Busfahrer Erhard D. aus Menzenschwand startete an einem Montag im September vor 30 Jahren um 16.45 Uhr am Busbahnhof in Waldshut. Fahrtziel: St. Blasien. Mit an Bord war ein dreijähriges Mädchen als blinder Passagier. Auf das Kind ausländischer Eltern wurde Dietsche erst in St. Blasien aufmerksam. Zu diesem Zeitpunkt war das Mädchen bereits seit mehreren Stunden als vermisst gemeldet.
Etwas über anderthalb Stunden verstrichen bis zur Entdeckung der kleinen Vermissten. So lange brauchte der Bus der Linie 7324, bis er über sämtliche Gemeinden und Dörfer wie Albbruck, Tiefenstein, Görwihl, Vogelbach, Wittenschwand, Urberg und Ibach an der Endstation in St. Blasien angelangt war. Als sich der Bus von Schülern und anderen Fahrgästen geleert hatte, entdeckte der Fahrer das Kind, das bis dahin – obwohl ohne Begleitung – offenbar niemand aufgefallen war.
Die lange Rütteltour den Berg hinauf hatte das Mädchen in den Schlaf gewiegt: Schlummernd lag es auf seinem Sitz. Dürften Dreijährige sowieso kaum in der Lage sein, ihren ganzen Namen, geschweige denn ihren Wohnort zu nennen, ergab sich in diesem Fall eine doppelte Sprachbarriere. Das ausländische Kind quittierte alle Fragen mit Schweigen. Schließlich telefonierte der Busfahrer mit der Polizei in Waldshut-Tiengen – und die konnte helfen. Denn um 16 Uhr hatten die Eltern ihr Kind als vermisst gemeldet.
Es traf sich gut, dass Erhard D. mit seinem Bus wieder zurück nach Waldshut musste, auf einem Sitz hinter sich das Mädchen „ganz brav und ohne Geschrei“, wie er bestätigte. In Waldshut übernahm die Polizei das Kind, um es zu den im Kreisgebiet wohnenden Eltern zu bringen.
Unter welchen Umständen aber hatte sich das Kind selbständig gemacht und war 45 Minuten, seit es vermisst wurde, mit dem Bus davongefahren? Das blieb rätselhaft. In den Bus geklettert war es offenbar durch die große Seitentür, die wegen der Hitze offen stand. Klar war jedenfalls eines: Das Kind trug vor 30 Jahren zu Recht den Titel des jüngsten blinden Passagiers.