Die Silhouette der schweizerischen Stadt Basel verändert sich. Wer von Grenzach kommt oder am Badischen Bahnhof aussteigt, sieht sie schon von Ferne, die gigantischen Türme der Roche. Das idyllisch-behagliche Basel strebt empor. Diese Stadt und mit ihr das gesamte Dreiländereck sind eine enorme Boom-Region, in der unter anderem die Weltgrößten der Pharma- und Chemiebranche daheim sind.
Die kolossale Architektur, die die Star-Architekten Jacques Herzog und Pierre de Meuron hier für die Roche an der Grenzacher Straße hinstellen, ist ein bisschen ein Synonym für diese Basler Entwicklung von seiner Beschaulichkeit zur Weltgeltung.
205 Meter über Erdgeschossniveau – in diesen luftigen Höhen ist gewissermaßen die Oberkante des zweiten Roche-Turmes, der aktuell seiner Fertigstellung entgegen geht. „Im kommenden Sommer ist Eröffnung geplant, dann sollen hier 3000 Mitarbeitende einziehen“, berichtet Karsten Kleine. Kleine ist zuständig für die Unternehmenskommunikation bei Roche, und er kennt das Projekt in- und auswendig, denn er hat es schon unzählige Male erklärt und darüber berichtet.

Kein Wunder: Das 3,2-Milliarden-Projekt erregt internationales Aufsehen – wegen seiner schieren Größe, wegen seiner Form und Architektur, und natürlich weil es aus der Feder der Basler Architekten Herzog und de Meuron stammt.
Hamburgs Elbphilharmonie und Basels Roche-Türme
Denn zu ihren wohl berühmtesten Werken gehören bekanntlich die Elbphilharmonie in Hamburg, die Allianz-Arena in München, das 56 Leonard Street in Manhattan oder das Nationalstadion in Peking. Wo immer sie bauen, diskutiert nicht nur die Fachwelt kontrovers. Und das teils heftig.
Ihre Projekte sind nicht selten umstritten. Das war auch bei den Roche-Türme nicht anders. Wenn jemand wie Herzog und de Meuron bauen, ist das jenseits des Alltäglichen. Dann sind Anerkennung und Ablehnung dicht beieinander.
„Bei jedem Großprojekt gibt es beides, Lob und Kritik“, sagt Kleine. Dabei sieht er in dem Roche-Areal an der Grenzacher Straße vor allein eines: „Es ist unser Bekenntnis zur Stadt Basel.“

In dieser Stadt wurde die Hoffmann-La Roche 1896 gegründet – also vor 125 Jahren. Hier hat sie reüssiert, ist zum heute weltgrößten Pharmaunternehmen nach Umsatz geworden.
So entwickelte sich die Roche mit den Jahren zu einem Unternehmen mit zahlreichen Firmengebäuden, die an verschiedenen Standorten in Basel zu finden sind. „14 in der Stadt verteilte Außenstellen werden hier auf dem Roche-Areal nun zusammengefasst“, beschreibt Kleine das Projektziel. Und in erster Linie geht es dem Unternehmen dabei um die Schaffung eines modernen Arbeitsumfeld – es soll vor allem Kommunikation, Kooperation und Kreativität fördern.

Neuer Arbeitsplatz für tausende Menschen
Was Roche an der Grenzacher Straße schafft, ist nicht nur von der Höhe der Türme und den Ausblicken spektakulär. Auch die Kosten sind es: 3,2 Milliarden lässt sich der Konzern das Konzept des modernen Arbeitsplatzes in Kombination mit der imposanten-dominierenden Optik kosten.
Mehrere Tausend Menschen werden hier nach Fertigstellung arbeiten, alleine im Forschungszentrum 2000, in Turm-1 2000 in Turm-2 3000. Letzterer soll übrigens im kommenden Sommer fertigstellt werden. Mit seinen 205 Meter steht er bereits in voller Höhe da, aktuell wird am Innenausbau gearbeitet.
Mit seinen Ausmaßen, deren Betonung die Architekten mit dem stufenartigen Aufbau etwas relativieren, ist Turm-2 das derzeit höchste Gebäude der Schweiz – vor Turm-1 mit 178 und dem Prime Tower in Zürich (126 Meter) – was den Basler bei dem traditionellen Widerstreit mit Zürich wohl freuen dürfte.
Mit 205 Meter das höchste Gebäude der Schweiz
Es sind freilich diese Türme, im rechten Winkel zueinander gestellt, die das Areal dominieren. Von der bestehenden Bebauung in der Nachbarschaft steigen Roche-Nebengebäude zu den Türmen langsam empor. Die Stufenidee wiederholt sich hier. „Diese vier Gebäude werden künftig das Forschungs- und Entwicklungszentrum der Roche beherbergen“, berichtet Kleine. Das niedrigste orientiert sich an der bestehenden Nachbarbebauung, die anderen drei nehmen die Steigung auf.
Alleine ins Forschungszentrum wird 1,3 Milliarden investiert. Es sei ein Kernstück der Roche-Entwicklung, die jährlich zwölf Milliarden in die Forschung steckt, berichtet Kleine. Hier werden dann 2024 Biologie und Chemie vereint, die bislang ebenfalls getrennt waren.
Hochhäuser – Gigantomanie oder Flächeneffizienz?
Auch wenn manche Kritiker in der Höhe reine Gigantomanie sehen – das Streben in die Höhe sei schlichtweg Notwendigkeit, sagt Kleine. Flächensparen und Verdichten sind seine Stichwörter. „In Basel ist nicht viel Platz,“ gibt er zu bedenken. Gleichsam benötige das Unternehmen Raum für seine Entwicklung.
Da sprechen die Zahlen im Sinn der Flächenökonomie eine deutliche Sprache. Beispielsweise Turm-1: Der Turm hat einen so genannten Footprint, also eine Grundfläche, von 3500 Quadratmetern, auf seinen 41 Stockwerken entsteht dabei eine Geschossfläche von annähernd 75.000 Quadratmeter.
Dabei setzte Roche im Inneren weniger auf klassische Büros, sondern auf den Trend von Arbeitslandschaft mit Wohncharakter. Besonderer Clou: Eine Büroeinheit funktioniert wie ein eigenes Studio über drei Etagen.
Von Otto Salvisberg bis Herzog & de Meuron
Auf dem Areal wird dereinst nicht mehr viel an die früheren Verhältnisse erinnern. Die Roche-Gebäude des alten Bestandes mussten oder müssen noch weichen. Kleine: „Erhalten bleiben im Südareal zwei historische Bauten aus der Frühzeit des Unternehmens. Sie wurden von Otto Salvisberg geplant.“ Otto Rudolf Salvisberg war wie Herzog und de Meuron ein Schweizer Architekt, auch er kam zu internationalem Ruf. Und so schließt sich der Kreis.