Ein lebloser Porschefahrer im Regenauffangbecken, ein anderer an einem Autobahnpfeiler Verunglückter und ein junger Mann, der von seinem eigenen Auto überrollt wurde – die Gottmadinger Feuerwehr musste im Spätherbst des vergangenen Jahres innerhalb kurzer Zeit zu dramatischen Ereignissen ausrücken. Dabei konnten sie bei allen dieser Einsätze nur noch feststellen, dass schon vor einer möglichen Rettung drei Menschen zu Tode gekommen sind. „Das führt auch zu seelischen Belastungen von Einsatzkräften“, erklärt Stefan Kienzler, seit 1999 Kommandant der Gottmadinger Feuerwehr. Er ist auch als Vorsitzender des Kreisfeuerwehrverbandes im Austausch mit seinen Kollegen. „Seit 38 Jahren bin ich in der Gottmadingen Feuerwehr tätig, dass wir aber innerhalb weniger Monate gleich zu mehreren Einsätzen dieser Art gerufen wurde, habe ich bisher noch nicht erlebt“, schildert Stefan Kienzler.
Stark belastbare Wehrleute bei heiklen Einsätzen besonders gefragt
„Durch entsprechende Mitteilungen an die Führungskräfte durch die Leitstelle ist das Ausmaß von Ereignissen, wie Verkehrsunfälle, oft schon absehbar“, so Kienzler. In der Regel seien alle Feuerwehrleute auch für solche Einsätze, bei denen Tote zu beklagen seien, bereit. „Wir fragen aber im Einzelfall schon mal nach. Und wenn nur ein kleiner Teil der Mannschaft ausrücken muss, dann haben wir auch Leute, von denen wir wissen, dass sie im Umgang mit dramatischen Ereignissen besonders belastbar sind“, betont der Kommandant.
„Nach den Einsätzen, egal welcher Art, nehmen wir uns bewusst die Zeit, nochmals über den Ablauf zu sprechen. Dazu gehört, das Verarbeiten von schlimmen Erlebnissen durch Gespräche zu fördern. Zudem können die Feuerwehren auch Einsatznachsorgeteams oder einen Notfallseelsorger anfordern“, berichtet Kienzler. In den Nachsorgeteams seien Menschen aus allen gesellschaftlichen Bereichen integriert, die bei der Bewältigung von seelischen Nachwirkungen sehr einfühlsam seien.
„Früher waren viele Feuerwehrleute der Meinung, solche Hilfen braucht es nicht. Das hat sich aber grundlegend gewandelt, auch bei den langjährigen Aktiven. Das ist auch wichtig und gut so“, sagt er. Schlimm könne es für Feuerwehrleute besonders werden, wenn sie ein verunglücktes Opfer persönlich kennen oder verwandt mit ihm sind. „Jeder Todesfall oder eine schwere Verletzung wiegen schwer. Ich persönlich bin aber jedes Mal froh, wenn ich bei einem Unfall das Kennzeichen des betroffenen Autos nicht kenne“, bekennt der Kommandant.

Mitunter muss eine Feuerwehr – wie die Gottmadinger – auch ausrücken, wenn ein Unfall- oder Brandgeschehen nicht auf der Gemarkung der eigenen Gemeinde liegt. So auch in der Nähe des Singener Hohentwiels, als ein 24-Jähriger vom eigenen Auto mit tödlichen Folgen mitgeschleift wurde, nachdem er aussteigen wollte. „Die alarmierte Singener Feuerwehr hat uns um Unterstützung gebeten, weil sie ein weiteres Fahrzeug mit Seilwinde benötigte. Gerade aber in Gebieten mit fließend übergehenden Gemarkungsgrenzen, wie Singen, Hilzingen und Gottmadingen, sei eine schnelle und enge Abstimmung nötig. Zuständige Mitarbeiter der Leitstelle könnten bei der Alarmierung nicht immer wissen, wie genau die Gemarkungsgrenzen verlaufen. „Es gibt kein Gerangel um die Zuständigkeiten bei den benachbarten Feuerwehren. Es geht vorwiegend um einen schnellen Einsatz“, sagt Kienzler.

Ob der Vielfältigkeit der Feuerwehr-Einsätze kommt der Ausbildung eine enorme Bedeutung zu. Umso heikler war es, dass viele Monate lang aufgrund der Corona-Verordnungen so gut wie gar nicht geprobt werden durfte. Die Abläufe müssen passen, ein Fußballspieler könne auch nicht ohne eingehendes Training spielen, vergleicht Kienzler. „Schon alleine wegen vieler Neuerungen, wie bei den Vorschriften oder Geräten, sind Ausbildung und ständige Proben von elementarer Bedeutung“, betont Harald Mehlich, einer der beiden Gottmadinger Vize-Kommandanten. Etwas Positives schafft Corona: Dadurch, dass etliche Aktive der Feuerwehr überwiegend im Heimbüro arbeiten, hat sich die Schlagkraft bei Tages-Einsätzen erheblich verbessert.