Es dauerte fast bis zum Jahresende. Doch dann kam der neue Rhyhas aufs Gleis zwischen Singen und Schaffhausen. Pünktlich zum Fahrplanwechsel wurde er offiziell freigegeben. Selten hat man so viele strahlende Gesichter bei einem Behördentermin gesehen. Aber nach der langen Vorgeschichte mit den roten Chaos-Zügen von der DB Regio hatte sich so viel Hoffnung auf das neue Vertragsmodell mit der SBB gerichtet, dass allen Beteiligten gar nichts anderes übrig blieb als zu jubeln.
Vorausgegangen war ein Kampf der Städte und Gemeinden entlang der Strecke. Es ging um Verlässlichkeit, Pünktlichkeit und Qualität. Immer wieder wurden die Bürgermeister von Gottmadingen, Gailingen, Singen und Thayngen vertröstet. Doch besser wurde es kaum. Diese Tatsache war schließlich entscheidend für die vorzeitige Vertragsauflösung zwischen dem Land Baden-Württemberg als Besteller und der DB Regio.
Ganz neu war bei der anschließenden Ausschreibung, dass nicht mehr alleine das günstigste Angebot zählen, sondern die Qualität eine entscheidende Rolle spielen sollte. Denn eines ist klar: Die Mobilitätswende kann nur gelingen, wenn der öffentliche Verkehr reibungslos funktioniert.

Nun wird es darum gehen, die in den vergangenen drei Jahren verprellten Fahrgäste auf die Schiene zurückzuholen. Es geht um zahlreiche Schüler und Berufspendler, von denen etliche auf andere Verkehrsmittel umgestiegen sind. Im besten Fall auf das Fahrrad.
Neuer Schwung für den Radverkehr
Apropos: Auch in dem Bereich gibt es in Gottmadingen immer noch Baustellen. Wer als Radtourist durchs Dorf fährt, kann sich schnell verlieren. Zwar kann man an der B 34 entlang den Ort durchkreuzen, allerdings nur, wenn man mit dem Autoverkehr mit schwimmt. Und das ist nicht unbedingt lustig. Radler suchen immer wieder nach Orientierung. Es gibt also noch viel zu tun. Deshalb hat sich die Gemeinde 2022 in mehreren Bürgerwerkstätten und mit Hilfe von Verkehrsplanern mit dem Thema befasst. Es geht um eine bessere Lenkung des Radverkehrs. Das fängt ganz simpel bei der Beschilderung an.
Engagierte Gottmadinger haben nicht nur viele Ideen, sondern auch Schwung in die Thematik hineingebracht. Und sie haben auch allen Grund dazu: Die Bundesstraße wird in Kürze saniert. Da wäre es dumm, wenn man nicht gleich die Leitungsnetze und die Radwege mit planen würde. Ein Ziel ist der Bahnhof, wo mittlerweile ein modernes Fahrradhaus mit abschließbaren Raum steht. Hier können sich Pendler einen Stellplatz für ihr hochwertiges Fahrrad mieten.
Solardächer? Theoretisch gut, praktisch schwer umsetzbar
Am Fahrradhaus wird sichtbar, was Gottmadingen 2022 auch noch besonders beschäftigt hat: die Energiewende. Auf dem Flachdach sammeln Solarpanels Sonnenenergie ein, die im Rathaus die Computer mit Strom versorgen sollen. Die Verwaltung hat alle öffentlichen Dächer unter die Lupe genommen, um zu prüfen, wo es sich lohnen könnte, Photovoltaikanlagen (PV) zu installieren.

Doch die Erkenntnis ist einigermaßen ernüchternd. Dächer gibt es zwar viele, aber es gibt bisher kein Unternehmen, das die Anlagen im Auftrag der Kommune betreiben möchte.
Ein Grund könnten die bürokratischen Hürden sein. Ein anderer Grund ist aber der Fachkräftemangel in allen Bereichen. Die PV-Anlagen in Eigenregie zu betreiben, kommt für Gottmadingen nicht in Frage. Die Verwaltung ist auch ohne solche Zusatzaufgaben schon überlastet.
Besser geht es der Wohnbaugenossenschaft Gottmadingen (WBG), die ihren Neubaukomplex komplett mit Photovoltaik ausgestattet hat. Dabei spielte auch etwas Glück mit, denn die Großinvestition und Fertigstellung der Wohnungen konnte noch vor den kriegsbedingten Energiekostensteigerungen abgeschlossen werden. Die Mieter profitieren vom regionalen Strom. Die allgemeine Preissteigerung hat die WBG aber dazu veranlasst, ihr nächstes Bauprojekt erstmal zu vertagen.
Glückliche Investitionen vor den Krisenjahren
Noch mehr Glück hatte die Gemeinde mit der Planung und Fertigstellung der neuen Eichendorff-Realschule. Erst in der jüngsten Haushaltsplanberatung zeigten sich die Gemeinderäte mehr als dankbar dafür, dass Gottmadingen dieses Großprojekt sowie den Umbau des Höhenfreibades vor den großen Krisen realisiert hat. Beide tragen zur Aufwertung des wachsenden Industriestandortes bei.

Auch für die Jugend wurde 2022 viel getan. Da konnte zum einen der Dirt-Track in Betrieb genommen werden, auf dem sich junge Biker erproben; zum andern hat die Gemeinde den Jugendlichen eine neue Halfpipe vor die Fahr-Kantine gestellt. Diese Angebote ermuntern die jungen Leute so sehr, dass sie sich auch für weitere Projekte im Dorf engagieren.

2023 entsteht Wohnraum für verschiedenen Interessen
Eines der ganz großen Gottmadinger Projekte ist das Quartier 2020. Das wird die Gemeinde noch über mehrere Jahre beschäftigten. Immerhin ist man sich 2022 schon darüber einig geworden, wie man das Gelände der alten Eichendorff-Realschule weiter entwickeln will. Mit einer sogenannten Konzeptvergabe will die Gemeinde Investoren finden, die inhaltliche Vorgaben in ihre Pläne aufnehmen.
So sollen nicht nur teure Eigentumswohnungen entstehen, sondern auch sozialer Wohnraum geschaffen werden, der verschiedenen Lebensmodellen und Generationen gerecht wird. Dieser Prozess wird bis zum ersten Spatenstich noch viel Zeit in Anspruch nehmen.
Das neue Jahr startet mit einem Dorfgespräch
In den ehemaligen Klassenräumen der alten Eichendorff-Schule sollen zunächst geflüchtete Menschen Unterschlupf finden. Der Landkreis hat die alte Schule angemietet und muss sie sicherheitstechnisch für die neue Nutzung herrichten. Bereits im Juli 2022 hatte Bürgermeister Michael Klinger mit Vertretern des Amtes für Migration und Integration in einem Dorfgespräch über diese Pläne informiert. Die Nachbarn der Schule reagierten mit Skepsis, weil sie befürchten, dass rund 200 fremde Menschen Unruhe in ihre Gegend bringen könnten.
Der Einzug der Geflüchteten – hauptsächlich aus der Ukraine – wurde auf Mitte Januar verschoben. In einem zweiten Dorfgespräch können sich die Gottmadinger am 19. Januar um 17 Uhr vor Ort ein Bild von der Situation machen. Klinger wird mit dabei sein. Er hat bereits eingeräumt, dass er Verständnis für die Sorgen der Nachbarn hat. Er will aber auch zeigen, dass es sich nicht um Luxusunterbringungen handelt, sondern um Notunterkünfte.
Die Unterbringung von Flüchtlingen ist damit nicht erledigt. Die Gemeinde muss 2023 Geld in die Hand nehmen, um Wohnungen für die Anschlussunterbringung von geflüchteten Menschen zu sanieren.
Drei Themen werden auch 2023 wieder präsent sein
Die Erweiterung der Grenzlandhalle in Randegg der Breitbandausbau und die Erneuerung der Thaynger Straße in Ebringen. Wo über Jahre Geduld gefragt war, tut sich jetzt etwas. Auch der große Spielplatz auf der Riedwies in der Dorfmitte, der zum Treffpunkt für alle Generationen werden soll, könnte 2023 fertig werden. Die Gemeinde hat immer mehr Pflichtaufgaben zu erledigen. Die Riedwiese gehört zur Kür.