Das Herosé-Areal. Treffpunkt für junge Menschen, die gerne feiern, Spaß haben wollen. Aber eben auch immer mal wieder für finstere Gestalten, deren Hemmschwelle zur Gewalt sehr niedrig ist. Aus welchen Gründen auch immer. Nicht selten sind Drogen im Spiel, Alkohol in aller Regel. So wie an einem sonnigen Herbsttag vor fast drei Jahren.

„Plötzliche sind zwei Typen brutal auf mich losgegangen“

Es war der Oktober 2016. Ein junges Paar zwischen Mitte 20 und Anfang 30, sitzt an dem warmen Tag unter der Fahrradbrücke und genießt das Leben. „Plötzlich sind zwei Typen brutal auf mich losgegangen, haben mich beschuldigt, Drogen an ihre Schwester verkauft zu haben, die daraufhin gestorben sei“, berichtet das männliche Opfer. „Einer hat dem anderen zugerufen: Das ist der Typ.“

Einen Grund für die Attacke hatten die Angreifer nicht

Es sei im wahrsten Sinne des Wortes Schlag auf Schlag gegangen. „Ich wurde durch den Park gejagt, bin dann in den kleinen Bach dort gefallen“, erinnert sich das Opfer. Einer der beiden jetzt Angeklagten wollte dessen Kopf unter Wasser halten, was nicht wirklich gelungen sei.

Stattdessen habe er dem Opfer ein Stück seines Ohrs abgebissen. Die Lebensgefährtin eines der beiden Angreifer kam hinzu, beteiligte sich tatkräftig. Irgendwann kam die Polizei, nahm die laut Aussagen eines Polizisten sehr aggressiven Täter trotz massiver Gegenwehr und übelster Beschimpfungen fest. Einen Grund für die Attacke nannten die drei Angreifer nicht.

In diesem Bach wollte einer der Täter den Kopf des Opfers unter Wasser halten.
In diesem Bach wollte einer der Täter den Kopf des Opfers unter Wasser halten. | Bild: Oliver Hanser

Vor dem Amtsgericht Konstanz blicken sie nun ihren Opfern ins Gesicht. „Ich schäme mich und möchte mich entschuldigen“, sagt einer. „Sorry, dass es so weit gekommen ist“, flüstert die Frau. Verteidigt werden die drei unter anderem von den Rechtsanwälten Gerhard Zahner und Christoph Nix, zwei auch in der Konstanzer Kulturszene bekannte Persönlichkeiten: Nix ist scheidender Theaterintendant, Zahner ist Autor. Vor dem Gerichtsgebäude sagt er: „Das, was damals passiert ist, ist unterste Schublade, das geht gar nicht.“

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Geld gesammelt für die Opfer

1000 Euro sammelten die drei Angeklagten in ihrer Familie als Täter-Opfer-Ausgleich, 700 Euro für den Mann, 300 Euro für die Frau. Darüber hinaus sollen dem Gebissenen ein Jahr lang monatlich 100 Euro überwiesen werden. Damit möchten die Angreifer ein Eingeständnis ihrer Schuld demonstrieren.

„Ich möchte nur, dass so etwas nie mehr passiert“

„Sie haben trotzdem zivilrechtliche Ansprüche auf Schmerzensgeld“, erklärt der Vorsitzende Richter Franz Klaiber. „Sie dürfen das ruhig nehmen.“ Sie nehmen es, auch wenn der Mann feststellt: „Es geht mir nicht ums Geld. Ich möchte nur, dass so etwas nie mehr passiert.“

Er ist trotz der langen Zeit seit der Tat innerlich aufgewühlt, blickt den Tätern in die Augen und stellt Fragen, die nicht geklärt werden können: „Was war das für eine Wut? Warum ist das so eskaliert? Ich hatte wirklich geglaubt, dass eure Schwester gestorben sei.“ Sie ist jedoch nicht nur nicht gestorben – sie existiert nicht einmal, zumindest nicht unter dem verwendeten Namen.

Opfer hat Angst um das Baby

Das weibliche Opfer ist rückblickend ebenso erstaunt über das brutale Vorgehen des Trios – und berichtet von psychischen Folgen: „Ich habe mittlerweile ein Neugeborenes und möchte in Zukunft ohne Angst mit meinem Baby draußen herumlaufen.“ Verteidiger Gerhard Zahner sagt ihr das im Gerichtssaal zu, eine Garantie könne freilich auch er nicht ausstellen.

Ein langes Strafregister

Der Blick auf die Strafregister des Hauptangeklagten könnte Zweifel jedenfalls daran aufkommen lassen: Beleidigungen, Fahren ohne Fahrerlaubnis, Versicherungsbetrug, Urkundenfälschung, schwere Körperverletzung, Straftaten unter Drogen- und Alkoholeinfluss – Freiheitsstrafen pflastern das Leben des Angeklagten, wegen einer davon erscheint er in Fußfesseln vor Gericht.

Sein Verteidiger Christoph Nix äußert die Hoffnung, sein Mandant wolle mithilfe von Therapien ein besseres Leben in Freiheit – verbunden mit Auflagen – beginnen

Richter lässt Milde walten

Er wolle unbedingt eine Therapie machen, erklärt auch der Angeklagte selbst dem Richter. Sein ebenso angeklagter Bruder ist trotz diverser Vorstrafen bis dahin weniger aufgefallen, seine Lebensgefährtin ist bis zu diesem Tag nicht mit dem Gesetz in Konflikt geraten.

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Richter Franz Klaiber freut sich über die umfassenden Schuldeingeständnisse der Täter – und lasse Milde walten, wie er selbst beim Urteilsspruch sagt. Wegen der Skrupellosigkeit des Auftretens richtet er dennoch ernste Worte an die Angeklagten.

Der bereits inhaftierte Hauptangeklagte erhält acht Monate zusätzlich zur noch laufenden Freiheitsstrafe, die Staatsanwaltschaft hatte zwei Jahre und vier Monate beantragt. Gegen den Bruder wurde eine Ermahnung ausgesprochen, die Frau muss eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu jeweils zehn Euro zahlen.

Hoffnung auf die Therapie

Eine positive Überraschung nennt Richter Klaiber dem Inhaftierten noch: Wenn er seine Therapie in einer geschlossenen Anstalt nach der aktuellen Strafe beginne und diese vollumfänglich erfolgreich abschließe, dann würde seine Strafe für den Überfall in eine Bewährungsstrafe umgewandelt werden.