Das „Geisterhaus“ von Maulburg ist ein Opfer der Spekulation. Nach der Schließung einer Bäckerei pokerten erst eine Erbengemeinschaft, dann ein Schweizer Investor und schließlich die Gemeinde selbst um den Verfall der denkmalgeschützten Immobilie in der Köchlinstraße. Doch das abbruchreife Haus steht immer noch. Inzwischen hat die Gemeinde das Objekt an den nächsten Eigentümer weitergereicht. Doch der Schandfleck bleibt.
Gebäude kurz vor dem Zusammenbruch
Zersprungene Scheiben und leere Fensterhöhlen blicken traurig aus der Köchlinstraße 19, wo einst pulsierendes Leben in der Bäckerei Bechthold herrschte. Hinter einem Absperrgitter blättert der Putz von der Fassade. Durch das teilweise eingestürzte Dach kann man in den Himmel blicken.
Nur die Stützpfosten im Inneren halten das völlig marode Gebäude noch aufrecht und verhindern den endgültigen Zusammenbruch. Aber genau das ist das Problem. Denn das Haus, das bislang offenbar niemand mehr restaurieren will, ist denkmalgeschützt. Es darf also nicht einfach abgerissen werden, was einer neuen Entwicklung der Fläche entgegensteht.
Bürgermeisterin Jessica Lang kennt die endlose Vorgeschichte dieses vergessenen Ortes in Maulburg und hat die Hoffnung dennoch nicht verloren. „Lange Jahre war in diesem Haus die Bäckerei Bechthold beheimatet“, berichtet sie, „nach deren Schließung konnte sich die zum damaligen Zeitpunkt bestehende Erbengemeinschaft, welche Eigentümerin war, nicht über die weitere Verwendung einigen.“ So zog sich der Verfall hin. „Über viele Jahre stand das Haus leer, was sich folglich nicht positiv auf dessen Zustand ausgewirkt hat“, weiß die Bürgermeisterin.
Keine Einigung möglich
Bereits zum damaligen Zeitpunkt habe die Gemeinde versucht, eine Einigung mit den Eigentümern zu erzielen und den Kauf angeboten. Dies sei trotz jahrelanger Bemühungen nicht gelungen. Vielfach sei die Gemeinde von den Bürgern auf den Schandfleck im Ort aufmerksam gemacht worden und habe Anfragen erhalten, weshalb man das Haus verfallen lasse. Zum damaligen Zeitpunkt hatten weder die Gemeinde noch das Landratsamt eine Handhabe, weil von dem Haus keine tatsächliche Gefährdung ausging. Das Pokern um das Anwesen an der Köchlinstraße ging weiter, als ein Schweizer Investor das Objekt erwarb.
„Auch bei diesem Eigentümer hatte die Gemeinde Erwerbsinteresse am Anwesen signalisiert, ebenfalls ohne Erfolg“, blickt Jessica Lang zurück. Dass auch der nächste Eigentümer sein Augenmerk nur auf das lukrative Grundstück geworfen hatte, darf angenommen werden. Nachdem sich die Lebensumstände des Eigentümers geändert hatten, verkaufte er das Haus an die Gemeinde Maulburg.
Langs Vorgänger Jürgen Multner gab in einem Interview vor zwei Jahren unumwunden zu: „Wir hatten nicht wegen des Gebäudes Interesse, sondern wegen des Grundstücks und der damit verbundenen Möglichkeit, das dortige Umfeld neu zu gestalten.“ Der Denkmalschutz war weiterhin Hindernis. „Um den Stillstand in dieser Sache zu beseitigen, hatte der Gemeinderat 2021 die Verwaltung beauftragt, die Vermarktungschancen des bebauten Teilgrundstücks über das Denkmalportal des Landes auszuloten“, schlägt Lang das nächste Kapitel in der Geschichte des Niedergangs an der Köchlinstraße 19 auf. Die Gemeinde war der Ansicht, dass das Objekt für einen Investor nicht interessant sein wird, da es zu wenig Fläche aufweist, um die sehr wahrscheinlich aufwendige und teure Sanierung über eine mögliche Mieteinnahme zu refinanzieren.
Wie geht es nun weiter
Es wurde angenommen, dass das Gebäude Interesse bei privaten Interessenten mit Eigennutzungsabsicht wecken könnte. Die Anzeige wurde Ende März 2022 in das Denkmalschutz-Portal des Regierungspräsidiums Freiburg eingestellt – mit einem Mindestgebotspreis von 150.000 Euro und der Auflage, einen Entwurf zur geplanten Nutzung des Gebäudes vorzulegen.
Im August 2022 stimmte der Gemeinderat dem Verkauf des Gebäudes zu. Ob der neue Eigentümer tatsächlich ein ernsthaftes Interesse hat, die desolate Immobilie zu entwickeln? Immerhin wurde mittlerweile ein Bauantrag für die Köchlinstraße 19 genehmigt, wie die Gemeinde mitteilt. „Ich denke doch, dass der Eigentümer ein Interesse an der Umsetzung seines Bauvorhabens hat und die Bestimmungen zur Einhaltung des Denkmalschutzes seitens des Denkmalamtes überprüft werden“, sagt Lang.
Noch mehr Lost Places
Die SÜDKURIER Video-Serie „Aufgeschlossen – vergessene Orte in der Region“ bietet besondere Einblicke hinter die Fassade verlassene und vergessener Orte in der Region. Hier geht es zu den Videos.
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