Eine Strichliste haben Thomas Binkert und Nadine Siebert nicht geführt, aber an die 1000 der stachligen Gesellen dürften schon bei ihnen vorübergehend Zuflucht gefunden haben. Dies als „Sorgenkinder“, die Hilfe brauchten. Thomas Binkert und Nadine Siebert betreiben seit gut zehn Jahren in der Tiengener Neumattstraße ehrenamtlich eine kleine Igel-Pflegestation.

Die Tiere sind verletzt, krank, schwach oder zu klein

Die Igel, die zu ihnen gebracht werden, sind verletzt, krank, geschwächt oder einfach zu klein und leicht, um Winterschlaf zu halten und so die kalte Jahreszeit zu überstehen.

„Etwa 600 Gramm braucht ein Igel für den Winterschlaf“, sagt Thomas Binkert. Jüngst versorgte er mit seiner Lebensgefährtin fünf Igel, die noch zunehmen mussten, bis sie kontrolliert in den Winterschlaf versetzt werden können.

Bis sie alleine fressen können, bekommen die Igel Ersatzmilch.
Bis sie alleine fressen können, bekommen die Igel Ersatzmilch. | Bild: Thomas Binkert/Nadine Siebert

Dem Lokführer Thomas Binkert ist vor vielen Jahren im Garten seiner Lebensgefährtin Nadine Siebert ein Igel über die Füße gelaufen und aus einem allgemeinen Interesse an dem einzigartigen Tier ist Profiwissen geworden.

Die Igelkennerin Iris Hander aus Murg-Hänner war die Lehrerin von Thomas Binkert und Nadine Siebert, und einschlägige Literatur – vor allem vom Verein Pro Igel – war und ist bis heute den beiden eine große Hilfe.

Erster Check

Kommt ein Igel zu ihnen, wird er zunächst genau in Augenschein genommen. Sichtbare, äußere Parasiten werden sofort entfernt und anschließend untersucht Thomas Binkert Kot des Tiers unter dem Mikroskop, um mögliche Parasiten im Körper des Igels festzustellen.

Erst ein paar Tage alt ist dieses Igel-Baby – die Stacheln sind noch ganz weich und die Augen geschlossen.
Erst ein paar Tage alt ist dieses Igel-Baby – die Stacheln sind noch ganz weich und die Augen geschlossen. | Bild: Thomas Binkert/Nadine Siebert

Steht ein Befund fest, wird der Igel entsprechend medikamentös behandelt. Immer mal wieder müssen die beiden auch eine Igel-Mutter ersetzen und winzige Igel-Babys per Pipette mit einer speziellen Ersatzmilch füttern.

Dies ist in der ersten Zeit alle zwei Stunden notwendig. Sie rühren hierfür Welpenersatz-Pulver an. Kuhmilch würden Igel nicht vertragen. Wenn sie älter sind, bekommen ihre Igel handelsübliches Igelfutter und Katzenfutter.

Nicht alle, aber einen großen Teil ihrer stachligen Patienten haben die beiden Igel-Kümmerer über die Runden gebracht und wieder ausgewildert. Einmal auch ein Igel-Dame, die als Baby in ihre Obhut kam, Mary getauft wurde und durch ihre Farbe auffiel: Mary war blond. Nachdem sie kräftig genug war, haben sie Thomas Binkert und Nadine Siebert in Hottingen im Hotzenwald ausgewildert.

Das ist Mary, einer von zwei blonden Igeln, die in der Igel-Pflegestelle in Tiengen aufgezogen und danach ausgewildert wurden.
Das ist Mary, einer von zwei blonden Igeln, die in der Igel-Pflegestelle in Tiengen aufgezogen und danach ausgewildert wurden. | Bild: Thomas Binkert/Nadine Siebert

Einen besonderen Stellenwert hat auch der kleinste Igel, den die beiden aufgepäppelt haben. „Er wog 29 Gramm und wir haben ihn tatsächlich durchgekriegt“, erzählt Thomas Binkert.

Nicht vergessen hat er auch den Igel, der wegen Milben sein komplettes Stachelkleid verloren hatte. Seine bloße Haut wurde immer spröder und rissiger und Binkert versuchte es mit Babyöl. Es half. Durch das Einreiben erholte sich die Haut und neue Stacheln wuchsen nach.

Auch wenn Thomas Binkert und Nadine Siebert nach wie vor mit Herz und Leidenschaft für Igel da sind, kommen sie manchmal an ihre Grenzen. Beide sind voll berufstätig, und die Haltung und Versorgung der Igel braucht Zeit und kostet auch Geld.

Blick ins Freigehege der Tiengener Igel-Pflegestation.
Blick ins Freigehege der Tiengener Igel-Pflegestation. | Bild: Thomas Binkert/Nadine Siebert

Sie freuen sich deshalb immer über Unterstützung und regen an, sich nach dem Finden verletzter oder kranker Igel erste Infos im Internet beim Igelschutzverein (www.pro-igel.de) zu holen und das Tier gegebenenfalls auch zu Tierärzten zu bringen. Nicht alle, aber einige würden sich mit Igeln auskennen.

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