Christoph Nix‚ Augen leuchten, wenn er über den 3. Juni spricht. An diesem Tag wird der Konstanzer Theaterintendant Papst Franziskus persönlich kennen lernen. Von Angesicht zu Angesicht. Zusammen mit einem kleinen Kreis Auserwählter wird er vor der anschließenden Generalaudienz mit 3000 Menschen die Möglichkeit haben, ein paar persönliche Worte an den Pontifex zu richten.
„Ich werde ihm sagen, dass ich sehr glücklich darüber bin, dass er der Kirche ein anderes Bild gegeben hat“, blickt Christoph Nix schon einmal voraus. „Und wie toll ich es finde, dass er Gefangenen die Füße gewaschen und sie damit als Menschen aufgewertet hat.“
Wie tritt man eigentlich einem Papst gegenüber auf? „Man sollte wohl nicht zu aufdringlich sein“, denkt der Theatermensch. „So eine Möglichkeit kommt vermutlich nie mehr wieder. Das muss man bewusst wahrnehmen.“
Die erste Einladung verlief im Sande...
Die aktuelle Einladung vom Oberhaupt der katholischen Kirche geht laut Christoph Nix zurück auf eine missglückte vor sieben Jahren. Damals war er von Georg Gänswein, der im Februar 2020 beurlaubte Kurienerzbischof und Präfekt des Päpstlichen Hauses, ebenfalls eingeladen zur Audienz. Dem SÜDKURIER liegt das damalige Schreiben vor.

Die Crux: Als er sich im Petersdom mit der offiziellen Einladung anmelden wollte, wusste die Schweizer Garde nichts davon. Die Eidgenossen ließen sich selbst von der Unterschrift Gänsweins nicht erweichen – das Gegenstück zur Einladung war bei ihnen schlicht nicht hinterlegt. „Ich hatte dann zwar Zutritt zur Generalaudienz, doch die persönliche mit acht Begleitern kam leider nicht zustande“, berichtet Christoph Nix.
Der Intendant ist bekennender Atheist, wie er selbst sagt. Was keinesfalls bedeutet, dass er sich nicht täglich mit Religion auseinandersetzt. Ganz im Gegenteil. Gerade ein streitbarer Mann wie er, der keinem Konflikt aus dem Weg geht, ist Zeit seines Lebens auf der Suche nach einer übergeordneten Instanz. „Alle Menschen haben ein Bedürfnis nach Festigung“, sagt er. „Spirituelle Menschen ziehen mich an. Ich habe ungeheuren Respekt vor ihnen.“
Nix und die Gretchenfrage
Gretchen würde Christoph Nix diese Frage stellen, die sie auch an Goethes Faust an die Hauptfigur richtete: „Nun sag, wie hältst du‘s mit der Religion? Du bist ein herzlich guter Mann, allein ich glaub, du hältst nicht viel davon.“ Er muss verschmitzt lächeln. „Das werde ich immer wieder gefragt“, antwortet er schließlich. „Ich glaube an den Gott, der immer zu Don Camillo spricht, wenn der mal wieder etwas Blödes gemacht hat.“
Gott meldet sich bei Schlitzohr Don Camillo immer dann, wenn der italienische Pfarrer in den Romanen Giovannino Guareschis seinem politischen Widerpart Peppone ein Schnippchen geschlagen hat. Die volkstümliche Satire beschreibt den Zwiespalt zwischen tradierten Werten, gesellschaftlicher Aufbruchsstimmung und politischer Rivalität in Italien im Klima des Kalten Krieges – kein Wunder, dass Christoph Nix diesen Gott nennt.
Wenn der scheidende Theaterintendant, der noch bis 15. August in Konstanz unter Vertrag steht, über Glaube und Religion redet, schildert er Begegnungen, die sein Leben nachhaltig beeinflusst haben. „Immer, wenn mir klar war, dass ich Atheist bin, traf ich Menschen, die mich widerlegt haben“, erzählt er.
Nix und der Mönch in einer Prostituiertenkneipe
Ein Franziskaner-Mönch eines Klosters in Straßburg beeindruckte ihn in den 1970er Jahren derart, dass er noch heute voller Bewunderung über ihn spricht. „Ich ging mit ihm Wein trinken in einer Prostituiertenkneipe“, erinnert er sich. „Auf dem Heimweg nahmen wir eine Taube mit, die wir aus dem Maul eines Schäferhundes befreiten. Am nächsten Morgen ließen wir sie aus dem Fenster fliegen.“
Die Paradoxie der Franziskaner hat es ihm angetan. Das Christentum lebt ebenfalls von der Widersprüchlichkeit, der Spannung zwischen Fortsetzung und Neubeginn. „Selbst, wenn wir uns das alles nur einbilden, gibt es Menschen, die uns lehren, daran zu glauben. Das ist bewundernswert“, sagt Christoph Nix.
Er selbst trat mit Kardinal Ratzinger, dem späteren Papst und Vorgänger von Franziskus, mehrmals in die Diskussion, in dem er die Rehabilitierung von Galileo Galilei forderte, „denn die Erde ist nun mal rund“. Der damalige Präfekt der Glaubenskongregation lehnte ab.
Nix, Hus und die Konstanzer Wunde
2013 schließlich bat er den Vatikan um Rehabilitierung von Jan Hus – was bis heute nicht geschah. „Theaterleute suchen natürlich theatrale Formen, und seitdem ich in Konstanz bin, ist der Fall Jan Hus für mich ein unerledigter Fall. Unerledigt die Frage der Verantwortung, der Kollektivschuld, es ist so eine Wunde in dieser Stadt“, sagte er damals.