Orsingen-Nenzingen feiert an diesem ersten Juli-Wochenende sein 50-jähriges Bestehen mit einem viertägigen Volksfest. Bei der offiziellen Feierstunde Anfang April kam zum Ausdruck, dass die beiden bis dahin selbstständigen Gemeinden 1975 nicht aus freien Stücken zusammenkamen, aber doch gut zueinanderfanden. Alte Gräben wurden im Lauf der Zeit durch Familienbande oder Vereinsaktivitäten zugeschüttet und gegenseitige Sticheleien gibt es heute nur noch an den jeweiligen bunten Abenden der Fasnacht.

Beim Blick in die Geschichte wird offenbar, dass sowohl die Orsinger als auch die Nenzinger mitunter schon viel weiter entfernte Bezugspunkte hatten, auf die es sich einzulassen galt. Vor zwei Wochen berichtete der SÜDKURIER über Orsingen, doch mit wem hatte es eigentlich Nenzingen die Jahrhunderte hindurch zu tun?

Ein Gletscher, ein Gräberfeld und die erste Erwähnung

1990 veröffentlichte Heinrich Rehm zusammen mit dem Hegau-Geschichtsverein (Band 68 der Hegau-Bibliothek) die Ortschronik Nenzingen – Geschichte und Geschichten. Auch hier finden sich wie im Orsinger Pendant aus der Feder von Ferdinand Stemmer im Ortsregister zahlreiche Orte, mit denen in irgendeiner Form ein Kontakt bestand. Im Fall von Nenzingen reicht die Liste von Aach bis Zwiefalten. Rehm beginnt aber nicht mit einem menschlichen Einfluss, sondern dem aus Graubünden und Vorarlberg kommenden Rheingletscher, der die Landschaft um Nenzingen in Urzeiten formte.

Die Nellenburger Hirschstangen auf einem Wappenstein zwischen Pfarrhaus und Josefsheim.
Die Nellenburger Hirschstangen auf einem Wappenstein zwischen Pfarrhaus und Josefsheim. | Bild: Dominik Rimmele

Weiter nennt Rehm die ersten menschlichen Spuren in Nenzingen und berichtet nach steinzeitlichen und anderen Phasen von einem alemannischen Gräberfeld zwischen 550 und 560 nach Christus bei der Martinskapelle. Der dort einst befindliche Martinshof wird in Verbindung gebracht mit den Herren von Homburg, Steißlingen, sowie der Königspfalz Bodman und der Reichenau.

Diese beiden Orte trugen auch zur Ersterwähnung von Nenzingen in einer Urkunde aus dem Jahr 839 bei. Seit 917 gehörte Nenzingen zum damals neu errichteten Herzogtum Schwaben und darin zur Hegau-Grafschaft.

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Von den Herren von Nenzingen bis zu den Habsburgern

Hier hatten anfangs die Herren von Nenzingen das Sagen und vor allem die Nellenburger, welche ihren Sitz auf der Nellenburg zwischen Nenzingen und Stockach hatten. Der selige Eberhard von Nellenburg gründete 1049 das Kloster Allerheiligen, um welches die Stadt Schaffhausen entstand. 1422 starben die Grafen von Veringen-Nellenburg aus und wurden durch die Herren von Tengen und Freiherren von Eglisau abgelöst.

Diese verkauften ihren Besitz im Hegau 1465 an Herzog Sigmund von Österreich. Bis 1805 war Nenzingen daher habsburgisch und unterstand neben Wien dem Oberamt und dem Kaiserlichen Landgericht im Hegau und Madach. Danach schreibt Rehm: „Nach fünfjähriger württembergischer Landeshoheit gelangte dann die ehemalige Landgrafschaft Nellenburg 1810 an Baden.“ Die Regierung saß nun in Karlsruhe – nachfolgende maßgebliche Orte wie Freiburg und Stuttgart, aber auch Berlin, Bonn und schließlich wieder Berlin sind bekannt.

Nenzingens kriegerische Vergangenheit

Doch von der Gegenwart zurück in frühere, kriegerische Zeiten mit unliebsamen Besuchen in Nenzingen: 1499 kamen im Schwabenkrieg die Schweizer, um Stockach einzunehmen, und verwüsteten auch die Umgebung. Im Bauernkrieg im Jahr 1525 wurde Nenzingen verbrannt, ebenso zu beträchtlichen Teilen 1704 im Spanischen Erbfolgekrieg.

Als 1799 die Schlacht von Stockach tobte und sich österreichische und französische Truppen gegenüberstanden, war auch Nenzingen betroffen. Das Gewann Kriegswiesen erinnert noch daran. In den beiden Weltkriegen zogen Nenzinger Soldaten in fremde Länder und an Orte, die sie zuvor vielleicht nicht einmal vom Namen her kannten – und manche kamen nicht mehr zurück.

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Nach Kriegsende kamen 1945 die Franzosen nach Nenzingen und hatten das Sagen. Nenzinger Soldaten kehrten aus der Kriegsgefangenschaft aus Amerika, Frankreich und Russland zurück und Heimatvertriebene zogen nach Nenzingen. Rehm führt sie ebenso in seiner Chronik auf wie die Auswanderer von Nenzingen, welche teils schon im 18. Jahrhundert ihr Glück anderswo suchten. Auch etliche Ordensleute und Priester aus Nenzingen gingen in die Welt hinaus. Dafür kamen andere, um diesen Dienst in Nenzingen zu verrichten.

Gute Verbindungen zu anderen Orten wie Orsingen

Durch seine gute Lage an wichtigen Straßen schon zur Römerzeit, Postlinien seit dem 16. Jahrhundert und der Eisenbahn seit 1867 bekam Nenzingen immer wieder Besuch und die zahlreichen Gasthäuser nahmen die Gäste auf. Die Nenzinger wiederum konnten andere Orte gut erreichen und taten dies, teils auch zur Arbeit oder durch die Aktivitäten der verschiedenen Vereine.

So spielten viele andere Orte auf der Welt für Nenzingen und seine Bewohner im Laufe der Zeit eine mehr oder weniger wichtige Rolle – immer wieder auch das benachbarte Orsingen. Als Doppelgemeinde Orsingen-Nenzingen sind die beiden Orte nun seit 50 Jahren gemeinsam auf dem Weg.