Kaum eine Diskussion erhitzt derzeit die Gemüter derart, wie die Frage nach einer deutschlandweiten Impfpflicht. Gerade Krankenhäuser und Pflegeheime, für deren Mitarbeiter bereits eine sogenannte einrichtungsbezogene Impfpflicht beschlossen wurde, stehen nun vor dem Problem, Personal zu verlieren.

Denn zwischen zehn und 15 Prozent der Beschäftigten im Gesundheitswesen können oder wollen sich aus unterschiedlichen Gründen nicht impfen lassen. Auch am Klinikum Hochrhein sieht die Situation ähnlich aus: Derzeit sind etwa 130 der 850 Krankenhausmitarbeiter (rund 15 Prozent) nicht geimpft.

Drohende Abwanderung: In der Schweiz gibt es bisher keine Impfpflicht

Klinikum-Geschäftsführer Hans-Peter Schlaudt befürchtet, dass ungeimpfte Mitarbeiter im Falle einer Impflicht in die nahe Schweiz wechseln könnten.

Hans-Peter Schlaudt, Geschäftsführer Klinikum Hochrhein
Hans-Peter Schlaudt, Geschäftsführer Klinikum Hochrhein | Bild: Schlichter, Juliane

„In der Schweiz ist die Impfpflicht bislang kein Thema, sodass davon auszugehen ist, das, wenn wir unsere ungeimpften Mitarbeiter nicht weiter beschäftigen dürfen, diese 15 Kilometer weiter ohne Probleme einen Job finden werden.“ Tritt dieser Fall ein, könne eine medizinische Versorgung der Menschen vor Ort nicht mehr garantiert werden.

Schlaudt: „Wir riskieren die flächendeckende medizinische Versorgung!“

„Es ist davon auszugehen, dass die Gesundheitsämter im Auftrag des Gesetzgebers
den Impfstatus der Gemeldeten anfragen und eine Frist zur Vorlage des Impfnachweises festsetzen müssen.

Verstreicht diese Frist ungeimpft, so könnten die Beschäftigten gemäß Gesetz ein Zutrittsverbot zu ihren Arbeitsplätzen erhalten“, erklärt Hans-Peter Schlaudt. Was das für den Klinikbetrieb bedeuten würde, ist für Schlaudt klar. „Wir riskieren die flächendeckende medizinische Versorgung!“

Klinikum-Geschäftsführer: „Ein Exempel statuieren zu wollen, ist kontraproduktiv“

Die Berufsgruppe der Pflege stellt im Klinikum Hochrhein den größten Teil der ungeimpften Mitarbeiter dar. „Die Beweggründe sind ganz unterschiedlich. Einige warten auf einen anderen Impfstoff, andere haben grundsätzliche Bedenken und manche haben einfach Angst oder lehnen die staatliche Bevormundung und den Eingriff in die körperliche Unversehrtheit ab. Für uns als Arbeitgeber spielt das grundsätzlich keine Rolle, denn es geht uns schlichtweg nichts an. Egal, wie man zum Impfen steht, am Ende ist es auch eine persönliche Entscheidung“, so Schlaudt.

„Gerade die Pflege hat in den vergangenen zwei Jahren Außerordentliches geleistet, an dieser Berufsgruppe ein Exempel statuieren zu wollen und damit die Funktionsfähigkeit der Kliniken in Frage zu stellen, ist kontraproduktiv. Wir reden hier immerhin von einem Bereich, wo das Risiko der Virusübertragung durch Schutzvorkehrungen wie Schutzkleidung, regelmäßige Händedesinfektion und FFP2-Masken deutlich reduziert ist.“

Landkreistags-Präsident für Aufschub der Impfpflicht

Um die Versorgungssicherheit im pflegerischen Bereich zu gewährleisten, plädiert Joachim Walter, Präsident des Landkreistags Baden-Württemberg und Tübinges Landrat, in einem Brief an Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach „dringend für einen Aufschub der geplanten einrichtungsbezogenen Impfpflicht“. Diese würde vor allem ein „Behördenbeschäftigungsprogramm ohne erkennbare positive Auswirkungen auf das pandemische Geschehen“ bedeuten und die Versorgungssicherheit im pflegerischen Bereich massiv gefährden.

Der Beschluss des Bundestags sei im Dezember gefasst worden – auf Basis der damals vorherrschenden Delta-Variante. Zu der Zeit sei es auch richtig gewesen, sich mit einer Impfpflicht auseinanderzusetzen, so Walter. Aber mit Blick auf die derzeit vorliegenden Erkenntnisse über die milderen Verläufe bei der Omikron-Variante müsse genau abgewogen werden, ob die „Inpflichtnahme von Menschen, die einen bestimmten Beruf ausüben, gerechtfertigt ist“, schreibt Walter.

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