Es war eine durchaus bittere Pille, die die Beigeordnete Petra Dorfmeister und die frisch gebackene Hochbauamtsleiterin Carmen Urban dem Gemeinderat in der jüngsten Sitzung verabreichen mussten: Ein weiteres Mal binnen weniger Monate sind im Zusammenhang mit der Sanierung des Kornhauses Mehrkosten im mittleren sechsstelligen Bereich aufgelaufen, deren Herkunft nur schwer zu erklären ist. Konkret ging es dieses Mal um 330.000 Euro.
Die Gesamtkosten für das Projekt steigen damit auf 5,3 Millionen Euro. Die finanziellen Konsequenzen für die Stadt sind das Eine. Aber selbst für die meisten Gemeinderäte blieb nicht nachvollziehbar, warum noch immer so viele Fragezeichen bleiben – gerade wenn es um die Verantwortlichkeit für das ganze Schlamassel geht. Die Ursachenforschung mündete in der Sitzung sogar beinahe im Eklat.
Wer ist eigentlich verantwortlich?
Bereits im November hatten Architekt Meinhard Jansen und Hochbauamtsleiterin Carmen Urban dem Gremium eine Kostensteigerung von 430.000 Euro präsentieren müssen. Nun kommt ein weiteres Paket in ähnlicher Größenordnung oben drauf. Die Irritation im Gremium war zu erwarten. Es sei für das Bauamt insgesamt eine „schmerzliche Entwicklung“, räumte auch die Beigeordnete Petra Dorfmeister ein.
Dabei sind die Überbringerinnen der schlechten Nachrichten nicht die Verantwortlichen für das augenscheinliche Chaos, sondern lediglich diejenigen, die das Ganze nun ausbaden müssen. Denn sowohl die Leiterin des Hochbauamts als auch die Beigeordnete waren noch längst nicht im Amt, als es auf der Baustelle des historischen Gebäudes schon drunter und drüber ging.
Doch wer eigentlich die Verantwortung trägt, darauf gibt es auch nach heftigem verbalem Schlagabtausch in der Sitzung keine Antwort. Dieser mündete in einem energischen Wortgefecht von Harald Würtenberger (FW) mit OB Philipp Frank über die Frage, warum in dieser Sache nicht auch der zuständige Planer Rede und Antwort stehe. Die Auseinandersetzung gipfelte darin, dass OB Frank Würtenberger letztlich einen Verweis aussprach. Erst Petra Dorfmeisters Eingreifen trug zur Klärung der Lage bei.
Dass dies zugleich Franks einzige Einlassung zu der ganzen Angelegenheit war, stieß auch dem Gemeinderat sauer auf: „Ich hätte mir schon auch ein offenes Wort vom Oberbürgermeister gewünscht“, fasste es Jörg Holzbach zusammen. Denn nicht nur gehe es um die Aufarbeitung einer „Zeit, die für Waldshut-Tiengen nicht gut war“, sondern die gleichsam auch „Spiegel der Probleme zwischen OB und dem damaligen Baubürgermeister ist“, so Holzbach weiter. Ohnehin müsse im Zweifel „immer der mit dem größten Hut auf“ auch die Verantwortung tragen. Aber auch diese Kritik ließ Frank unerwidert.
Stadt hat Kontrolle über das Projekt verloren
Die langfristigen Krankheitsausfälle des damals zuständigen Mitarbeiters, die dauerhafte Unterbesetzung im Hochbauamt, die daraus resultierenden Schwierigkeiten in der Kommunikation, das grundsätzliche Fehlen einer Koordination, die Planungsleistungen hätte zusammenführen und strukturieren können. Die Verwaltung führt eine Vielzahl von Faktoren auf, die mit zu der Misere beigetragen hätten: „In dieser Situation sind zwangsläufig viele Fehler passiert, daraus müssen wir lernen“, konstatierte Petra Dorfmeister.
Vieles deute darauf hin, dass ohne Leitung im Hochbauamt schon vor einigen Jahren alles aus dem Ruder gelaufen sei, räumte Urban ein. Es habe keine ordentliche Ablage mehr stattgefunden, Nachträge seien teils mündlich abgesprochen allerdings nirgends nachvollziehbar hinterlegt worden. Nun sei es gerade bei einer Altbausanierung durchaus nicht unüblich, dass kurzfristig anfallende Aufgaben auf dem kurzen Dienstweg geregelt werden, so Urban.
Im Fall des Kornhauses sei es aber ausgeufert: „Irgendwann ging der Überblick über die Kostenentwicklung verloren und viele Dinge blieben nicht klar geregelt. Einen Kontrollmechanismus hat es nicht mehr gegeben.“
So wurden Leistungen im Bereich Brandschutz bei den bisherigen Abrechnungen ebenso wenig berücksichtigt wie zusätzlich verlegte Rohre oder Beschriftungen bis hin zu Mobiliar und Werbung für die Eröffnungsfeier. Jeder Posten für sich im Grunde ein kleiner Betrag, der sich aber zu einer horrenden Summe aufsummiert habe, je nach Gewerk läpperten sich die Beträge auf zwölf bis 90.000 Euro.
Wie Architekt Hansen näher ausführte, hätten regelmäßige Ortstermine zur Bestandsaufnahme der Arbeiten „über längere Zeit quasi ohne Bauherrn stattgefunden, weil das Amt nicht besetzt war.“ Das habe auch dazu beigetragen, dass die Tragweite der Mehrkosten über längere Zeit unerkannt geblieben sei.
Klar sei allerdings nach eingehender Überprüfung, dass alle gestellten Nachforderungen von Seiten der beauftragten Unternehmen rechtens seien, auch wenn die abgerechneten Leistungen teils mehrere Jahre zurückliegen, so der Architekt. Wenn man den allgemeinen Bauindex zugrunde lege, seien die Kosten sogar immer noch in einem vertretbaren Rahmen.
Stadträte fassungslos über Chaos
Letztlich hatte der Gemeinderat keine andere Option als der Bezahlung der Mehrkosten zuzustimmen. Das tat das Gremium mit 19 Stimmen bei vier Enthaltungen. Aber das Unverständnis blieb bis zum Schluss groß.
„Für einen Laien ist es trotz allem unverständlich, wie so etwas passieren kann, und das zum wiederholten Male“, sagte Annette Klaas (FDP). Und auch Thomas Hilpert (FW) und Dieter Flügel (SPD) konnten nicht umhin als sich zu wundern, dass teils drastische Kostensteigerungen „sich wie ein roter Faden durch die Baugeschichte der Stadt ziehen“.
Konsequenzen wurden gezogen, aber Garantien gibt es keine
Die Hoffnung sei groß, dass es das letzte Mal sei, dass der Gemeinderat im Zusammenhang mit der Kornhaus-Sanierung derartige Entscheidungen treffen müsse. Entsprechende Sicherheitsvorkehrungen und strukturelle Veränderungen seien vorgenommen worden, versicherten Dorfmeister und Urban einhellig. Auch seien noch einmal alle Aspekte des Projekts genau geprüft worden.
Eine Garantie, dass nun wirklich nichts mehr hinterherkommt, gibt es aber offenbar dennoch nicht, wie Urban auf Nachfrage von Petra Thyen (Grüne) erklärte. Denn auch die jetzige Entwicklung sei einigermaßen unerwartet gewesen, und Rechnungen seien „plötzlich von überall her aufgetaucht“.