
Ganz Deutschland redet von einem „harten Lockdown“, den das Land bräuchte, um die dritte Corona-Welle zu brechen. Im Kreis Waldshut könnten allerdings schon ab Donnerstag wieder Lockerungen möglich sein – zumindest nach den aktuell geltenden Regeln. Wenn ein Landkreis fünf Tage in Folge eine Inzidenz unter 100 feststellt, kann die erst seit kurzem geltende „Notbremse“ wieder gelockert werden. Damit wären beispielsweise „körpernahe Dienstleistungen“ wie Kosmetik-, Nagel-, Massage-, Tattoo-, Piercing- und Sonnenstudios sowie rein kosmetische Fußpflege wieder erlaubt. Auch das Einkaufen im Einzelhandel mit „Click & Meet“ (Öffnung nach Terminvergabe) wäre wieder möglich.
Entscheidend für die Feststellung der Inzidenz sind die Zahlen des Landesgesundheitsamts. Am Dienstag, 6. April, hat die Behörde für den Kreis Waldshut zum vierten Mal in Folge einen Wert unter 100 festgestellt. (Samstag: 97,7; Sonntag: 82,5; Ostermontag: 91,8; Dienstag: 77,8) Liegt die Zahl auch am Mittwochabend unter 100, könnte der Landkreis die Notbremse also lösen. Dann würden die Einschränkungen vom Landratsamt formell zum Donnerstag aufgehoben. Zumindest solange Bundes- und Landesregierung nichts anderes beschließen.

Doch wie kommt es überhaupt zu so einem deutlichen Absinken der Fallzahlen in so kurzer Zeit? Zur Erinnerung: Erst vor 12 Tagen, am 26. März, hatte der Landkreis Waldshut selbst eine Inzidenz von 140,9 angegeben. War nicht sogar ein Anstieg durch die deutlich ansteckenderen Mutationen befürchtet worden?
1. Grund: Osterferien
Tatsächlich sind die Zahlen, die die Kreisgesundheitsämter aktuell feststellen, derzeit wenig belastbar. Dies liegt unter anderem an den Osterfeiertagen, an denen sowohl Behörden als auch Labore nicht im Vollbetrieb arbeiteten. Landesweit lagen vor Ostern noch 26 der 44 Land- und Stadtkreise in Baden-Württemberg über dem kritischen 100er-Wert, am gestrigen Dienstag waren es nur noch 18. Flächendeckend kam es also zu einem deutlichen Rückgang der gemeldeten Zahlen.
2. Grund: Technikprobleme
Dass der Kreis Waldshut nun seit mehreren Tagen wieder unter dem Grenzwert liegt, hat aber noch zwei andere Gründe: Zum einen wurde dem Landesgesundheitsamt am gestrigen Dienstag kein einziger neuer Fall gemeldet – offenkundig aufgrund eines technischen Fehlers. Solche Übermittlungsfehler kommen immer wieder vor – haben aber nur selten solche folgenreiche Auswirkungen, dass damit ein Grenzwert entscheidend unterschritten wird.
3. Grund: Verzögerte Übermittlungen
Ein weiterer Grund für die niedrigen Waldshuter Zahlen liegt im Meldesystem des Kreisgesundheitsamts, konkret: an der verzögerten Meldung. Zwar veröffentlicht das Landratsamt täglich gegen 15 Uhr eine aktuelle Fallstatistik, an das Landesgesundheitsamt nach Stuttgart werden die Zahlen aber erst um 17 Uhr übermittelt. Dort ist allerdings schon um 16 Uhr der „Stichzeitpunkt“ für die tägliche Inzidenzberechnung. „Der Landkreis übermittelt seine Zahlen um 17 Uhr an das Landesgesundheitsamt, dieses aktualisiert jedoch die Zahlen erst am Folgetag“, schreibt das Landratsamt in seiner täglichen Meldung. Was nach harmlosen Verschiebung klingt, hat aber entscheidende Folgen.
Es gibt nämlich noch eine etwas komplizierte Besonderheit bei der Erfassung der positiven Corona-Fälle: Das Landesgesundheitsamt unterscheidet nämlich in seinem täglichen statistischen Bericht zwischen „Übermittlungszeitpunkt“ (also, wann der positive Fall dem Landesgesundheitsamt übermittelt wurde) und „Meldezeitpunkt“ (der Zeitpunkt, wann der positive Fall dem Kreisgesundheitsamt bekannt geworden ist). Wichtig: Nur der Meldezeitpunkt ist für die Berechnung der 7-Tage-Inzidenz maßgeblich.
Die verspätete Meldung um 17 Uhr führt nun dazu, dass für die Berechnung der Sieben-Tage-Inzidenz nur die Fälle von sechs Tagen zur Verfügung stehen, also quasi nur eine „Sechs-Tage-Inzidenz“ errechnet wird. Es gilt also: Je größer der Abstand zwischen „Meldezeitpunkt“ und „Übermittlungszeitpunkt“, desto niedriger wird die Inzidenz. Durch die Verzögerung der Meldung kommt es nicht zu einer zeitlichen Verschiebung der Daten, sondern zu einer Verringerung der relevanten Fallzahlen.
Verzögerung mit Folgen
Dies weiß auch das Landesgesundheitsamt: „Verzögerungen bei der standardisierten Falldatenübermittelung an das LGA können auch dadurch bedingt sein, dass die Gesundheitsämter vor Ort als erste Priorität die notwendigen Infektionsschutzmaßnahmen einleiten sowie die Kontaktpersonen recherchieren, um Infektionsketten so schnell wie möglich unterbrechen zu können“, erklärt das Landesgesundheitsamt.
Im Extremfall kann es (zum Beispiel bei Feiertagen oder bei Überlastung der Labore) sogar vorkommen, dass Fälle erst dann nach Stuttgart übermittelt werden, wenn das erste Meldedatum schon länger als sieben Tage zurückliegt. Solche Fälle gehen dann gar nicht mehr in die Inzidenzberechnung ein. Tatsächlich werden dem LGA aus Waldshut deutlich mehr Fälle übermittelt, als letztlich in die Statistik zur Berechnung der Inzidenz eingehen.
Dass nicht alle Landkreise mit verzögerten Meldungen für verwirrende Zahlen sorgen, beweist der Landkreis Lörrach: Er übermittelt seine Zahlen täglich um 15.30 Uhr nach Stuttgart, somit gehen die aktuellen Zahlen direkt in die Statistik des Landesgesundheitsamts ein. Eine Differenz zwischen den an das Kreisgesundheitsamt gemeldeten und den am das LGA übermittelten Zahlen besteht nicht.