Ein verwunschener Garten umgibt das Haus von Margot und Roland Spohn in Engen. Wildblumen und -pflanzen leben hier in harmonischem Miteinander. „Gemäht wird nur einmal im Jahr“, sagt Roland Spohn schmunzelnd. Kleine Inseln mit seltenen Blühpflanzen wie der Hummelragwurz bleiben stehen. Eine abgestorbene Kopfweide dient als Insektenhotel, für Ameisenlöwen wurden Terrassenplatten entfernt: Das Ehepaar Spohn lebt seinen Beruf. Der Biologe, Illustrator und Künstler Roland Spohn und seine Ehefrau Margot, die Botanikerin ist, sind Experten auf dem Gebiet der Pflanzenkunde.

In Roland Spohns Atelier entstehen neben Pflanzenillustrationen auch Lehrtafeln oder große Szenerien, etwa für das Naturkundemuseum ...
In Roland Spohns Atelier entstehen neben Pflanzenillustrationen auch Lehrtafeln oder große Szenerien, etwa für das Naturkundemuseum Göppingen. Auch ein Natur-Memo-Spiel und Bilderbücher hat er schon gestaltet. | Bild: Holle Rauser

Seit 15 Jahren aktualisieren und ergänzen sie den Pflanzen-Almanach „Was blüht denn da?“, eine sogenannte Bibel für Hobbybotaniker. Das Buch erschien im vergangenen Jahr in der 60. Auflage. Doch warum werden Pflanzen, Blumen und Bäume überhaupt noch gezeichnet im Zeitalter von Digital-Fotografie? „Auf einem Foto sind nie alle Merkmale zu sehen“, macht der Biologe deutlich. Minimale Details wie etwa ein behaarter Blattrand, Blattstellungen oder Samenkapseln sind auf Fotos oft entweder nicht sichtbar oder nicht ausgeprägt. „Eine Zeichnung ist daher oft eigentlich ein Phantasieprodukt“.

Zwei Welten – Roland Spohn mit einer naturgetreuen Illustration und einem seiner Bilder, in denen er im Stil des fantastischen ...
Zwei Welten – Roland Spohn mit einer naturgetreuen Illustration und einem seiner Bilder, in denen er im Stil des fantastischen Realismus‘ biologische und botanische Motive verarbeitet. | Bild: Holle Rauser

Auf Bildern ist mehr zu sehen als auf Fotos

Den Zeichenkurs im Biologiestudium betreute Spohn über Jahre hinweg selbst, sein Weg zur Illustration erfolgte autodidaktisch, ebenso der zur Kunst. „Für mich ist es ein nahtloser Übergang von der Illustration zum Phantastischen“, sagt Spohn.

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So haben die Bilder, die er seit 35 Jahren malt, einen imaginären Einschlag. Biologische Elemente wie Zellen, Pilze, Insekten, Pflanzen oder Entwicklungsstadien bevölkern die großformatigen Arbeiten und werden kombiniert mit Verweisen und Symbolen zu Gesellschaft, Schauspiel, Tanz, Religion und Astronomie. Roland Spohn verbindet so die Wissenschaft mit der Kunst.

Bedrängung von heimischen Tier- und Pflanzenarten bereitet Sorge

Der Wandel in der Natur sei sichtbar, sind sich Margot und Roland Spohn einig: „Einige Pflanzen sind seltener geworden, dafür gibt es aber auch neue, eingewanderte Arten, die wir aufgenommen haben“, so Margot Spohn. „Wir müssen Abschied nehmen von dem, was bisher bei uns heimisch war“, formuliert es ihr Mann. Die Bedrängung von heimischen Tier- und Pflanzenarten sei schlimm. „Aber was man heute schützt, ist vielleicht in zehn Jahren nicht mehr da.“

So müsse vielleicht auch die Einwanderung neuer, eventuell trockenheitsresistenter Arten als Chance gesehen werden.

Sammeln ist wichtig: Roland Spohns Atelier beherbergt auch getrocknete Pflanzenteile, Pilze, Samenkapseln, Schneckenhäuser, Wurzeln, die ...
Sammeln ist wichtig: Roland Spohns Atelier beherbergt auch getrocknete Pflanzenteile, Pilze, Samenkapseln, Schneckenhäuser, Wurzeln, die als Vorlage dienen. | Bild: Holle Rauser

Kennengelernt hat sich das Ehepaar während des Studiums. Botanikerin Margot Spohn schreibt die Texte, ihr Mann zeichnet und fotografiert. So auch für den Kosmos Baumführer, der jüngst in zweiter Auflage erschienen ist und Baumarten in ganz Europa vorstellt. Um Exemplare in Natura zu sehen, reiste das Ehepaar auch.

Um den richtigen Farbton zu treffen, steht dem Pflanzenkünstler eine reichhaltige Palette zur Verfügung. Spohn verwendet ...
Um den richtigen Farbton zu treffen, steht dem Pflanzenkünstler eine reichhaltige Palette zur Verfügung. Spohn verwendet unterschiedliche Techniken und Stilrichtungen. | Bild: Holle Rauser

„Wenn wir unterwegs sind, ist Urlaub und Arbeit schwer zu trennen“, sagt Margot Spohn lachend. In der Region landeten sie vor rund zwanzig Jahren. Um den Fahrtweg zwischen Göppingen und Bern, Margot Spohns Arbeitsstelle, zu verkürzen, stießen sie auf den Hegau. „Botanisch war es hier genau richtig“, so Roland Spohn. „Es gibt hier Alpenpflanzen, den Tieflandbereich und Relikte aus der letzten Eiszeit. Auch die Landwirtschaft ist hier nicht so extensiv.“

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Interesse und Wissen an heimischen Pflanzen nimmt zu

Die berühmten Orchideenarten im Hegau liegen allerdings nicht in ihrem Fokus. „Die haben ihre Lobby“, so Spohn. Auf Exkursionen versuchen sie, auf die kleinen, unscheinbaren Raritäten hinzuweisen. „Viele haben so kleine Blüten, dass sie auf den Orchideenwiesen zertrampelt werden“, so die Biologen. Immerhin nähmen das Interesse und das Wissen um die heimischen Pflanzen wieder zu. „Was man schützen will, muss man kennen“, umreißt es Spohn prägnant.