An diesem Morgen läuft alles wie am Schnürchen. Pünktlich fährt der Rhyhas ein und spuckt die Pendler aus Singen aus. Um 7.10 Uhr verlässt er den Bahnhof Gottmadingen in Richtung Schaffhausen. Diesmal werden auch die Berufspendler ihre Anschlüsse in Schaffhausen erreichen. Seit 10. Dezember 2022 bedient die SBB die Strecke zwischen Singen und Schaffhausen. Nach jahrelangen Problemen mit der DB Regio hatte das Land Baden-Württemberg die Strecke erstmals mit Qualitätskriterien neu ausgeschrieben.

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Die SBB GmbH überzeugte unter anderem mit ihrem Pünktlichkeitsversprechen. Das einzulösen erweist sich im täglichen Betrieb allerdings als knifflig. Denn nicht alles, was auf der Strecke geschieht, liegt in der Hoheit des neuen S-Bahn-Betreibers. Es gibt äußere Faktoren wie die Rangfolge von Schnell- und Regionalzügen, die den Rhyhas leicht aus dem Takt bringen können. Das führt vor allem bei jenen Fahrgästen zum Verdruss, die beispielsweise in Schaffhausen ihren Anschluss an die S9 Richtung Uster verpassen.

Wer wichtige Termine hat, sollte früher starten

Einer, der davon mehrfach betroffen war, ist Marcel Theiler. Weil der Zug aus Singen zu spät in Schaffhausen ankam, war die S9 schon weg und Theiler musste eine halbe Stunde auf die nächste Bahn warten. Er kam zu spät zu seinen Terminen. Frustriert hat er sich mit seinen Schilderungen an den Leiter der Koordinationsstelle Öffentlicher Verkehr, René Meyer, und an den Schaffhauser Regierungsrat Martin Kessler gewandt. Die Antwort von René Meyer, die ebenfalls dem SÜDKURIER vorliegt, ist wenig tröstlich, weil sie die Abhängigkeit des Rhyhas-Taktes von der Pünktlichkeit des Intercitys von Stuttgart deutlich macht.

Diese haben Vorrang vor dem Rhyhas, weil auch der IC von Schaffhausen weiter nach Zürich fährt und dort möglichst pünktlich eintreffen soll. Wenn der IC also zu spät in Singen abfährt, ist der Anschluss an die S9 nicht zu schaffen. Pendlern bleibe also nichts anderes übrig, als einen Zug früher zu nehmen, wenn sie Termine in der Schweiz pünktlich einhalten müsse. Doch wie häufig kommen solche Verspätungen beim neuen Betreiber vor?

Diese täglichen Pendler sind zufrieden

Zum Faktencheck führt der Weg zu unterschiedlichen Tageszeiten an verschiedene Bahnhöfe. In Singen steht der Rhyhas um 14.30 Uhr schon bereit. Abfahrt nach Schaffhausen ist laut Plan um 14.36 Uhr. Berufspendler und Schüler steigen ein. Eine Frau eilt zum wartenden Zug. „Fantastisch“, sagt sie nur und lobt noch schnell das Platzangebot und die Sauberkeit. Ihren Namen will sie nicht nennen, wohl aber erklären, dass sie täglich fährt und seit dem Fahrplanwechsel noch keine Verspätung erlebt habe.

Das berichtet auch Joachim Dutt, der ebenfalls jeden Tag von Singen nach Gottmadingen mit dem Rhyhas pendelt. „Ich bin sehr zufrieden. Der Zug ist so pünktlich, wie wir es gar nicht gewöhnt sind“, sagt er. Nur am ersten Tag habe es eine kleine Verspätung gegeben.

Pünktlich ist der Rhyhas von Singen in Gottmadingen eingetroffen. Das ermöglicht den Fahrgästen in Schaffhausen einen sicheren Umstieg.
Pünktlich ist der Rhyhas von Singen in Gottmadingen eingetroffen. Das ermöglicht den Fahrgästen in Schaffhausen einen sicheren Umstieg. | Bild: Trautmann, Gudrun

Und wie klappt es in die andere Richtung? Am meisten Ärger gab es in der Vergangenheit morgens um 7.20 Uhr, wenn Schüler und Berufspendler am Gottmadinger Bahnsteig stehen blieben, weil wieder einmal der DB Regio ausgefallen war oder nicht genügend Wagen angehängt waren. Jetzt fährt der Rhyhas mit ausreichender Wagenkapazität pünktlich ein. Am gut gefüllten Bahnsteig gibt es kein Gedrängel, weil mittlerweile alle wissen, dass genug Platz im Zug ist.

Susanne Restle fährt seit Jahresbeginn auch mit und lässt ihr Auto zu Hause stehen. „Ich habe die Verbindung ausprobiert. Ich finde sie wirklich sehr gut“, sagt sie und steigt ein. In Singen wird sie den Anschlusszug nach Konstanz locker erreichen.

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Zufriedene Fahrgäste lassen das Auto gerne zuhause stehen

Ist das nun Zufall, dass alles so reibungslos läuft, oder wird das Pünktlichkeitsversprechen zuverlässig eingehalten? Eine Nachfrage bei der Streckenmanagerin Alexandra Bernauer bringt neuere Zahlen. „In den beiden letzten Januarwochen konnten wir das Versprechen von 98 Prozent Pünktlichkeit sowohl nach deutschem als auch Schweizer Verständnis übertreffen“, erklärt sie. Die SBB GmbH erfasse jede Verspätungsminute.

Hauptsächlich habe eine Verspätung sekundäre Ursachen, wie Zugfolge und Anschluss. An zweiter Stelle nennt Alexandra Bernauer Haltezeitüberschreitungen. Diese können entstehen, wenn sehr viele Fahrgäste einsteigen. Doch warum wurde das bei der Gestaltung des Fahrplans nicht berücksichtigt?

Im Singener Bahnhof wartet ein Rhyhas um 14.30 Uhr auf die Abfahrt nach Schaffhausen. Fahrgäste sind begeistert vom Platzangebot und der ...
Im Singener Bahnhof wartet ein Rhyhas um 14.30 Uhr auf die Abfahrt nach Schaffhausen. Fahrgäste sind begeistert vom Platzangebot und der Sauberkeit. Die Befragten loben auch die Pünktlichkeit. | Bild: Trautmann, Gudrun

Hier kommt der Verkehrs- und Angebotsplaner Mark Stutz vom Kanton Schaffhausen ins Spiel. Bei ihm dreht sich alles um Minuten. Er erzählt von der Wendezeit des IC aus Stuttgart im Singener Bahnhof. Sieben Minuten stehen zur Verfügung, um die Lok zu wechseln. Bei den modernen Doppelstockzügen von Stadler ist das nicht mehr nötig, weil es an beiden Enden einen Führerstand gibt. Aber der Lokführer muss teilweise von einem Ende zum andern laufen, und dafür ist ein Zeitfenster einzuhalten.

Auf den Intercity nach Zürich folgt der Rhyhas und danach kommt der Interregio Express (IRE) nach Basel. „Der Fahrplan lässt sich nicht besser planen“, sagt Mark Stutz. „Alles ist sehr eng getaktet, weil Abhängigkeiten zu anderen Strecken und Zügen bestehen. Aber die Deutsche Bahn schafft es nicht, den IC zwischen Stuttgart und Singen pünktlich zu produzieren.“ Hinzu kommen strenge Regeln: Der Rhyhas darf erst starten, wenn beim Stellwerk in Singen die Nachricht aus Gottmadingen kommt, dass der Intercity eingelaufen ist. „Würde man ein Blocksignal in der Mitte der Strecke bauen, könnte man zwei Minuten sparen“, erklärt Stutz. Aber das sei mit dem alten Stellwerk in Singen nicht zu leisten.

Neue Stellwerktechnik könnte Pünktlichkeit weiter erhöhen

Nur kleinste Verzögerungen lassen sich eventuell auf der Strecke noch ausgleichen. „Eine betriebsstabile Trasse hätten wir, wenn der Rhyhas erst sechs oder sieben Minuten nach dem Intercity abfahren würde“, sagt der Verkehrsplaner. „Aber dann ist es ganz vorbei mit dem Anschluss an die S9 in Schaffhausen.“ Und weil die Strecke zwischen Neuhausen und Rafz weitgehend einspurig ist, gebe es für diesen Zug keine Luft mehr zum Warten.

„Die Erwartungen sind hoch nach dem Desaster mit DB Regio in den vergangenen Jahren“, weiß Verkehrsplaner Mark Stutz. Die Argumente der Kritiker seien richtig. Die äußeren Bedingungen ließen jedoch nicht mehr Spielraum. Tatsächlich gibt es bisher wenig Beschwerden von den Fahrgästen, sondern Lob für die Sauberkeit und das Platzangebot. Und pünktlicher als der Vorgänger ist der Rhyhas allemal.