Der eher kleine Kurgarten im Herzen der Stadt St. Blasien verändert sich in den vergangenen Jahren sicht- und hörbar – mitten in sein fließendes Jubiläum hinein, das ihm rund 100 Jahre als Erholungs- und Flanierzone bescheinigt. Im 19. Jahrhundert war das Gelände für eine Bebauung schlichtweg übersehen, vergessen oder – was zu rühmen wäre – bewusst ausgespart worden. Im ersten und auch noch zweiten Jahrzehnt des vergangenen Jahrhunderts vereinnahmte der Kurort in seiner Hochblüte gefühlsmäßig und gestalterisch das beschauliche Areal.
Mit dem Bau des Marstallklotzes (des heutigen Haus des Gastes mit baldiger Forstverwaltung) vor 1000 Jahren hatte die Begrenzung der Fläche begonnen. Die Fürstäbte Meinrad Troger und Martin Gerbert errichteten 1755 bis 1767 das majestätische Torgebäude (heute Hotel „Klosterhof“ und Rathaus) und die Seitenflügel, die zusammen als das sogenannte historische U westlich, nördlich und östlich das grüne Gelände einfrieden. Den fürstäbtlichen Bauherren wäre es aus Kunst- und Bauverstand nie in den Sinn gekommen, vor die erhabene Torkulisse ein weiteres Gebäude zu setzen.
Die lebhaften und amüsanten Berichte aus dem nachklösterlichen 19. Jahrhundert – von den weidenden Kühen des Pfarrers bis zu den Lagerfeuern durchziehender Truppen und Revolutionäre – müssen übersprungen werden, sie sind im „Sankt Blasier Land“ von Bernhard Steinert geschildert.
Im günstigen Fall darf den Gemeindeverantwortlichen jener Zeit unterstellt werden, dass sie sich der Haltung der Fürstäbte angeschlossen haben, im negativen (letztlich aber für das heutige St. Blasien doch glücklichen) Fall kann angenommen werden, dass die Fläche des jetzigen Kurgartens für eine zusätzliche Bebauung schlicht übersehen, vergessen oder tatsächlich absichtlich verschont wurde.
In den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg war die kleine grüne Lunge endgültig der kurörtlichen Ausstattung zugefallen. Ein für seine Akustik hochgelobter Musikpavillon, Gartenrechtecke, Bepflanzung und eine Spazierallee markierten das Kurgartenbild zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Der großräumige, nicht einmal unansehnliche Pavillon – vom Torbogen aus gesehen stand er in der Ecke links hinten – hatte nur den Nachteil, dass er die Blickachse zur Klosterfassade unterbrach.
Das zweite Kapitel des „gültigen“ Kurgartens wurde Ende der 1950er/Anfang der 1960er Jahre aufgeschlagen mit einer völligen, offenbar von den modernen Zeiten diktierten Umgestaltung des Kurgartens. Der liebenswerte Pavillon wurde einer langen, zum Kurpark hin offenen Musikhalle geopfert, die weder akustisch noch architektonisch eine Offenbarung war. Kritiker spotteten damals sogar, das Beste an ihr sei, dass sie vor das seinerzeit baulich arg strapazierte Marstallgebäude platziert worden war und so Gebäudemakel halbwegs verdeckte.
Das bislang letzte Kapitel wurde 1983 mit der Stadt- und Kurortsanierung geschrieben. Den Rundumerneuerungen und Veränderungen (beispielsweise des Marstallgebäudes zum Haus des Gastes) musste die Stein- und Betonhalle weichen, der jetzige Pavillon zur Fürstabt-Gerbert-Straße hin orientierte sich an der historischen Kuppelvorgabe des Ortes – die Lösung ist weitaus gefälliger als die relativ kurzlebige Musikhalle, erhält aber von Akustikfachleuten keine gute Note.
Das letzte, gewiss gelungene Verschönerungskonzept des Entspannungsareals ist am Ende des vierten Jahrzehnts angelangt. Wann wohl wird das nächste Kapitel der Kurgartengeschichte aufgeschlagen?