Die Jahreszahl 2023 steht bereits auf dem fertigen Fundament der neuen Schlüchtbrücke in Gurtweil. Diese sogenannte Matrize dokumentiert, wann ein Bauwerk entstanden ist. Im Fall des geplanten Stegs für Fußgänger und Radfahrer im größten Waldshut-Tiengener Ortsteil ist allerdings fraglich, ob die Bauarbeiten noch 2023 abgeschlossen werden können.

Momentan sieht es laut dem Leiter des städtischen Tiefbauamts, Theo Merz, nicht danach aus. Auf Nachfrage dieser Zeitung erläutert der studierte Bauingenieur vor Ort in Gurtweil den Grund für die Verzögerung.

Die Fundamente stehen schon

„Bis jetzt hat‘s planmäßig geklappt“, sagt Theo Merz und zeigt auf die Fundamente samt den sogenannten Widerlagern und Auflagerbänken, die bereits an den sich gegenüberliegenden Ufern der Schlücht errichtet wurden. Damit die Pater-Jordan-Straße den Ortskern wieder mit dem Wohngebiet rund um die Königsberger Straße verbindet, fehlt nur noch der 28 Meter lange und 27 Tonnen schwere Überbau aus Stahl.

Die Zahl 2023 ist bereits am Fundament zu sehen. Ob die Schlüchtbrücke noch dieses Jahr fertiggestellt wird, ist derzeit ungewiss.
Die Zahl 2023 ist bereits am Fundament zu sehen. Ob die Schlüchtbrücke noch dieses Jahr fertiggestellt wird, ist derzeit ungewiss. | Bild: Juliane Schlichter

„Eigentlich sollte dieser momentan angefertigt werden“, erklärt der Tiefbauamtsleiter. Doch habe sich bislang kein Stahlbauunternehmen bereit erklärt, den Auftrag anzunehmen und auszuführen.

Im Oktober 2021 war die 96 Jahre alte Schlüchtbrücke abgerissen worden. Die Standfestigkeit des Bauwerks war nicht mehr gegeben. Vier Wochen nach dem Abbruch stimmte der Gemeinderat von Waldshut-Tiengen der Entwurfsplanung für den Neubau zu. In seiner Sitzung im Oktober 2022 vergab das Gremium die Erd-, Rohrverlegungs-, Beton- und Stahlbetonarbeiten für das Bauwerk.

Die alte und die neue Schlüchtbrücke

Theo Merz schildert, wie es anschließend weiterging. Im November 2022 habe die Verwaltung die Herstellung des Überbaus aus Stahl für die neue Schlüchtbrücke öffentlich ausgeschrieben. „Im Dezember zeigte sich, dass die Angebotseinholung sehr schleppend läuft und lediglich drei Unternehmen die Angebotsunterlagen angefordert haben“, beschreibt er das Verfahren.

Vor Weihnachten 2022 habe eine Firma angefragt, ob die Angebotsfrist verlängert werden könne. Um vier Wochen habe die Verwaltung daraufhin das Zeitfenster nach hinten geschoben.

Theo Merz zeigt vor Ort den Plan für die neue Schlüchtbrücke. Weil bislang kein Unternehmen gefunden werden konnte, das den sogenannten ...
Theo Merz zeigt vor Ort den Plan für die neue Schlüchtbrücke. Weil bislang kein Unternehmen gefunden werden konnte, das den sogenannten Überbau aus Stahl produziert, ruht die Baustelle an der Pater-Jordan-Straße. | Bild: Juliane Schlichter

Bis Ende Januar sei dann gerade einmal ein Angebot eingegangen. „Und das war nicht annehmbar“, sagt Theo Merz dazu. „Wir haben die Ausschreibung aufgehoben und den Gemeinderat informiert, dass wir beschränkt ausschreiben möchten“, berichtet er, wie es weiterging.

Bei einer beschränkten Ausschreibung werden nach der Vergabeordnung Unternehmen gezielt angeschrieben. „Dies ist zulässig, wenn die öffentliche Ausschreibung keinen Erfolg hat“, erklärt Merz. Dem Tiefbauamtsleiter zufolge hat seine Abteilung bereits bei mehreren Firmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz vorgefühlt, ob grundsätzlich Interesse an dem Auftrag bestehe.

Fertigstellung 2023 unwahrscheinlich

„Die Resonanz lautet so: Das Interesse ist da, das Bauwerk zu errichten, aber die Auftragsbücher sind mehr als voll“, schildert Theo Merz die Gespräche mit den Unternehmen. Aus diesem Grund stelle keiner der Befragten eine Fertigstellung der Konstruktion noch in diesem Jahr in Aussicht.

„Jetzt schauen wir, dass wir so schnell wie möglich die beschränkte Ausschreibung rausbringen“, sagt der Tiefbauamtsleiter über den nächsten Schritt. Der Gemeinderat müsse dafür zunächst den Auftrag erteilen. Zum weiteren Terminplan könne er wegen des laufenden Verfahrens derzeit keine näheren Angaben machen.

Über die derzeit schwierige Situation, Unternehmen für die Ausführung von Gewerken zu finden, sagt Theo Merz: „Ich bin seit über drei Jahrzehnten in diesem Job, aber so habe ich es noch nie erlebt.“ Im Kanalbau und anderen Standardmaßnahmen des Tiefbaus klappe es gut. „Aber im Stahlbau da merkt man die hohe Auslastung“, fügt er hinzu.

Ein Video vom Abriss der 96 Jahre alten Schlüchtbrücke sehen Sie hier.

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