Herr Scheel, bei uns ist die Elektrifizierung der Hochrheinstrecke in aller Munde, sie wird allgemein begrüßt und als überfällig angesehen, was sagen Sie dazu?
Grundsätzlich sehe ich die Elektrifizierung der Hochrheinstrecke positiv, aber auch diese Art von Mobilität hat ihren Preis. Es sind die möglichen Güterzüge. Im Moment läuft das Planfeststellungsverfahren für die Strecke Basel bis Erzingen. Es geht langsam aber sicher voran. Problematisch ist für mich, dass die Gleise sehr nah an der Bebauung vorbeiführen.

Durch die Oberleitung, also den Fahrdraht, fließen 15000 Volt. Selbst bei einem Meter Entfernung vom Fahrdraht kann man schon einen Stromschlag bekommen. Es gibt jedes Jahr einige Todesfälle, weil sich Menschen leichtsinnig dem stromführenden Draht näherten. So auch in den 70er Jahren in Wehr. Nicht umsonst ist das Betreten von Bahngelände grundsätzlich verboten. Weiterhin sehe ich, dass die Elektrifizierung Begehrlichkeiten der Schweiz wecken könnte.
Was meinen Sie damit genau?
Die Schweiz hätte diese Strecke gern als Umfahrung von Muttenz, ihrem großen Rangierbahnhof vor Basel. Sie könnte Richtung Deutschland auch auf französischer Seite umfahren. In der EU gibt es Verträge, die der Schweiz das Recht zusprechen, die deutsche Strecke zu nützen.
Für solche Umfahrungen ist meiner Ansicht nach die Strecke auch nach einer Elektrifizierung nicht leistungsfähig genug. Und wie werden die Leute reagieren, wenn nachts hier die Güterzüge durchdonnern?
Ich habe gelesen, das 9-Euro-Ticket war kürzlich auch Thema bei Ihrem Stammtisch – macht dieses Ticket Ihrer Ansicht nach Sinn?
Das 9-Euro-Ticket ist eine Aktion der Politik, die erst handelt und dann die Beteiligten fragt. Bei allen Vorteilen für die Bürger, dürfen wir nicht übersehen, dass es auch Menschen gibt, die diese Leistungen erbringen müssen und das unter zum Teil unmenschlichen Bedingungen. Für die Umsetzung hatte und hat die Bahn nicht ausreichend Fahrzeuge.
Wer macht schon gerne Dienst, wenn er überfüllte Züge zu begleiten hat. Es gab Züge, bei denen wegen Überfüllung ein Teil der Fahrgäste wieder aussteigen musste. Dies war nur mit polizeilicher Hilfe durchzusetzen. Die Bahngewerkschaften haben schon im Vorfeld ausreichend auf die Mängel hingewiesen.
Was gab den Anstoß für Ihre Gründung des Eisenbahnerstammtisches?
2001 wurde die Betriebsführung der Bahnhöfe am Hochrhein nach Karlsruhe verlegt und die Züge von dort ferngesteuert. Damit waren die Bahnhöfe am Hochrhein personell nicht mehr besetzt. Wir Ruheständler hatten kaum noch Ansprechpartner, weil auch beim Bahnsozialwerk der Hauptamtliche wegfiel, der sich um die Ruheständler gekümmert hat.
Wir waren alle recht frustriert und unzufrieden und ich dachte, da muss man was tun und habe mich mit Kollegen zusammengesetzt und der Stammtisch im Café „Flair“, heute Café „Heftrichs“ war geboren. Es war als Informationsbörse gedacht und das ist er auch immer noch. Wer was in Zusammenhang mit der Bahn wissen will, kann fragen und es wird versucht, ihm weiterzuhelfen.
Sie sprechen auch darüber, wie es bei der Bahn läuft. Dass es alles andere als rund läuft, dürfte Mehrheitsmeinung sein, zu Recht?
Alles ist nicht schlecht. Ich bin zum Beispiel kürzlich von Heilbronn über Basel nach Tiengen gefahren und die Züge waren auf die Minute pünktlich. Mit der gleichen Verbindung war ich allerdings auch schon sieben Stunden unterwegs. Die Verbindung Tiengen bis Basel ist grundsätzlich gut. Zwischen Tiengen und Waldshut gibt es sogar einen 30-Minuten-Takt, wer da mit dem Auto fährt, ist selber schuld.
Allgemein erlebt man aber viel zu oft Verspätungen und diese aufregenden Minuten, in denen man sich fragt, schaffe ich den Anschluss noch oder nicht. Der Informationsfluss bei Störungen ist immer noch mangelhaft. Die Infrastruktur stimmt nicht, die Gleise sind veraltet.
Bei dem Unfall in Garmisch Partenkirchen war der schlechte Zustand der Gleise seit 2019 bekannt, aber es ist nichts passiert. Und die Bahn hat zu wenig gutes Personal. Das Verhältnis zu den Bahnmitarbeitern an der Basis ist gestört. Die Bahn betreibt für mich Misswirtschaft unter Aufsicht der Politik. Bei der Post ist es meiner Ansicht genauso. Die Führung stimmt nicht.
Artikel rund um die Hochrheinbahn:
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