Ein verwunschener Garten umgibt das Haus von Margot und Roland Spohn in Engen. Wildblumen und -pflanzen leben hier in harmonischem Miteinander. „Gemäht wird nur einmal im Jahr“, sagt Roland Spohn schmunzelnd. Kleine Inseln mit seltenen Blühpflanzen wie der Hummelragwurz bleiben stehen. Eine abgestorbene Kopfweide dient als Insektenhotel, für Ameisenlöwen wurden Terrassenplatten entfernt: Das Ehepaar Spohn lebt seinen Beruf. Der Biologe, Illustrator und Künstler Roland Spohn und seine Ehefrau Margot, die Botanikerin ist, sind Experten auf dem Gebiet der Pflanzenkunde.

Seit 15 Jahren aktualisieren und ergänzen sie den Pflanzen-Almanach „Was blüht denn da?“, eine sogenannte Bibel für Hobbybotaniker. Das Buch erschien im vergangenen Jahr in der 60. Auflage. Doch warum werden Pflanzen, Blumen und Bäume überhaupt noch gezeichnet im Zeitalter von Digital-Fotografie? „Auf einem Foto sind nie alle Merkmale zu sehen“, macht der Biologe deutlich. Minimale Details wie etwa ein behaarter Blattrand, Blattstellungen oder Samenkapseln sind auf Fotos oft entweder nicht sichtbar oder nicht ausgeprägt. „Eine Zeichnung ist daher oft eigentlich ein Phantasieprodukt“.

Auf Bildern ist mehr zu sehen als auf Fotos
Den Zeichenkurs im Biologiestudium betreute Spohn über Jahre hinweg selbst, sein Weg zur Illustration erfolgte autodidaktisch, ebenso der zur Kunst. „Für mich ist es ein nahtloser Übergang von der Illustration zum Phantastischen“, sagt Spohn.
So haben die Bilder, die er seit 35 Jahren malt, einen imaginären Einschlag. Biologische Elemente wie Zellen, Pilze, Insekten, Pflanzen oder Entwicklungsstadien bevölkern die großformatigen Arbeiten und werden kombiniert mit Verweisen und Symbolen zu Gesellschaft, Schauspiel, Tanz, Religion und Astronomie. Roland Spohn verbindet so die Wissenschaft mit der Kunst.
Bedrängung von heimischen Tier- und Pflanzenarten bereitet Sorge
Der Wandel in der Natur sei sichtbar, sind sich Margot und Roland Spohn einig: „Einige Pflanzen sind seltener geworden, dafür gibt es aber auch neue, eingewanderte Arten, die wir aufgenommen haben“, so Margot Spohn. „Wir müssen Abschied nehmen von dem, was bisher bei uns heimisch war“, formuliert es ihr Mann. Die Bedrängung von heimischen Tier- und Pflanzenarten sei schlimm. „Aber was man heute schützt, ist vielleicht in zehn Jahren nicht mehr da.“
So müsse vielleicht auch die Einwanderung neuer, eventuell trockenheitsresistenter Arten als Chance gesehen werden.

Kennengelernt hat sich das Ehepaar während des Studiums. Botanikerin Margot Spohn schreibt die Texte, ihr Mann zeichnet und fotografiert. So auch für den Kosmos Baumführer, der jüngst in zweiter Auflage erschienen ist und Baumarten in ganz Europa vorstellt. Um Exemplare in Natura zu sehen, reiste das Ehepaar auch.

„Wenn wir unterwegs sind, ist Urlaub und Arbeit schwer zu trennen“, sagt Margot Spohn lachend. In der Region landeten sie vor rund zwanzig Jahren. Um den Fahrtweg zwischen Göppingen und Bern, Margot Spohns Arbeitsstelle, zu verkürzen, stießen sie auf den Hegau. „Botanisch war es hier genau richtig“, so Roland Spohn. „Es gibt hier Alpenpflanzen, den Tieflandbereich und Relikte aus der letzten Eiszeit. Auch die Landwirtschaft ist hier nicht so extensiv.“
Interesse und Wissen an heimischen Pflanzen nimmt zu
Die berühmten Orchideenarten im Hegau liegen allerdings nicht in ihrem Fokus. „Die haben ihre Lobby“, so Spohn. Auf Exkursionen versuchen sie, auf die kleinen, unscheinbaren Raritäten hinzuweisen. „Viele haben so kleine Blüten, dass sie auf den Orchideenwiesen zertrampelt werden“, so die Biologen. Immerhin nähmen das Interesse und das Wissen um die heimischen Pflanzen wieder zu. „Was man schützen will, muss man kennen“, umreißt es Spohn prägnant.