„Schon früher sind die Schweizer über die Grenze zu uns die Besenwirtschaft getorkelt“, erzählt der Winzer Armin Zolg. Damals habe in der Schweiz nur bis 22 Uhr Alkohol ausgeschenkt werden dürfen. Das war in Deutschland anders. „Die Durstigen aus Ramsen oder Diessenhofen kamen abends zu uns und konnten danach auch zu Fuß wieder heimlaufen“, erinnert er sich. Durch die Besenwirtschaft sei er erstmals in Kontakt mit der anderen Nation gekommen. Bis heute werde die Besenwirtschaft in Gailingen von vielen Schweizern besucht – kein Wunder, ist sie doch an drei Seiten von der Schweiz umgeben.

Dass Zolgs heute für Wein und Wirtschaft bekannt sind, hat eine lange Vorgeschichte. „Als vor 40 Jahren die ersten Reben gepflanzt wurden, fuhr die Familie die ersten fünf Jahre noch zweigleisig mit dem Milchbetrieb“, erklärt Gudrun Zolg. Erst 1994 kam dann die Besenwirtschaft dazu. „Neben Vereinen sind Schweizer Gäste vermutlich unsere größte Kundschaft“, sagt Ehefrau Gudrun Zolg. In der Besenwirtschaft könne man sich gut und eng mit den Nachbarn austauschen – auch wenn sie nur wenige Wochen im Jahr öffnen dürfen.

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Denn Besenwirtschaften sind saisonal geöffnete Weinausschankbetriebe, die nur bis zu vier Monate im Jahr geöffnet sein dürfen. Auf der Speisekarte stehen meist hausgemachte und auf jeden Fall regionale, saisonale Produkte. Winzer können in den eigenen vier Wänden beispielsweise Wein ausschenken.

Erst Kuhmilch, dann Weinbau

„Ich wohne schon immer hier“, erzählt Armin Zolg. Früher sei der Bauernhof in Gailingen ein Kuhmilchbetrieb gewesen. „Mein Vater hat mich schon immer auf dem Hof eingebunden. Seitdem ich zehn Jahre alt bin, helfe ich, wo ich kann“, erinnert sich der 55-Jährige. Seit 40 Jahren wird auf dem Gut inzwischen Wein angebaut – auf einem Gebiet, das zuvor immer wieder vergrößert worden war. „Irgendwann konnten wir aufgrund der Grenze zur Schweiz aber nicht weiter expandieren“, erklärt Zolg. Deswegen erfolgte die Umstellung auf den Weinbau.

Als Winzer haben Armin und Gudrun Zolg das ganze Jahr über viel zu tun. Eingekesselt von drei Seiten durch die Schweiz, ist die Grenze ...
Als Winzer haben Armin und Gudrun Zolg das ganze Jahr über viel zu tun. Eingekesselt von drei Seiten durch die Schweiz, ist die Grenze ihnen ein Vertrauter. | Bild: Jeronimo Hillgruber

Auf eine gute Nachbarschaft

Für Armin Zolg ist der Kontakt zwischen Gailingen und der Schweiz auch außerhalb der Arbeitswelt präsent. „Gailingen kooperiert in sehr vielen Aspekten mit Diessenhofen, dadurch ist die Verbundenheit zu dem Ort auch stärker“, sagt der Gailinger. Als Beispiel nennt er die gemeinsame Arbeit der beiden Feuerwehren in den Orten. Auch ein anderer Umstand macht ihm die Grenze immer wieder bewusst: „Wir sind von drei Seiten von Schweizer Gebiet umgeben. Es gibt viele Zollkontrollen“, sagt der Winzer.

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Früher seien die Grenzkontrollen strenger und regelmäßiger gewesen. Als witzige Anekdote erzählte Zolg: „Früher mussten wir, wenn wir aus Ramsen kamen, einmal an unserer Hofeinfahrt vorbeifahren und erst einmal zum Zoll – nur, damit wir die gleiche Strecke zurück zu unserem Hof fahren durften.“ Heute sei die Lage viel entspannter.

Regen, Sonne und harte Arbeit

Damit die Zolgs auch weiterhin schweizerische Gäste in ihrer Besenwirtschaft begrüßen können, muss auch die Weinlese entsprechend erfolgreich sein – und dafür ist jede Menge Arbeit nötig. Aufs Jahr gerechnet braucht das Ehepaar pro Hektar Weinreben rund 700 Arbeitsstunden, vom Schnitt bis zum Verkauf oder Ausschank, sagt Armin Zolg. Externe Helfer hat das Ehepaar für die Arbeit kaum. „Bei 3,5 Hektar Weinreben bedeutet das 2450 Stunden Arbeit pro Person im Jahr.“ Zum Vergleich: Mit einem Bürojob und einer 40-Stunden-Woche kommt man auf 1700 Stunden im Jahr.

„Als Winzer arbeitet man mal mehr, mal weniger“, erklärt Zolg. Wie seine Frau schildert, könne im Winter auch mal ein, zwei Tage Pause gemacht werden. Weiter meint sie: „Im Sommer kann es aber passieren, dass wir, sobald die Reben wachsen, für 14 Tage am Stück zwölf Stunden am Tag arbeiten.“ Besonders 2024 war für die beiden ein sehr intensives Jahr.

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„Die vielen Regenfälle im Mai und Juni haben uns die Arbeit nicht gerade leicht gemacht“, erklärt der 55-jährige Winzer. Jedoch meint er: „Wir hatten Glück, unsere Ernte ist gut verlaufen und vor allem stimmt die Qualität.“ Damit können die Deutschen und Schweizer auf eine gute Nachbarschaft anstoßen.