Einen ausgesprochen lebhaften Wahlkampf erlebte der Kreis Waldshut in den vergangenen Wochen. Mit ungewöhnlich viel hochrangiger Polit-Prominenz warben vor allem CDU und SPD am Hochrhein um Stimmen – und das obwohl die Corona-Pandemie Großveranstaltungen im Wahlkampf verhinderte. Allein die Liste der angereisten Mitglieder des Bundeskabinetts ist beachtlich: Außenminister Heiko Maas (SPD), Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), Umweltministerin Svenja Schulze (SPD), Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Familien- und Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) zeigten im Wahlkreis Waldshut Präsenz. Mit Bundestagsvizepräsident Wolfgang Schäuble (CDU), der SPD-Vorsitzenden Saskia Esken, den Fraktionsvorsitzenden Ralph Brinkhaus (CDU) und Rolf Mützenich (SPD) und dem bekannten CDU-Abgeordneten Philipp Amthor kamen weitere Politiker aus der ersten Reihe von Berlin in den Süden der Republik. Auch aus der Landespolitik ließen sich einige CDU-Minister für Wahlkampftermine am Hochrhein einspannen, so beispielsweise Innenminister und CDU-Landesvorsitzender Thomas Strobl, Peter Hauk, Minister für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, sowie Nicole Razavi, Ministerin für Landesentwicklung und Wohnen. Und auch zwei ehemalige Ministerpräsidenten stehen auf der Liste der prominenten Wahlkämpfer für CDU-Mann Felix Schreiner: Günther Oettinger und Roland Koch. Der geplante Besuch des prominentesten CDU-Politikers, des Parteivorsitzenden und Kanzlerkandidaten Armin Laschet, fiel allerdings der Hochwasserkatastrophe in Nordrhein-Westfalen im Juli zum Opfer. Dennoch bleibt eine für die Region außergewöhnliche Liste hochrangiger Wahlkampftermine. In den Nachbarkreisen sind die Auftritte von Spitzenpolitikern deutlich seltener.
Auch für den Wahlkreis Waldshut ist eine solche Liste prominenter Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfer einmalig. Selbst im Jahr 1969, als Bundeskanzler Kurt-Georg Kiesinger als Waldshuter Direktkandidat antrat, war der Wahlkampf am Hochrhein eher eine Pflichtveranstaltung der Parteien. Zu eindeutig waren die Machtverhältnisse. Diesmal, so scheint es, nehmen zumindest CDU und SPD den Wahlkampf ernster. Ist dies schon ein Vorzeichen für einen knappen Wahlausgang? Die Bundestagsabgeordneten Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD) und Felix Schreiner nutzten jedenfalls ihre guten Kontakte in die Bundes- und Landespolitik und sicherten sich die Unterstützung prominenter Politikerinnen und Politiker.

Wechselstimmung im Wahlkreis?
Droht der CDU auch bei der Bundestagswahl eine ähnlich dramatische Niederlage wie bei der Landtagswahl 2021 und der erstmalige Verlust des Direktmandats? Haben SPD oder Grüne tatsächlich realistische Chancen, das Mandat zu gewinnen? Kann der grüne Bundestagskandidat Jan-Lukas Schmitt im Duell der deutliche bekannteren Konkurrenz von SPD und CDU mitmischen? Dies sind die spannenden Fragen, die erst am Wahlabend beantwortet werden. Denn repräsentative Umfragen im Wahlkreis gibt es im Vorfeld nicht. Sicher scheint aber schon jetzt, dass es in den vergangenen 60 Jahren im Wahlkreis Waldshut noch nie so knapp zuging wie bei dieser Wahl.
Das große Aufgebot an Polit-Prominenz hat für Felix Schreiner aber nichts mit dem Ergebnis der Landtagswahl zu tun. Schon vor einem Jahr habe er sich Gedanken gemacht, wen er im Wahlkampf an den Hochrhein und in den Hochschwarzwald einlädt. „Dabei habe ich nach sechs Jahren im Landtag und vier Jahren im Deutschen Bundestag natürlich einige enge und sehr gute Kontakte zu Bundes- und Landesministern. Die große Unterstützung berührt mich“, so Schreiner.
Der Vorsprung von Felix Schreiner war 2017 riesig, doch das Momentum der aktuellen bundesweiten Umfragen spricht aktuell für Rita Schwarzelühr-Sutter. „Ich freue mich über den sehr guten persönlichen Zuspruch, den ich gerade jeden Tag erfahre, die gute Entwicklung der SPD in den Wahlprognosen und über jeden Prozentpunkt, der noch dazu kommt“, so die Sozialdemokratin. Auch sie hält das Landtagswahlergebnis nicht für vergleichbar, da bei der Bundestagswahl die Stimmen für Direktmandat und Partei getrennt abgegeben werden.
Der dritte Bewerber, der junge Grüne Jan-Lukas Schmitt, verzichtet weitgehend auf prominente Unterstützung. „Ich setze in meinem Wahlkampf auf Inhalte statt bekannte Gesichter. Deshalb habe ich Experten eingeladen, die sich als Abgeordnete wirklich für unsere Region einsetzen, wie unsere Spitzenkandidatin Franziska Brantner, die als europapolitische Sprecherin viel für die Grenzregion tut, oder Matthias Gastel, unseren bahnpolitischen Sprecher im Bundestag, der ein wirksames Konzept für nachhaltige Mobilität im ländlichen Raum entwickelte“, so Schmitt.
Blick auf das Ergebnis der Wahl 2017

Das Ergebnis der Bundestagswahl 2017 im Wahlkreis war noch eindeutig: Zwar hatte die CDU deutliche Verluste gegenüber 2013 zu verkraften, in allen Gemeinden des Wahlkreises lag Felix Schreiner vorn, teilweise mit über 30 Prozentpunkten Abstand. Ihre SPD-Konkurrentin holte die besten Ergbnisse in den Städten am Hochrhein.

Doch der Eindruck der politischen Landkarten täuscht etwas: Denn gerade bevölkerungsreichsten Städten war der CDU-Vorsprung geringer. Hier wird sich voraussichtlich die Wahl 2021 entscheiden.

Mit einer Wahlkreis-Prognose hat das Meinungsforschungsinstitut Insa-Consulere im Auftrag von RTL dieser Tage für Aufsehen gesorgt. Für die Region am Hochrhein wird ein überraschendes Ergebnis vorhergesagt: Die Meinungsforscher haben nämlich errechnet, dass der Wahlkreis mit leichtem Vorsprung an die SPD-Bundestagsabgeordnete Rita Schwarzelühr-Sutter gehen könnte. Diese Berechnung geht allerdings nicht auf eine repräsentative Befragung von Wählern aus dem Wahlkreis zurück, sondern stellt lediglich eine Projektion der überregionalen Umfragewerte auf die bisherigen Wahlkreisergebnisse dar. Die persönliche Bekannt- und Beliebtheit der lokalen Abgeordneten wird dabei also nicht berücksichtigt.
Für Rita Schwarzelühr-Sutter ist die Wiederwahl sicher
Wie sich die Wähler im Wahlkreis Waldshut auch entscheiden werden: Die Sozialdemokratin Schwarzelühr-Sutter wird mit Sicherheit auch dem kommenden Bundestag angehören. Denn sie ist auf Platz drei der SPD-Landesliste abgesichert. Felix Schreiner setzt dagegen voll auf das Direktmandat und hat auf eine Kandidatur auf der Landesliste verzichtet. Der Grüne Jan-Lukas Schmitt könnte bei einem sehr guten Zweitstimmenergebnis über Liste in den Bundestag gewählt werden, denn er steht auf Platz 31 der grünen Landesliste. Dies könnte nach den derzeitigen Umfragen knapp reichen. Alle anderen Kandidaten haben keinen oder zumindest keinen aussichtsreichen Listenplatz ihrer Partei.