Ermina Ramic liebt ihren Beruf. Sie ist Krankenschwester und am Klinikum auf Station H tätig. Ramic stammt aus Bosnien. Wegen der besseren Zukunftsperspektiven vor allem für ihre Kinder entschied sie sich, nach Deutschland auszuwandern.

Ramic ist kein Einzelfall. Mehrere Pflegekräfte am Konstanzer Krankenhaus stammen aus Bosnien. Tarik Secerkadic zum Beispiel: „Ich habe erfahren, dass Deutschland Pflegekräfte sucht und dachte: warum soll ich mich nicht melden?“ Das war vor fünf Jahren. Inzwischen spricht Tarik Secerkadic fließend Deutsch und weiß, dass er hier sehr geschätzt wird. Er berichtet aber auch von einem anstrengenden Weg dahin. Als er nach Deutschland kam, zunächst an eine andere Klinik, habe er die Sprache kaum gesprochen, das System sei ihm völlig unbekannt gewesen. Darauf seien weder er noch sein Arbeitgeber damals vorbereitet gewesen.

„Wir haben auch schon 51 Patienten zu zweit betreut“

Gundula Morina hat die Verantwortung für die Pflege auf Station H (Gastroenterologie und Onkologie). Die Krankenschwester ist froh um Kollegen wie Ermina Ramic und Tarik Secerkadic. Die Station hätte 46 Betten zu belegen, „das konnten wir aber nie halten“, erläutert sie. In den Phasen, die sie als die „schlimmsten“ bezeichnet und die etwa fünf Jahre zurückliegen, hätten sie hier 51 Patienten zu zweit betreut.

Zehn Patienten pro Pflegekraft

Das ist heute nicht mehr möglich. Es gibt eine gesetzliche Personaluntergrenze, die besagt, dass auf einer Station zehn Patienten von einer Pflegekraft betreut werden, auf einer Intensivstation sind es zwei Patienten. Nachts gilt die doppelte Anzahl, also 20 Patienten pro Pflegekraft.

„Die Richtung stimmt“, sagt Gundula Morina. Das Klinikum habe schon vor der Gesetzesneuerung reagiert und die Anzahl der Betten reduziert. Aktuell hat Station H also nur 31 Betten.

Überstunden gibt es immer noch viele

Das hat nicht alle Probleme beseitigt. „Nach wie vor fallen sehr viele Überstunden an“, sagt Gundula Morina. Nach einer neuen Betriebsverordnung müsse aber jeder Mitarbeiter, der 30 Überstunden angesammelt hat, diese abbauen. Das helfe, dass es nicht zu schlimmer Überlastung komme.

Wie geht das Klinikum vor bei der Suche nach Fachkräften?

Wirklich entlastet würden Pflegekräfte nur, wenn genügend neue Mitarbeiter eingestellt werden. Rainer Ott, Geschäftsführer des Gesundheitsverbunds Landkreis Konstanz, weiß um die Leistungsverdichtung und sagt: „Die Mitarbeiter waren und sind bis zu einem gewissen Grad überfordert.“

Durch die langanhaltende angespannte Situation in der Pflege seien Pfleger abgeschreckt worden, sich auf Stellen zu bewerben. Hinzu komme, dass die Aufstiegsmöglichkeiten nicht sonderlich gut seien. Die Nähe zur Schweiz mit attraktiven Arbeitsbedingungen tue sein Übriges.

Das Klinikum ist ein großer Betrieb. Der Gesundheitsverbund würde gern weitere Pflegekräfte einstellen, es gibt aber zu wenige Bewerber.
Das Klinikum ist ein großer Betrieb. Der Gesundheitsverbund würde gern weitere Pflegekräfte einstellen, es gibt aber zu wenige Bewerber. | Bild: Lukas Ondreka

Die Suche nach Arbeitskräften im Ausland ist im Moment die einzige Lösung. Aktuell versucht der Gesundheitsverbund, 80 Personen aus den Philippinen anzuwerben. Vor wenigen Jahren kamen spanische und süditalienische Pflegekräfte. Viele sind wieder in ihre Heimat zurückgekehrt oder in die Schweiz abgewandert.

Müssen Patienten abgewiesen werden?

Soweit, dass Patienten oder Notfälle abgewiesen werden müssen, kommt es nicht. „Das wäre unterlassene Hilfeleistung“, erläutert Ott. Allerdings würden punktuell Intensivstationen abgemeldet, wenn der Betreuungsschlüssel sonst nicht eingehalten werden könne. Es sei eine komplexe Logistikaufgabe, entsprechend zu planen und Patienten auf andere Stationen zu verlegen.

Visum und Anerkennung für den Arbeitsstart

„Wir müssen die Arbeitsbedingungen verbessern, damit die Leute bleiben“, sagt Marcus Schuchmann, ärztlicher Direktor. Doch schon der Start ist nicht einfach: Es vergeht viel Zeit, bis ausländische Pflegekräfte ein Visum und eine Anerkennung ihrer Berufsausbildung bekommen.

Mitarbeiter, die in der Öffentlichkeit lieber anonym bleiben wollen, werden deutlicher bei den Gründen, warum es schwer fällt, Stellen zu besetzen. Gründe seien zum einen die Nähe zur Schweiz. Außerdem sei die Arbeitsbelastung am Konstanzer Krankenhaus vergleichsweise hoch, zum Teil deutlich höher als in anderen Kliniken in der Umgebung.

Nur wenige wollen einspringen

Durch die hohe Belastung in der Vergangenheit seien viele Kollegen nur noch begrenzt bereit, einzuspringen, wenn andere ausfielen. Daher gebe es eine finanzielle Vergütung für Pflegekräfte, die für erkrankte Kollegen einspringen – eine Maßnahme, die nicht in vielen anderen Kliniken angewandt wird.

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Kapazität an 380 Betten – das ist die Theorie

Die Zahlen zeichnen ein nüchternes Bild: Das Konstanzer Klinikum hat eine Kapazität von 380 Betten. Allerdings relativiert Rainer Ott: „Faktisch wurde es aber noch nie mit 380 Betten betrieben.“ Fakt ist aber auch, dass der Gesundheitsverbund gern mehr Patienten aufnehmen würde und der Bedarf gegeben ist. Dies wäre auch notwendig, damit der Betrieb wirtschaftlich bleibt. „Um alle Betten zu betreiben, bräuchten wir 40 bis 50 weitere Pflegekräfte für Konstanz„, sagt Ott. Im Moment sind etwa 230 Personen in der Pflege beschäftigt.

Gundula Morina kämpft weiter für ihren Beruf. „Er ist extrem vielseitig und es sind viele Zusatzqualifikationen möglich“, sagt sie. Er könne zudem sehr erfüllend sein. Auf der anderen Seite steht, was eine Pflegekraft auszuhalten hat: den Wechsel der Schichten, den Stress, das Einspringen für Kollegen. „Wer das aushält, bleibt“, ist Morina überzeugt, „andere hören bereits während der Ausbildung wieder auf.“