Personalmangel ist in heutiger Zeit ein Problem der allermeisten Branchen. Aber in wenigen sind die Folgen so deutlich sichtbar wie in der Gastronomie. Denn: Fehlende Mitarbeiter führen vielerorts zur Reduzierung von Öffnungszeiten oder dem Angebot. Aber was sind die Gründe dafür? Wo sind die Mitarbeiter geblieben – und wie sehen Lösungsansätze aus? Wir haben beim Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) und der Agentur für Arbeit nachgefragt.

Corona hat Gastgewerbe so stark unter Druck gesetzt wie kaum einen anderen Wirtschaftszweig

„Das Gastgewerbe ist und war eine der in der Pandemie am stärksten betroffenen Branchen, die auch während der verschiedenen Öffnungsschritte stark unter Druck stand.“ So lautet die klare Einordnung von Melanie Payer, Pressesprecherin der Agentur für Arbeit in Lörrach, die für die Landkreise Lörrach und Waldshut zuständig ist.

Hinzu kommt die beinahe einmalige Beschäftigungsstruktur – denn in kaum einer anderen Branche seien Minijobs und geringfügig Beschäftigte so weit verbreitet. Eben diese hätten derweil aber zu den Personengruppen gehört, die in der Krise, vor allem in der unberechenbaren Anfangszeit mit Lockdowns und Zugangsbeschränkungen, als erste ihren Job verloren haben, so Payer weiter: „Von den nunmehr arbeitslosen ehemaligen Gastronomieaushilfen und Fachkräften haben sich vermutlich viele neue Jobs gesucht.“

Nun habe sich die Lage wieder normalisiert, damit suche auch das Gastgewerbe wieder nach Mitarbeitern – doch offenbar seien viele nicht bereit in diese Branche zurückzukehren.

Wohin sind die Beschäftigten abgewandert?

Pauschale Antworten gibt es nicht, denn freilich sind die meisten Branchen mit Fachkräftemangel konfrontiert. Aber doch gibt es zumindest gewisse Hinweise: Tendenziell krisensicherere Bereiche oder solche die eine Art Pandemie-bedingten ‚Sonderkonjunktur‘ erlebt haben, hätten laut Einschätzung des Dehoga besonders profitiert.

Daniel Ohl, Pressesprecher des Dehoga Baden-Württemberg, nennt hier besonders den Lebensmittel-Einzelhandel: „Generell sind Mitarbeitende aus Gastronomie und Hotellerie aber überall geschätzt, wo soziale Kompetenz und Servicebereitschaft gefragt ist.“

Erkenntnisse der Arbeitsagentur decken sich mit diesen Annahmen: „Häufig arbeiten sie auch in Bereichen, in denen man eine geregelte Arbeitszeit und freie Wochenenden hat“, schildert Payer. Der Wettbewerb mit Branchen, die das Gastgewerbe vorher nicht im Blick gehabt habe, sei nun eine zusätzliche Herausforderung.

Ursachen des Problems haben viele Facetten

Natürlich sind Corona-bedingte Ursachen nur die eine Seite der Medaille, wie Daniel Ohl, Pressesprecher des Dehoga Baden-Württemberg erklärt. Aspekte wie der demografische Wandel, ebenso eine veränderte Haltung gegenüber Ausbildungsberufen mit Trend hin zu akademischer Ausbildung kämen noch hinzu. Das, so Ohl, seien Faktoren, die sich in beinahe allen Branchen bemerkbar machten.

In der Gastronomie seien sie aber besonders drastisch, denn: „Das Gastgewerbe ist eine personalintensive Dienstleistungsbranche, in der menschliche Arbeitskraft nur in begrenztem Umfang durch Maschinen oder Technik ersetzt werden kann“, bringt es Ohl auf den Punkt.

Zahlen und Fakten zur Mitarbeiterentwicklung im Gastgewerbe

Wie steht es mit dem Nachwuchs?

Auch hier ist der Trend nach dem massiven Rückgängen in der Corona-Krise erfreulicherweise wieder positiv: 2022 wurde bei den Ausbildungszahlen das Vorkrisen-Niveau wieder erreicht.

Laut Melanie Payer von der Arbeitsagentur Lörrach bieten sich am Hochrhein für interessierte Schulabgänger sogar außergewöhnlich gute Perspektiven, denn im vergangenen Jahr seien auf einen Bewerber vier Ausbildungsstellen gekommen – das sei ein deutlich besseres Verhältnis als es sich in anderen Branchen biete.

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Gleichzeitig rufe die Behörde aber auch Betriebe gezielt dazu auf, Praktika für junge Menschen zu ermögliche, denn das ermögliche es den Betrieben, einen persönlichen Eindruck von potentiellen Bewerbern zu gewinnen. Gleichzeitig könnten Interessenten ihr Talent testen und wissen dann besser, ob der Beruf passt.

Außerdem: „Es lohnt sich durchaus einen interessierten Menschen als Koch einzustellen, auch wenn dieser keine abgeschlossene Berufsausbildung in diesem Bereich hat“, so Payer. Denn nachträgliche Aus- und Weiterbildung sei durchaus auch eine Option, die sogar von der Arbeitsagentur gefördert werde.

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Tatsächlich spiele die Nachwuchswerbung für den Dehoga auch eine sehr wichtige Rolle wie Daniel Ohl darstellt. Sie sei Kern der Kampagne „Wir Gastfreunde“, sie sei aber auch Ansporn für öffentliche Aktionen und Auftritte von Betrieben bei Messen oder anderen Veranstaltungen.

Wie sehen die Perspektiven aus?

Auch wenn der Wettbewerb um Arbeitskräfte mit anderen Branchen groß sei und eine Daueraufgabe bleibe, auch wenn Herausforderungen genereller Art vorhanden seien: Aus Sicht des Gastgewerbes gibt es keinen Grund, in seinen Bemühungen nachzulassen. Zumal es positive Entwicklungen gebe, wie Daniel Ohl sagt.

„Mut machen uns die bis zur Corona-Krise gute Beschäftigungsentwicklung und die auch jetzt wieder steigenden Zahlen. Es besteht also kein Grund zur Resignation, denn das Gastgewerbe bietet generell sehr gute Berufs- und Karrierechancen“, zeigt er sich überzeugt.

Wo sieht der Dehoga weitere Ansatzpunkte?

Dass gerade mit dem Entgelttarifvertrag bei der Bezahlung der Mitarbeiter ein Schritt in die richtige Richtung getan worden sei, wertet Ohl als wichtigen Anreiz. Um die Bezahlung dauerhaft finanzieren zu können fordert der Dehoga eine dauerhafte Verbesserung der Rahmenbedingungen für Gastronomen. Eine „Schlüsselrolle“ spiele dabei laut Ohl die vom Verband geforderte dauerhafte Entfristung des Sieben-Prozent-Mehrwertsteuersatzes in der Gastronomie.

Daneben seien die Arbeitszeiten ein wichtiger Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt. Hier sei bereits eine Menge geschehen. So ließen sich zumindest teilweise die Veränderungen bei Öffnungszeiten gastgewerblicher Betriebe erklären: „Die Konzentration von Öffnungszeiten auf umsatzstärkere Tage sowie die vielfach zu beobachtende klarere Begrenzung von Öffnungs- und Servicezeiten sind nicht allein dem Personalmangel geschuldet, sondern auch dem Bemühen, den Mitarbeitenden wettbewerbsfähige Arbeitszeiten bieten zu können“, so Ohl.

Ein ebenso wirksamer Hebel zur Bekämpfung des Personalmangels sieht der Verband aber auch in Erleichterungen bei der Fachkräfte- und Mitarbeitergewinnung aus dem Ausland ein. Dass für Fachkräfte die Einwanderung nach Deutschland gesetzlich erleichtert werden soll, sei daher ausdrücklich zu begrüßen.

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