Vor 50 Jahren hat der FC 08 Gottmadingen das Halbfinalspiel um die Deutsche Amateur-Meisterschaft ausgetragen. Sage und schreibe 3000 Zuschauer feuerten im Katzental die Gastgeber beim Spiel gegen die zweite Mannschaft des VfB Stuttgart an. Im Rückspiel waren unter 8000 Zuschauern in der Landeshauptstadt ein Gutteil Hegauer mit von der Partie. Die Gottmadinger hatten zwar nach den beiden Spielen das Endspiel verpasst, aber nicht einen fulminanten Empfang im Rathaus der Gemeinde mit vielen begeisterten Fans.

Der frühere Geschäftsführer und Organisator Walter Benz mit dem Wimpel des FC 08 Gottmadingen.
Der frühere Geschäftsführer und Organisator Walter Benz mit dem Wimpel des FC 08 Gottmadingen. | Bild: Bittlingmaier, Albert

„Die Erinnerung bleibt“, sagt Winfried Graf, der zur damaligen Mannschaft des FC 08 Gottmadingen gehört hatte, wenn auch nicht zur Stamm-Elf. Im Spiel in Stuttgart wurde er eingewechselt. Sein Anliegen ist es, den besonderen Erfolg und die aufregenden Ereignisse nach 50 Jahren nochmals wachzurütteln. „Ich denke gerade heute etwas wehmütig an die alten Zeiten mit den vielen Zuschauern zurück, wo nun Corona so lange den gesamten Amateursport lange Zeit auf Eis gelegt hat“, betont Graf. 1971 hatten es die Gottmadinger sogar bis in die deutsche Kult-Sendung Sportschau geschafft und auf den großen Sportteil im SÜDKURIER.

„Die männlichen Zuschauer kamen in Sonntagsanzügen ins Katzental.“Bernd Riester, Gottmadingen
„Die männlichen Zuschauer kamen in Sonntagsanzügen ins Katzental.“Bernd Riester, Gottmadingen

Zum Auftakt habe die Mannschaft einem Amateurverein aus Hamburg einen Punkt abtrotzen können, so Winfried Graf. Bereits eine Woche später waren die Norddeutschen die Gastgeber. „‘Wie kommt ihr denn nach Hamburg?‘ Diese Frage stellten uns etliche Gottmadinger“, blickt der damalige Geschäftsführer des FC 08 Gottmadingen, Walter Benz, zurück. Die Antwort: Mit dem Flugzeug“, so Benz süffisant. „Wenn die Reise schon 8000 Mark kostet, muss sie sich auch lohnen. Auch ein Reeperbahn-Besuch ist geplant“, lässt er seine Worte nochmals aufleben.

Ein Bild fast wie in längst vergangenen Tagen. Beim Pokalderby des SC Gottmadingen-Bietingen gegen den 1. FC Rielasingen-Arlen im August ...
Ein Bild fast wie in längst vergangenen Tagen. Beim Pokalderby des SC Gottmadingen-Bietingen gegen den 1. FC Rielasingen-Arlen im August 2019 gab es volle Ränge auf der altehrwürdigen Katzental-Tribüne und dichten Publikumsandrang davor. | Bild: Bittlingmaier, Albert

„Im Leistungszentrum des HSV am Ochsenzoll war die Hegauer Truppe professionell untergebracht. Was kaum mehr erwartet wurde, traf ein: Der FC Gottmadingen erreichte die Zwischenrunde der deutschen Fußball-Amateur-Meisterschaft nach einem Elfmeterschießen“, schildert Jochen Graf.

Das Plakat für die Ankündigung des Spiels gegen den VfB Stuttgart II hängt heute noch im Katzental-Clubheim.
Das Plakat für die Ankündigung des Spiels gegen den VfB Stuttgart II hängt heute noch im Katzental-Clubheim. | Bild: Bittlingmaier, Albert

Die Bild-Zeitung titelte damals „Gärtner mit Superharke“. „Das Blatt zielte auf die Leistung des Gottmadinger Torwarts Alfons Schellhammer, der mit seinen Paraden die Hamburger schier zur Verzweiflung brachte und auch den Sieg im Elfmeterschießen sicherte. Beruflich hatte Schellhammer damals schon einen Gartenbau-Betrieb“, erinnert sich Walter Benz. Und dann schildert er noch eine besondere Episode: „Die Unternehmer Wilfried Fahr und Gustav Emminger gaben mir 1000 Mark mit auf den Weg, die ich in einer Bäckertüte verstaute. Das Geld sollte die Mannschaft als Belohnung auf den Kopf hauen, wenn sie in Hamburg gewinnt“, so Benz.

Mantel mit 1000 Mark vergessen

„Nach einem Kneipenbesuch auf der Reeperbahn vergaß ich den Mantel, in den ich die Tüte mit dem Geld gesteckt hatte. Ich war heilfroh, als er am nächsten Morgen noch samt Inhalt an der Garderobe hing. Vor lauter Freude hing die Mannschaft im Duschraum jeden einzelnen Schein an eine Wäscheleine“, berichtet Benz.

Hier kickt der Nachwuchs des SC Gottmadingen-Bietingen vor der altehrwürdigen, restaurierten Holztribüne, die vor 50 Jahren ob des ...
Hier kickt der Nachwuchs des SC Gottmadingen-Bietingen vor der altehrwürdigen, restaurierten Holztribüne, die vor 50 Jahren ob des Publikumsandrangs beim Halbfinale der Deutschen Amateur-Meisterschaft fast aus den Nähten platzte. | Bild: Bittlingmaier, Albert

Nach zwei erfolgreichen Viertelfinalpartien gegen die Sportfreunde Saarbrücken kam es im Halbfinale zur Begegnung mit den Amateuren des VfB Stuttgart. Die Kicker aus der Landeshauptstadt hatten mit Sawitzki einen ehemaligen Nationaltorwart zwischen den Pfosten und die meisten der aufgelaufenen Techniker aus der Landeshauptstadt waren schon mit Jung-Profi-Verträgen ausgestattet. „Etwas pikiert betraten die Stuttgarter die noch bescheidenen Umkleidekabinen im Katzental und zeigten sich wenig begeistert von der mühevoll aufgepäppelten Spielstätte der Gastgeber.

Aufgepeitscht von einer tollen Kulisse wurde den VfB-lern, die etwas überheblich wirkten, ein 1:1-Unentschieden abgerungen“, schildert Graf. „Es herrschte ein unglaubliche Atmosphäre. Zuschauer so weit das Auge reicht. Das ganze Katzental rund um den Fußballplatz war voll mit geparkten Autos“, blickt der Gottmadinger Bernd Riester zurück. „Ich war damals neun Jahre alt und stand wie andere Jungs auf einem eigens aufgestellten Mittelpodest, um das Spiel zu sehen. Viele Männer kamen an diesem Samstag zum großen Anlass im Anzug, wie sie einen solchen normalerweise nur sonntags tragen“, so Riester.

„Die Stuttgarter waren etwas pikiert, als sie unsere etwas bescheidene Umkleidekabine betraten.“Winfried Graf, früherer ...
„Die Stuttgarter waren etwas pikiert, als sie unsere etwas bescheidene Umkleidekabine betraten.“Winfried Graf, früherer Spieler des FC 08 Gottmadingen | Bild: privat

„Nach der Heimpartie ging es zum Rückspiel. Es gab eine Vorbereitung in der Sportschule in Ruit. Nach dem Besuch des Stuttgarter Fernsehturms herrschte große Vorfreude auf die Partie. In der Kabine vor dem Spiel führte Günter Wölbert, legendärer Sportreporter des Südwestfunks, Interviews mit den Dorfkickern. Draußen warteten unter den 8000 Zuschauern auch viele Hegauer, die auf einen Überraschungssieg hofften. Die Sensation blieb aber aus. Mit 1:5 mussten wir uns tapfer geschlagen geben“, so Graf.

Der Triumph und die tollen Erinnerungen bleiben haften. Und ein Plakat, welches das Spiel gegen den VfB Stuttgart angekündigt hat, hängt seit 50 Jahren im Clubheim des SC Gottmadingen-Bietingen. Es zeigt die mittlerweile in der Landesliga mit beachtlichen Leistungen aufwartende erste Mannschaft, wie sie mit viel Einsatz und Herzblut auf den Erfolgspfaden ihrer Vorgänger wandeln kann.