uns die Möglichkeiten anschauen, die wir vor Ort haben, sind wir durch Corona bislang ordentlich durchgekommen. Das lag zum einen an der neu gewonnenen Leistungsstärke unseres Klinikums. Zum anderen war das enge und vertrauensvolle Zusammenwirken von Landkreis, Gemeinden, Landrat, Bürgermeister, Ärzteschaft und Hilfsorganisationen von besonderer Bedeutung. Das Kreisimpfzentrum in Tiengen hat hervorragend gearbeitet. Aber auch unsere dezentrale Impfstrategie hat sich bewährt. Hier waren wir sehr innovativ unterwegs. Nehmen wir als aktuelles Beispiel unseren Impf-Bus. Er ist eine Erfolgsgeschichte. Anfangs war sein Einsatz nur in den Sommerferien vorgesehen. Aufgrund der erfreulichen Resonanz, ist er heute immer noch unterwegs. Besonders danken möchte ich auch meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Landratsamt, die sich sehr stark engagiert haben, exemplarisch darf ich die Kontaktpersonennach-verfolgung nennen, oder aber auch die Corona-Hotline, mit der wir für unsere Bürger eine wichtige Anlaufstelle sind.

Was sind die drei wichtigen Themen der kommenden acht Jahre für Sie?

Zum einen gilt es die angefangenen Infrastrukturmaßnahmen in der Gesundheitsversorgung, insbesondere den Neubau des Klinikums, und in unseren Verkehrsthemen erfolgreich zu realisieren, sowie den flächigen Glasfaserausbau zu vollenden. Des Weiteren muss die Digitalisierung weiter vorangetrieben werden. Dieser Transformationsprozess stellt vieles bisherige in den Schatten und betrifft alle Lebensbereiche, so natürlich auch die Aufstellung der Kreisverwaltung. Zum anderen müssen Klimawandel und Klimaanpassung kraftvoll angegangen und gestaltet werden.

Das geplante Zentralkrankenhaus ist das Zukunftsthema Nummer eins für und im Landkreis. Ist das Vorhaben tatsächlich schon in trockenen Tüchern? Es gibt immer wieder Stimmen, die sagen, sie glauben erst dann an das neue Spital, wenn die Bagger tatsächlich rollen.

Diese Stimmen höre ich nicht. Das Ganze ist ein komplexes Vorhaben, aber wir kommen gut voran. Der politische Wille des Kreistags ist da, die Unterstützung aus Stuttgart ist gegeben und die Zusammenarbeit mit der Gemeinde Albbruck gestaltet sich hervorragend. In dem kurzen Zeitfenster seit 2017 sind wir schon sehr weit gekommen. Indes, es gibt noch viele Meilensteine zu erledigen. Bevor eben ein Bau sichtbar wird, muss gut geplant werden. Auch die Förderung in größtmöglicher Höhe muss am Ende des Tages wie von Sozialminister Manfred Lucha zugesagt, dann auch fließen.

Werden Sie als Landrat des Landkreises Waldshut a) noch auf der elektrifizierten Hochrheinbahn und b) auf einer durchgängigen A98 von Weil am Rhein bis Lauchringen fahren?

Zu a: Wenn der Kreistag mich im kommenden Jahr wiederwählt und ich gesund bleibe, dann bin ich überzeugt davon, soll die Elektrifizierung doch bis spätestens 2027 erfolgt sein.

Das könnte Sie auch interessieren

Zu b: Baubeginn im Westen, Abschnitt A 98.6 könnte Ende der 20er Jahre sein, im Raum Waldshut-Tiengen, Abschnitte A 98.8 und 9 am Anfang der 30er Jahre. Die entscheidenden Weichen für beide Projekte werden aber in den kommenden Monaten und Jahren gelegt, also in dieser und in der nächsten Amtsperiode. Ich will mich weiterhin kraftvoll für die Realisierung einsetzen, und halte Kontinuität deshalb auch für wichtig, weil große raumbedeutsame Vorhaben leider nur sehr langsam vorankommen. Umso wichtiger ist eine klare Haltung der Region.

Nachhaltigkeit ist das große Thema der Zeit. Wie ist der Landkreis in diesem Punkt aufgestellt?

Grundsätzlich müssen alle unsere Bemühungen nachhaltig sein. Nachhaltigkeit ist aber ein strapazierter Begriff, ich will es lieber an konkreten Beispielen festmachen: Der Landkreis bezieht Strom aus regenerativen Energien. Wir entwickeln eine nachhaltige Mobilität, ich darf da etwa die Elektrifizierung der Hochrheinstrecke als ganz wichtigen Baustein des ÖPNV nennen. Aus der Waldschadenssituation heraus erarbeiten wir eine nachhaltige klimastabile Wiederaufforstungsstrategie. Es gibt aber noch viel zu tun!

Wie viele Tage gab es, an denen sie sich in Ihren alten Beruf als Anwalt zurückgesehnt haben?

Auch wenn ich sehr gerne als Anwalt gearbeitet habe, hat es tatsächlich keinen solchen Tag gegeben. Auch dann nicht, wenn es einmal schwierig war. Als Landrat habe ich viele Gestaltungsmöglichkeiten und kann Dinge bewegen, komme mit vielen Menschen in Kontakt und habe interessante Begegnungen, das gefällt mir. Ich gehe in dieser gestaltenden Aufgabe auf.

Auf dem Weg zum Zentralklinikum im Kreis Waldshut