Barrierefreiheit ist nicht nur zu Zeiten von Kommunalwahlen ein wichtiges Thema. Laut dem Statistischen Bundesamt waren im Jahr 2021 7,8 Millionen Menschen in Deutschland körperlich schwerbehindert. Das macht einen Anteil an der Gesamtbevölkerung von etwa 9,4 Prozent aus. Viele Parteien haben den Ausbau der Barrierefreiheit im öffentlichen Raum als Ziel in ihren Wahlprogrammen verankert.
Auch die Freien Wähler Waldshut-Tiengen fordern den Ausbau der Barrierefreiheit bei Bushaltestellen, Unterführungen, Bahnhöfen und in den Innenstädten. Wie gut es um die Barrierefreiheit tatsächlich bestellt ist, testeten Mitglieder der Partei vergangene Woche in der Waldshuter Innenstadt mithilfe von Rollstühlen und einem Kinderwagen. Die Fazits zu den einzelnen Stationen fielen mitunter recht deutlich aus.
- Eingänge zum Rathaus: Der Vordereingang zum Rathaus in der Kaiserstraße ist für Rollstuhlfahrer nicht zu überwinden. Hier fehlt also eine barrierefreier Zugang. Anders sieht es beim Eingang an der Gebäuderückseite in der Wallstraße aus. Hier gibt es einen barrierefreien Zugang, allerdings ist im Rathaus selbst nur das Erdgeschoss für gehandicapte Menschen problemlos zugänglich.

- Unterführung an der Walltorstraße: Rollstuhlfahrer können sich die Querung der Bundesstraße mithilfe der Unterführung an der Walltorstraße aus dem Kopf schlagen. Von Barrierefreiheit keine Spur. Auch die an der Seite angebrachte Rampe, die offensichtlich für Kinderwagen und Fahrräder gedacht sein soll, zeigt sich im Test als viel zu steil. „Das ist absolute Kamikaze, hier runterfahren zu wollen“, bringt es Dominik Brox auf den Punkt.

- Eingang zur Heinrich-Hansjakob-Schule: Auch der Eingang zur Grundschule am Johannisplatz als öffentliche Einrichtung ist für Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen nicht barrierefrei betretbar. Dafür gibt es im Test Daumen nach unten.

- Zugang zum Kornhaus: Positiv zeigt sich im Check das neue Kornhaus. Der inzwischen reparierte Aufzug an der Außenseite ermöglicht einen barrierefreien Zugang etwa zur Stadtbibliothek und den anderen im Gebäude untergebrachten Einrichtungen. „Das klappt super“, bestätigt Christian Hoch bei seinem Test mit dem Rollstuhl.

- Parkhaus am Kornhaus: Gemischt fällt die Bilanz zur Kornhaus-Parkgarage aus. Obwohl die Behindertenparkplätze auf den Parkdecks nahe der Türen sind und das Gebäude über einen Lift verfügt, fielen kleinere Mängel beim Praxistest auf. Da ist zum einen der Zugang zum Vorraum mit dem Kartenautomaten. Obwohl dieser ebenerdig ist, hatte Tester Christian Hoch Schwierigkeiten, über die Schwelle am Boden zu gelangen. Auch ist der Eingang so schmal, dass Rollstuhlfahrer aufpassen müssen, ihre Hände nicht einzuklemmen. Auch nicht ganz perfekt: Das Öffnen der Metalltüren zu den Parkdecks ist für Menschen im Rollstuhl schwierig. Allerdings rasten die Türen ein, sobald sie ganz geöffnet werden, was bei den Testern gut ankam. Fazit der Freien Wähler: Akzeptabel, aber noch mit Luft nach oben.
- Zugang zum Bahnhof: Die Überquerung der B34, um etwa zum Bahnhof zu kommen, stellt für Menschen mit körperlichen Einschränkungen einige Probleme dar. Zwar gibt es am Busbahnhof eine Unterführung, die auch barrierefrei ist. Allerdings kommt man damit nur zu Gleis 1, das in Richtung Singen führt. Zu den Gleisen 2 und 3 (Richtung Basel) gibt es leider keine Möglichkeit eines barrierefreien Zugangs.

- Zugang zum AOK-Gesundheitszentrum: Auf den ersten Blick zeigt sich der Zugang zum AOK-Gesundheitszentrum, direkt am Busbahnhof gelegen, barrierefrei: Eine lange Rampe führt hinunter zum Platz und zum Gebäude. Im Praxistest zeigt sich dann aber: Als Rollstuhlfahrer hat man recht Mühe, die Rampe hochzukommen. Auch ist die Lösung mit Pflastersteinen eventuell nicht ganz optimal.

Das Fazit
Der Test habe gut gezeigt, das es beim Thema Barrierefreiheit noch Handlungsbedarf in Waldshut gibt, so Jörg Holzbach in seinem Fazit. Besonders wichtig sei ein unkomplizierter Zugang zu allen Gleisen am Bahnhof, so die durchgängige Meinung aller Test-Teilnehmer. Die Hoffnung sei, dass mit der Elektrifizierung der Hochrheintrasse dieses Problem angegangen wird. Und Peter Kaiser erklärte im abschließenden Gespräch, dass „die Barrieren behindern, nicht der Rollstuhl“.