Klimaschutz und das Erreichen von Klimaneutralität bis zum Jahr 2040 hat sich auch die Stadt Waldshut-Tiengen schon vor Jahren groß auf ihre Fahnen geschrieben. Hier die Weichen in die richtige Richtung zu stellen und Maßnahmen zu entwickeln – das gehört zu den Aufgaben des Klimaschutzmanagers Nicolai Müller. Seit gut drei Jahren ist er in diesem Amt tätig. Doch was hat er eigentlich bewirkt? Und wie realistisch ist es überhaupt, dass die Ziele auch umgesetzt werden können?
Klimaschutz hat an Bedeutung gewonnen
Im Grunde kam Nicolai Müller im Juni 2021 genau zur rechten Zeit als Klimaschutzmanager von Waldshut-Tiengen an Bord – wobei genau genommen die Stadtwerke Waldshut-Tiengen sein Arbeitgeber sind.
Das Thema Klimaschutz hatte damals gerade richtig Fahrt aufgenommen. Erst im April jenes Jahres hatte der Gemeinderat dem Beitritt zum Baden-Württembergischen Klimapakt zugestimmt. Dieser sieht Klimaneutralität bis 2040 vor.
Bei seiner Arbeit habe er auch nicht bei null anfangen müssen, sondern habe einige vorhandene Punkte und Vorgaben bereits aufgreifen können. Es gab zum Beispiel bereits ein Klimaschutzkonzept. Dieses sei aber 2021 so sehr in die Jahre gekommen, dass eine dringende Aktualisierung notwendig war. Diese sei aufgrund verschiedener Faktoren noch nicht ganz abgeschlossen, befinde sich aber kurz vor der Fertigstellung.
Deutlich weiter ist die Stadt jetzt bei der kommunalen Wärmeplanung, einem Projekt, das schon Ende 2021 auf die Agenda gekommen war, und mit dem auch er persönlich Neuland betreten habe. „Die klimaneutrale Wärmeversorgung ist Ziel dieser Planung“, fasst er es zusammen.
An einigen Stellen geht es in die Praxis
Das E-Mobilitätskonzept laufe derweil bereits. Es dient als Basis für den Ausbau der Ladeinfrastruktur. Außerdem werde auf dieser Basis unter anderem der städtische Fuhrpark schrittweise auf Elektro-Fahrzeuge umgestellt.
„Man wünscht sich immer, dass man mehr zeigen kann, oder auch Projekte schon in der Umsetzung sind“, räumt Nicolai Müller ein. Aber die grundlegende Bestandsaufnahme der vergangenen Jahre sei unterm Strich für die weitere Arbeit unerlässlich gewesen. „Das kann alles in die praktische Arbeit übernommen werden“, so Müller.

Die Wärmeplanung zum Beispiel sei als Basis für konkrete Projekte zu verstehen, die in den kommenden Jahren umgesetzt werden. „Dazu gehören Photovoltaik-Anlagen auf öffentlichen Dächern oder Freiflächenanlagen“, verdeutlicht Müller. Dazu zählten perspektivisch aber auch der Ausbau der Wärmenetze in der Stadt und die Transformation von Erdgas zu regenerativen Energiequellen.
Die Stimmung in der Bevölkerung
Seitens der Bürger sei durchaus Interesse an den kommunalen Themen und Projekten feststellbar, sagt der Klimaschutzmanager. Das gelte vor allem bei den Dingen, die praktische Vorteile beinhalten: „Wir bekommen viele konkrete Fragen nach Anschlüssen ans Wärmenetz“, so Müller.
Dies habe sogar deutlich zugenommen, seitdem die Eignungsgebiete für Wärmenetze genauer definiert wurden. Problem: „In vielen Bereichen können wir noch gar keine konkreten Zusagen machen, weil es noch keine Umsetzungsplanung gibt.“ Ausnahmen seien die Netzerweiterungspläne der Stadtwerke Waldshut-Tiengen im Allmendweg und in Gurtweil.
Auf der anderen Seite sei die Resonanz bei Infoveranstaltungen rund um Themen wie Sanieren, Heizen oder Photovoltaik durchaus überschaubar. Angebote wie das Car-Sharing seien relativ zögerlich genutzt worden wie erhofft und wurden daher inzwischen wieder reduziert. Eine Erklärung für die Zurückhaltung an diesen Stellen zu geben, fällt aber auch dem Klimaschutzmanager schwer.
Wie realistisch ist die Umsetzung der städtischen Ziele?
Es bleiben kaum 16 Jahre, um die nun erarbeiteten Plänen und Konzepte so umzusetzen, dass das Ziel kommunale Klimaneutralität für Waldshut-Tiengen erreicht werden kann. Eine realistische Aussicht?
„Es ist auf jeden Fall ein ambitioniertes Ziel, das wir uns gesetzt haben“, sagt Nicolai Müller. Insbesondere das Vorhaben, alle städtischen Liegenschaften klimaneutral zu machen, sei mit erheblichen Aufwendungen und hohen Investitionen verbunden – nicht zuletzt, weil viele davon denkmalgeschützt seien.
Aber: „Die Stadt ist gewillt, diesen Weg zu gehen, und aus dem Gemeinderat haben wir eine große Unterstützung dafür“, so Müller. Das Gremium habe sich sogar zur treibenden Kraft hinter den Bemühungen entwickelt. Das sei auf jeden Fall eine Erleichterung für seine Arbeit – und ein wichtiges Signal.

Gleichzeitig dürfe man auch die Augen nicht davor verschließen, dass die Stadt in erster Linie mit gutem Beispiel vorangehe. „Die kommunalen Liegenschaften machen nur zwei Prozent am gesamten CO2-Ausstoß und Energiebedarf in Waldshut-Tiengen aus.“
Vor allem komme es also darauf an, die Bürger von der Sinnhaftigkeit der Maßnahmen zu überzeugen und sie zum Mitmachen zu bewegen. Dass es eine Reihe von Fördermöglichkeiten gebe, erleichtere dieses Unterfangen, sagt Müller: „Da müssen wir einfach dran bleiben und immer wieder für unsere Anliegen werben.“
Und die persönliche Bilanz?
Drei Jahre Klimaschutzmanager einer Stadt im ländlichen Raum zu sein – wie fällt da die Bilanz aus? „Ich bin froh, dass ich diese Arbeit machen kann“, sagt Müller. Sie sei nicht nur wichtig, sondern auch ungemein vielfältig.
Gleichwohl konstatiert er auch: „Ich bin nicht mehr ganz so idealistisch wie am Anfang.“ Als frisch gebackener Uni-Absolvent sei er mit großen Ideen ans Werk gegangen. In der Realität zeige sich indes, dass es immer wieder Gründe geben, warum gute Initiativen nicht so schnell voran kommen wie erhofft.
Dabei dränge die Zeit, es brauche schnelle, pragmatische Maßnahmen, um dem Klimawandel zu begegnen und bestenfalls das Ruder herumzureißen: „Dazu müssten aber alle an einem Strang ziehen. Nicht nur auf kommunaler oder sogar Bundesebene, sondern weltweit“, ist Müller überzeugt.