Es war ein kleines politisches Beben, das vergangene Woche vom Bundestag ausging: Die Debatten rund um die künftige Gangart Deutschlands in Sachen Migration, die von der CDU-Fraktion und deren Kanzlerkandidat Friedrich Merz ausgelöst wurden. Die Entscheidungen, bei denen die CDU Rückendeckung aus dem AfD-Lager erhielt. Die Kontroversen vor und hinter den Kulissen des Parlaments.
Die Aussicht auf dauerhafte Kontrollen – auch an der deutsch-Schweizer Grenze -, die viele Grenzgänger in Aufregung versetzt. Wie die Bundestagsabgeordneten des Wahlkreises Waldshut, Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD) und Felix Schreiner (CDU), die Entwicklung miterlebt haben und wie sie sich positionieren? Wir haben nachgefragt.

Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD): „Kann rechtswidrigem Antrag nicht zustimmen“
„Als Demokratin gilt für mich weiterhin, dass ich keinem rechtswidrigen Antrag zustimme. Erst recht nicht, wenn Verfassungsrechtler und Kirchen vor dem Merz-Vorschlag warnen.“ So begründet die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesinnenministerium und SPD-Bundestagsabgeordnete Rita Schwarzelühr-Sutter ihre ablehnende Haltung zum umstrittenen CDU-Antrag von vergangenem Mittwoch. Auch am Freitag hatte sie gegen das Zustrombegrenzungsgesetz gestimmt, das die CDU/CSU-Fraktion eingebracht hatte.

Die SPD-geführte Bundesregierung habe mit der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems und dem Rückführungsverbesserungsgesetz bereits „einen echten Paradigmenwechsel in der Migrationspolitik eingeläutet“. Außerdem lägen bereits seit Längerem „rechtskonforme Maßnahmen“ auf dem Tisch, um Befugnisse von Bundespolizei zu erhöhen, Terrorismusbekämpfung zu verbessern und europäische Migrationsregeln durchzusetzen, so Schwarzelühr-Sutter auf Nachfrage. Diese habe die CDU allerdings bislang blockiert.
„Eine rote Linie überschritten“
Generell wertet die SPD-Abgeordnete aber auch den Zeitpunkt als auch die Art und Weise, mit der die CDU/CSU-Fraktion am Mittwoch ihren Entschließungsantrag durchgebracht habe als fatal. 80 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz und am Tag der Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozialismus habe sich die CDU durch ihre Zusammenarbeit mit dem rechtsextremen Verdachtsfall AfD „von der demokratischen Mitte verabschiedet“. Friedrich Merz habe damit „eine rote Linie überschritten“, so Schwarzelühr-Sutter.
Ebenso sei der Vorschlag dauerhafter Grenzkontrollen „europarechtswidrig“ und schade dem Schengen-Raum. Die bislang geltenden Regelungen, die Grenzkontrollen so lange vorsehen, wie es die Migrationslage erfordere, erwiesen sich aus Sicht der Parlamentarischen Staatssekretärin als effektiv genug.
„Dauerhafte Grenzkontrollen schaden der Grenzregion“
„Gerade bei uns am Hochrhein wird deutlich, wie wichtig gute nachbarschaftliche Beziehungen und offene Grenzen für eine attraktive und wirtschaftsstarke Region sind“, fügt die Abgeordnete hinzu. Dauerhafte Grenzkontrollen seien folglich keine Option, denn diese schadeten den Grenzgängern, der Wirtschaft, dem gut nachbarschaftlichen Verhältnis und der gesamten Grenzregion. Schwarzelühr-Sutter weiter: „Das Schengen-Abkommen wäre damit obsolet, und andere EU-Mitgliedsstaaten hätten keinen Grund, sich weiter um eine Durchsetzung der gemeinsamen Regelungen zu bemühen.“
Sie freue sich jedenfalls, wenn Demokraten sich „vereint und friedlich für eine starke und wehrhafte Demokratie einsetzen und auch auf die Straße gehen“, um gegen Verfassungsfeinde ein Zeichen zu setzen.
Felix Schreiner (CDU): „Sicherheit hat Priorität“
„Es geht um die Frage der Sicherheit und Ordnung für unser Land, aber auch um das Vertrauen der Bürger in das Funktionieren unseres Staates und seiner Strukturen.“ Damit begründet der CDU-Bundestagsabgeordnete Felix Schreiner die Zustimmung zu dem Entschließungsantrag. Auch am Freitag hatte er dem Zustrombegrenzungsgesetz seiner Fraktion zugestimmt, das letztlich aber mehrheitlich abgelehnt wurde.

Das europäische Asylsystem funktioniere nicht, so Schreiner. Dass Grenzkontrollen wirksames Mittel gegen illegale Migration nach Deutschland seien, zeige sich bereits jetzt, wo die Kontrollen auf Zeit angelegt seien. „Wir rütteln damit nicht an der europäischen Freizügigkeit und nicht am Schengen-Raum. Wir stoppen damit illegale Migration“, schildert der CDU-Abgeordnete. Die Binnengrenzen könnten dann wieder geöffnet werden, wenn die EU-Außengrenzen besser geschützt werden.
„Zusammenleben in der Region wird von Grenzkontrollen nicht beeinträchtigt“
Die Folgen dauerhafter Grenzkontrollen für den Hochrhein hält Schreiner für überschaubar. Nachdem diese im Oktober 2023 eingeführt worden seien, seien sie mehrfach verlängert worden. „Genau diese Kontrollen sollen nun fortgeführt werden. Auch die Fahndungen im grenznahen Bereich durch die Bundespolizei bleiben erhalten“, so Schreiner. Das Zusammenleben in der Region werde seiner Einschätzung nach also wie schon jetzt nicht nennenswert beeinträchtigt.
Gleichzeitig soll „durch hinreichenden Personaleinsatz“ ein möglichst reibungsloser Grenzverkehr bewerkstelligt werden: „Die bereits stattfindenden Grenzkontrollen funktionieren auch deshalb, weil die Bundespolizei eine hervorragende Arbeit macht.“
„Keine Zusammenarbeit mit der AfD“
Dass die CDU/CSU-Fraktion bei den jüngsten Abstimmungen Schützenhilfe von der AfD erhalten hat, will Schreiner ausdrücklich nicht als Form der Zusammenarbeit verstehen. Auch Absprachen mit den Rechtsaußen habe es nicht gegeben. Denn: „Die AfD ist Feind der Demokratie“, betont Schreiner.
Er macht aber die ablehnende Haltung der bisherigen Regierungsparteien SPD und Grüne dafür verantwortlich, dass eine tragfähige Lösung nicht „aus der Mitte des Parlaments heraus“ und noch dazu schon sehr viel früher zustande gekommen sei. Denn diese hätten einen Vorschlag der Union abgelehnt und sich „bis heute zu unserem Bedauern nicht bewegt.“ Weiterhin appelliert er an die Parteien der Mitte, „notwendige Maßnahmen gemeinsam anzugehen“. Nur so könne man Populisten die Arbeitsgrundlage entziehen, so Schreiner.
Vom Gegenwind, der der CDU von Kirchen, Aktionsbündnissen und sogar der früheren Bundeskanzlerin Angela Merkel entgegenweht, lässt Schreiner sich diesbezüglich nicht beeinflussen: „Die Probleme in unserem Land müssen gelöst werden. Nicht nur bei der Migration, sondern in vielen anderen Bereichen haben die Menschen die klare Erwartung, dass die Politik die Herausforderungen angeht und löst.“ Seit vergangener Woche sei zumindest geklärt, „welche Partei wie zur Migrationsfrage steht“.
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