Anfang Oktober war es endlich soweit, der Gemeinderat Todtnau gab grünes Licht und bewilligte den Bebauungsplan für ein recht außergewöhnliches Projekt: Eine Hängebrücke über den Wasserfall – den höchsten Naturwasserfall in Baden-Württemberg. In einem Jahr könnte die Brücke bereits stehen. Das Projekt mit einer Investitionssumme von rund fünf Millionen Euro hat eine lange Vorgeschichte: Bereits im Juli 2018 wurden die Pläne in einer Bürgerversammlung vorgestellt. Nächstes Frühjahr will die Firma Eberhardt Bewehrungsbau aus Hohentengen bei Sigmaringen den Bau endlich starten. Nach sechs bis acht Monaten soll die Brücke stehen. Projektplaner Roland Haag ist jedenfalls optimistisch.

150 Meter über dem Wasserfall
Begeistert steht er auf dem Parkplatz vom Todtnauer Ortsteil Todtnauberg, wo die Hängebrücke für Fußgänger „angedockt“ werden soll und zeigt über das tiefe Tal. Auf der anderen Seite angekommen führe dann ein Waldweg bis hinunter in den Hauptort Todtnau. 440 Meter lang soll die Stahlbrücke werden, an ihrer höchsten Stelle schwebt sie 150 Meter über dem Boden – oder besser gesagt über dem tosenden Wasserfall. Dieser ist ohnehin schon ein bekannter Ausflugsort der Region. 100.000 Menschen kommen laut Hochschwarzwald Tourismus jährlich hierher. Mit der Brücke soll die Anziehung noch verstärkt werden.
Klare Bergbäche stürzen sich mit lautem Getöse in zwei Stufen über ein gewaltiges Granitmassiv ins Tal. 97 Meter Fallhöhe hat der Todtnauer Wasserfall. Auch im Winter ist er ein Hingucker.

„Es braucht spektakuläre Naturerlebnisse“
„Man hat dort eine 360-Grad-Sicht und sieht den Wasserfall von oben – wie ein Vogel“, schwärmt Haag. „Das wird ein sensationelles Naturerlebnis“, so der Projektleiter. Das werde die Region beleben. Eine Region, die ohnehin schon viel vom Tourismus lebt, gelegen im Dreiländereck, nahe der großen Schwarzwald-Ausflugsziele Titisee, Schluchsee und Feldberg. Hier ist schon viel geboten. Doch es brauche eben solche spektakulären Naturerlebnisse – gerade für Familien mit etwas größeren Kindern, wie der Familienvater aus eigener Erfahrung wisse.
Tourismus ist das neue Standbein seiner Firma: Die Hängebrücke „Wildline“ in Bad Wildbad war bereits ein erfolgreiches Projekt – gepaart mit einem raffinierten Marketing. Die Brücke habe große Bekanntheit erlangt und dadurch auch der Ort – der Tourismus ist laut Haag nach der Eröffnung der Brücke nachweislich gestiegen. Hier sehen Sie ein Video vom Bau der Brücke.
In Bad Wildbad dauerte es nur ein Jahr
„Vor Dir liegen 380 Meter Glücksgefühl, getragen von nur zwei Pylonen und gehalten von zwei stählernen Seilen“, heißt es auf der Homepage von 'Wildline'. Hier ging der Bau jedoch um einiges schneller: 2017 war das Erstgespräch, ein Jahr später der Bau.
Futuristisches Kassenhäuschen
Auf dem Parkplatz, auf dem Haag gerade steht, im kleinen Bergdorf Todtnauberg – einer Sackgasse – soll bald ein großes modernes Kassenhäuschen stehen. Es soll auch die Tourist-Information des Ortes beheimaten. Futuristisch sieht das Gebäude mit Flachdach aus und dennoch passt es irgendwie gut in die Schwarzwald-Landschaft. Irgendwie. Die Hängebrücke soll das ganze Jahr hindurch geöffnet sein.
Und wie kommt man auf eine solche Idee?
Dazu erzählt Haag eine „alte“ Geschichte. Geschäftsführer Günter Eberhardt sei in den 90ern auf der Baustelle auf dem Potsdamer Platz in Berlin gestanden, direkt daneben stand eine rote „Tourismus-Box“. Und so fragte sich Eberhardt, wie man auch im ländlichen Raum Touristen in die Innenstädte bringen könnte. Eine ähnliche Erfahrung machte er dann während der Bauarbeiten zur Bewehrung des Thyssen-Krupp-Testturms in Rottweil.

Viele Besucher seien zur Baustelle gekommen und dann habe man sich gefragt, wie man diese Touristen auch in die Innenstädte locken könne. Dann entstand die Idee einer Hängebrücke. Und so laufen auch in Rottweil gerade die Vorbereitungen für ein solches Projekt.
Bei der Suche nach weiteren Standorten sei man in Todtnau gelandet. Übrigens: Bauen wird die Firma Eberhardt die Brücke nicht selbst. Den Brückenbau übernehmen Fachleute aus dem Hochgebirge, die Firma HTB aus Österreich.
Riesen-Projekt im kleinen Dorf
Eine Riesen-Attraktion im 700-Einwohner-Dorf, das Massen anziehen soll? Trifft man da nicht auf viel Widerstand? Laut Haag nicht. Es habe lediglich wegen dem Verfahren rund um den Bebauungsplan so viel Zeit gebraucht. Nur einige wenige Bürger sind dagegen. Klar sei aber, dass die nötige Infrastruktur wie Parkplätze und Toilettenanlagen dazugehören müssen. Im Ortschaftsrat machte man sich kürzlich aber noch Sorgen um das zu erwartende Verkehrsaufkommen im Ort. „Die Leute freuen sich darauf, weil es in die Natur passt, weil es verbindet“, sagt indes Haag. „Am Ende müssen die Einheimischen sagen: ‚Das ist unsere Brücke“, so der Projektleiter. Die positiven Effekte lägen auf der Hand und auch mit den Hotels in der Region wolle man zusammenarbeiten.

Ein historisches Gebäude wird wiederbelebt
Eine weitere Verbindung soll zum historischen Glasbläserhof entstehen, der jahrzehntelang ein über die Region hinaus bekanntes Ausflugsziel war. Hier konnte man noch altes Schwarzwälder Handwerk erleben, dem Glasbläser über die Schulter schauen.

Seit einigen Jahren steht das Gebäude leer. Die Gelegenheit für Eberhardt das Gebäude zu erwerben und etwas Neues entstehen zu lassen: „Heimat“, soll das Gasthaus mit großzügigen Veranstaltungsräumen heißen – künftig ohne Glasbläserei.
Gemeinsam mit der Hängebrücke soll ein „gesamttouristisches Angebot“ entstehen. Die Verbindung zwischen Hängebrücke und Gebäude erkenne man auch am Logo der „Heimat“. Da man diese aber nicht selbst betreiben werde, wird aktuell noch nach einem Pächter gesucht. Und dann könne es auch schon los gehen.