Kann man ein Objekt von 144 Metern Höhe und maximal 120 Metern Durchmesser übersehen? Zumindest in gewisser Weise gewöhnen kann man sich wohl an seinen Anblick. Denn der Kühlturm des Schweizer Atomkraftwerks Leibstadt schickt gegenüber von Waldshut immerhin seit dem Jahr 1984 seine gewaltige Dampffahne in den Himmel. Vor allem wer nach der Inbetriebnahme des Reaktors geboren ist, kann sich das Hochrheintal ohne den Reaktorkomplex bestimmt gar nicht so recht vorstellen.
Besucher wiederum, die das erste Mal kommen, zeigen sich je nach persönlicher Einstellung erstaunt bis besorgt von dem Anblick, der sich etwa bei der Anfahrt aus dem Schwarzwald über die B 500 bietet. Seit Jahrzehnten kursieren sogar immer wieder mal Gerüchte, denen zufolge Anreisende, die zu einem beruflichen Bewerbungsgespräch nach Waldshut wollten, angesichts der kerntechnischen Perspektive schnurstracks umgekehrt sein sollen. Die örtliche Bürgerinitiative „Zukunft ohne Atom“ hat auf ihrer Internet-Seite ihr Ziel scheinbar vorweggenommen: Ein Foto zeigt dort, wo beim Dörfchen Full der Gigant aus Beton errichtet wurde, nur eine über der idyllischen Landschaft schwebende Wolkenbank. Was auf den ersten Blick wie eine Fotomontage aussieht, ist jedoch nur der Wetterlage zum Zeitpunkt der Aufnahme zu verdanken. Weil das Werk ja noch bis 2045 laufen soll und nicht damit zu rechnen ist, dass die Schweizer Politik auf deutsche Abschaltforderungen eintritt, wird sich an der Präsenz der Anlage so schnell nichts ändern. Bis dahin muss es reichen, dass die Natur – derzeit im Winter immer wieder mal mit diffusen Nebelvorhängen – bisweilen das atomare Monument verhüllt.