Mit der Sitzung des Technischen– und Umweltausschusses (TUA) ist die Katze nun endlich aus dem Sack: Ein Bauherr will nicht nur das geschichtsträchtige Gasthaus Linde, sondern auch das Eckgebäude Radolfzeller-/Kindelbildstraße am Dorfbrunnen dem Erdboden gleich machen – um dort stattdessen ein Wohn- und Geschäftshaus zu errichten.

Linke Liste und Freie Grüne Liste machen das brisante Thema öffentlich

Eine entsprechende Bauvoranfrage hierfür wurde bereits drei Mal im Gestaltungsbeirat der Stadt Konstanz diskutiert, allerdings nur hinter verschlossenen Türen. Linke Liste sowie Freie Grüne Liste stellten jetzt im Technischen und Umweltausschuss, TUA, den Antrag zur Aufstellung eines Bebauungsplans und machten das brisante Thema damit öffentlich.

Schließlich geht es um etwas Wesentliches: Die beiden Gebäude prägen das Bild des einstmaligen Dorfes, markieren am Löwenbrunnen dessen Ortskern und werden an der Hauptdurchgangsstraße als augenfälliges Tor nach Wollmatingen wahrgenommen.

Gestaltungsbeirat: Es handelt sich um eine städtebaulich sensible Stelle

„Es ist ein sensibler Bereich“ erklärt Holger Reile (Linke Liste). Auch der Gestaltungsbeirat habe festgestellt, dass es sich bei dem Areal um eine wichtige und städtebaulich sensible Stelle handle, die behutsam weiterentwickelt werden solle. Das findet die Linke Liste auch, sieht aber die Notwendigkeit eines Planungsverfahrens.

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„Angesichts der stadtentwicklungspolitischen Brisanz und Tragweite einer solch gravierenden Veränderung des Ortskerns Wollmatingen wird eine Beratung lediglich im Gestaltungsbeirat – wie bislang vorgesehen – diesen Anforderungen nicht gerecht“, so die Linke Liste in ihrem Antrag. Reile forderte die Aufstellung eines Bebauungsplans, schließlich würde mit dem Neubau der bislang dörfliche Charakter des Ortsbildes an dieser Stelle massiv in Richtung Urbanität verändert.

„Investoren gehen immer an das Äußerste und einen Schritt weiter“

„Wir wollen einen Bebauungsplan nicht nur für dieses Areal, sondern auf die Wollmatinger Mitte erweitern“, so Peter Müller-Neff (FGL), denn er habe gehört, dass andere Bauherren im Umfeld ebenfalls Neubauten planen wollten. Das im Gestaltungsbeirat diskutierte Wohn- und Geschäftshaus findet er „zu massiv“ und die „Fugenlösung als nicht gut gelungen“.

Nach SÜDKURIER-Recherchen ist ein Komplex geplant mit zwei dreigeschossigen Gebäudeteilen plus Dach, die mittels eines zweigeschossigen sogenannten Fugengebäudes verbunden sind. Nur ein Bebauungsplanverfahren könne eine angemessene Antwort auf das Baubegehren liefern, ist Müller-Neff überzeugt, denn: „Investoren gehen immer an das Äußerste und einen Schritt weiter.“

Daniel Groß: „Mir blutet das Herz“

„Mir blutet das Herz“, bekannte Daniel Groß (CDU) offen. „Es ist ein gewachsenes Dorf“, in welchem es bereits einige Bausünden gebe. Gerade das Linde-Areal sei ortsbildprägend, weshalb auch er die Aufstellung eines Bebauungsplans als notwendig erachtet.

„Wenn man Wollmatingen als Dorf erhalten will, dann darf man nicht alte Häuser abreißen, auch wenn sie erst um 1900 erbaut wurden; immerhin sind auch sie historische Bauten“, so Groß. Jedes Haus habe seine eigene Geschichte und die paar alten Gebäude gelte es zu erhalten, „um zu verhindern, dass Wollmatingen nur noch ein Vorort wird“.

„Es wird ein Elend“, ist auch Ewald Weisschedel (Freie Wähler) überzeugt. Bereits das gegenüberliegende Hochhaus „hat den Dorfkern schon ziemlich kaputt gemacht“, befand er und überlegte, „was kann ein Bebauungsplan über ein größeres Gebiet lösen“, damit nicht ein Hochhaus nach dem anderem gebaut werde.

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Es gibt auch Rückenwind für den Investor

„Ich verstehe nicht, was ein Bebauungsplan besser machen könnte“, meinte Christian Koßmehl von den Freien Wählern. „Der Investor hat Baurecht und sich an die Spielregeln gehalten“ und sei auf alles eingegangen, was der Gestaltungsbeirat gewünscht habe. „Den Gestaltungsbeirat halte ich für ein hohes Gut“, so Koßmehl.

Heinrich Fuchs (CDU) sieht das Bauvorhaben nicht unkritisch, hatte aber Zweifel, ob ein Bebauungsplan zielführend sei oder ob es vielleicht andere Rechtsinstrumente gebe.

Ein Problem: Das Gasthaus zur Linde steht nicht unter Denkmalschutz

„Es fehlt uns ein rechtliches Instrument“, stellte Denkmalschützer Frank Mienhardt fest. Das Gasthaus sei zwar ein historisches Gebäude, stünde aber nicht unter Denkmalschutz. Auch ein Ensembleschutz greife nicht, denn „in der Vergangenheit sind Fehler passiert“, sodass nur noch Fragmente erhalten seien.

Klar ist: „Substanz geht trotzdem verloren“, so Mienhardt, der aber die Auffassung vertritt, dass die „optimale Qualitätssicherung“ durch den Gestaltungsbeirat ermöglicht würde, denn viele Details, darunter Materialität des Neubaus, könnten in einem Bebauungsplan nicht geregelt werden.

Thema wird nun in der nächsten öffentlichen Sitzung des Gemeinderats diskutiert

Ein Bebauungsplan sei nicht das Allheilmittel, stellte auch Marion Klose, Leiterin des Amtes für Stadtplanung und Umwelt fest, die eindringlich von dieser Variante abriet. Sie empfahl, auf das konkrete Bauvorhaben zu warten.

„Wenn etwas schräg läuft, bin ich die Erste, die auf sie zukommt“, wandte sie sich an die TUA-Mitglieder. Bei vier Ja-Stimmen und sechs Gegenstimmen wurde der Antrag, einen Bebauungsplan mit Umgriff aufzustellen, abgelehnt. Das Thema wird nun in der nächsten öffentlichen Sitzung des Gemeinderats behandelt.