Der Raubmord geschah im Wald bei Hegne im Jahr 1699. Der Täter: Christian Valaster aus Montafon. Einen Hinweis auf dieses Verbrechen, das auf der Richtstätte östlich von Allensbach gesühnt worden war, hatte der SÜDKURIER bereits im vergangenen Sommer gefunden.

Der Historiker und Archivar Friedemann Scheck, Leiter des Kreisarchivs, hat mittlerweile die Akte gefunden, in der dieser Fall festgehalten ist. Es seien zwei reisende Händler gewesen. „Der eine erschlägt seinen Reisegenossen, um dessen Geldbeutel zu rauben.“

Der Leiter des Kreisarchivs Friedemann Scheck hat schon viele Belege für Hinrichtungen bei Allensbach gefunden – vor allem in zwei ...
Der Leiter des Kreisarchivs Friedemann Scheck hat schon viele Belege für Hinrichtungen bei Allensbach gefunden – vor allem in zwei Protokollbüchern des früheren Klosters Reichenau, die im Landesarchiv Karlsruhe sind. | Bild: Zoch, Thomas

Nachdem die Leiche entdeckt worden war, habe Valaster zunächst versucht, sich herauszureden. „Jemand sei aus dem Wald gekommen und habe sie überfallen“, lautete seine Version laut Akte. Doch weil er den Geldbeutel des Erschlagenen noch bei sich trug, sei er überführt gewesen und habe dann gestanden, berichtet Scheck. „Er wurde gerädert.“

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Der Historiker meint, dass diese besonders brutale Art der Hinrichtung gewählt wurde, weil es ein Raubmord aus purer Habgier und hinterrücks gewesen sei. Dem Delinquenten wurden dabei mit einem Wagenrad zunächst alle Knochen an Armen und Beinen zertrümmert, dann wurde er geköpft, der Torso auf ein Rad gebunden und zur Schau gestellt.

Der Kreisarchäologe Jürgen Hald hatte bei der Grabung im vergangenen Frühsommer das Skelett eines Geräderten gefunden. Doch ob es die Reste von Valaster seien, könne er noch nicht sagen, so Scheck. Er habe bisher acht Fälle entdeckt, bei denen die Delinquenten gerädert worden seien.

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Zum Fall Valaster habe er eine Einzelakte gefunden, erklärt der Historiker. Doch seine wesentlichen Quellen seien bisher zwei Protokollbücher aus dem früheren Kloster Reichenau, die im Generallandesarchiv Karlsruhe aufbewahrt werden. In dem einen gebe es Einträge zu Fällen aus den Jahren 1550 bis 1590, so Scheck. Er denke aber, dass einige Einträge später gemacht worden seien und die Fälle bis ins Jahr 1520 zurückreichten.

Insgesamt seien in diesem Buch 38 Urteile und Hinrichtungen festgehalten: von Diebstahl über Totschlag und Mord bis zu rund einem Dutzend Fällen von Hexerei, wofür überwiegend Frauen hingerichtet worden seien. Das andere Protokollbuch reiche von 1737 bis 1792, enthalte aber nur zwei Fälle. „Das deckt sich mit der Strafjustizforschung“, erklärt Scheck.

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Während im 16. Jahrhundert Todesurteile schon für mehrfachen Diebstahl verhängt wurden, sei man im 17. und vor allem im 18. Jahrhundert dazu übergegangen, vermehrt Freiheitsstrafen auszusprechen. „Es wird nach und nach humaner“, so der Historiker. Er meint, durch diese beiden Bücher gebe es möglicherweise für diese zwei Zeiträume eine recht lückenlose Überlieferung dessen, was auf der Richtstätte bei Allensbach geschah.

Für das 17. Jahrhundert fehlen so ein Buch und bisher auch sonstige Belege für Fälle, so Scheck, aber: „Es ist klar, dass dort auch im 17. Jahrhundert Hinrichtungen stattfanden.“ Es sei vermutlich einfach nicht so Protokoll geführt worden wegen des 30-jährigen Krieges (1618 bis 1648). „Ich kann aktuell von 41 gesicherten Hinrichtungen ausgehen.“ Doch er denke, dass er noch Belege für mehr Fälle finden werde, seine Arbeit sei noch nicht beendet.

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Auch für Hinrichtungen, die vor 1500 stattfanden, wobei in früheren Zeiten der Galgen und die Richtstätte des Klosters Reichenau möglicherweise auch noch an einem anderen Ort gewesen seien. Ab 1540 unterstanden das Kloster und damit die Gerichtsbarkeit dann dem Bischof von Konstanz.

Für diese Fälle hat Friedemann Scheck Belege gefunden:

  • 1531: Der Thurgauer Bartel Joß ermordet einen Bürger aus Zürich. Weil der Täter in Wollmatingen gefasst worden war, wurde er ans Kloster Reichenau ausgeliefert. Joß wurde mit dem Schwert hingerichtet. Dies galt bislang als ältester überlieferter Fall.
  • 1557: Eine Frau aus Wollmatingen wurde unter dem Vorwurf der Hexerei verurteilt und verbrannt. Letzteres sei bei Hexerei in der Regel die Strafe gewesen, aber die Opfer seien möglicherweise zuvor erdrosselt worden.
  • 1559: Ein Mörder aus Wollmatingen wurde zunächst zum Rädern verurteilt, dann jedoch „begnadigt zum Schwert“ als weniger brutale Tötungsmethode und dann posthum noch gerädert.
  • 1581: Eine Frau war der Hexerei beschuldigt worden, starb aber bereits im Gefängnis – möglicherweise aufgrund von Folter, so Scheck. Die Tote wurde zunächst auf der Richtstätte verscharrt. Dann wurde auch deren Tochter der Hexerei bezichtigt und diese sagte gegen die Mutter aus. Das sei rechtlich wohl als Beweis gewertet worden, so Scheck. Jedenfalls wurde der Leichnam der Mutter wieder ausgegraben und verbrannt. Das zeige, so Scheck, dass die Strafe damals nicht nur zur Sühne und Abschreckung diente, sondern auch eine Art symbolischer Akt gewesen sei.
  • 1583: Ein Fall, bei dem offenbar fast eine ganze Familie gerichtet wurde: Anna Linzner aus Schussenriedt sowie ihre Töchter Anna Payerin mit dem Ehemann Bath Berchen aus Lauchringen sowie Ursula Payerin und deren Mann Hans Karff von der Reichenau sowie ein Stefan Albrecht aus Darenbeuren und dessen Frau Christina Sonnemännin sowie acht dazu gehörige Kinder wurden festgenommen und in Allensbach eingesperrt. Fünf dieser Personen wurden zum Tod verurteilt: drei Frauen verbrannt und zwei Männer mit dem „Rad und Stangen“ gerichtet. Zuvor waren sie noch mit einer glühenden Zange gequält worden. Gründe für diese Hinrichtungen seien keine bekannt, so Scheck. Der heutige Leiter des Landesarchivs Wolfgang Zimmermann hatte in den 1980er-Jahren in einer Arbeit über Hexenverfolgung am Bodensee diesen Fall aufgelistet. Scheck hat Zweifel, ob es hier tatsächlich um den Vorwurf der Hexerei ging.
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  • 1637: Eine Dominikanerin aus dem Kloster St. Peter in Konstanz sei als Hexe verurteilt und enthauptet worden. Dies berichtete der Allensbacher Heimatforscher Julius Boltze im Allensbach-Buch 1975 ohne Quellenangabe. Scheck erklärt, dafür habe er bisher keinen Beleg gefunden. Der Fall wurde aber ebenfalls von Zimmermann in den 1980ern aufgeführt.
  • 1737: Das sei wohl ein größeres Verfahren gewesen, bei dem es um eine fünfköpfige Bande ging, erklärt Scheck. Zwei Männer wurden wegen mehrfachen Diebstahls zum Tod durch den Strang verurteilt und auch gehängt. Drei zur Bande gehörende Frauen wurden an den Pranger gestellt, ausgepeitscht, gebrandmarkt und des Landes verwiesen. Wozu Scheck erklärt, dass derart stigmatisierte Personen sich kaum andernorts eine Existenz hätten aufbauen können und deshalb eher kriminell geblieben seien.
  • 1761: Die bisher letzte belegte Hinrichtung bei Allensbach. Ein Mann wurde wegen mehrfachen Einbruchs und Diebstahls mit dem Schwert gerichtet. Ein Teil der gestohlenen Waren wurde in Wollmatingen sichergestellt. Scheck vermutet aber, dass der Täter wohl eher nicht aus der Region kam. Bisher war die letzte Hinrichtung für die Zeit um 1770 überliefert. Ein Raubmörder sei enthauptet worden. Darüber hatte der Allensbacher Heimatforscher Markus Ruf im Allensbacher Almanach im Jahr 1964 berichtet. Der Heimatforscher Stefan Egenhofer, der den Kreisarchäologen mit einer Karte aus dem Jahr 1817 auf den früheren Standort des Galgens hingewiesen hatte, vermutet, dass Ruf damals diesen Fall in der Familie mündlich überliefert bekommen hatte. Es ist möglich, dass damit derselbe Fall gemeint war, bei dem durch die Überlieferung das Jahr verändert und ein Mord dazu gedichtet wurde.
  • Bisher keine Belege gefunden hat Scheck zu zwei aus unsicheren Quellen überlieferten Fällen, bei denen Frauen wegen Hexerei enthauptet worden sein sollen: 1552 eine Elsbalde Muhlmann aus Markelfingen, was ein unbekannter Maler ums Jahr 1900 historisierend gemalt hatte (das Bild ist im Fundus des Reichenauer Museums). Und 1591 eine Klosterfrau aus St. Peter Konstanz, worüber ein Buchautor im Jahr 1860 berichtet hatte. In der Auflistung von Zimmermann über die Hexenverfolgung wird aber für das Jahr 1585 eine Elssbeth Früein aus Markelfingen genannt, die hingerichtet wurde. Möglicherweise diente dieser Fall dem Maler als Inspiration.
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